Hamburg. Diskussion um autofreie Innenstadt: Zählungen zeigen, wo die Verkehrsbelastung in Hamburg am größten ist.
Die Diskussion um eine autofreie Innenstadt ist voll entbrannt – und könnte zu einem wichtigen Thema im beginnenden Bürgerschaftswahlkampf werden. Mit Spannung wird der Vorschlag der Grünen erwartet, die ihr Konzept für die Weiterentwicklung der inneren Stadt am morgigen Freitag vorstellen wollen. Im Abendblatt hatten sie bereits exklusiv angekündigt, dass sie die Forderung nach einer „weitgehend autofreien“ Innenstadt in ihr Wahlprogramm schreiben wollen. Die CDU will zumindest darüber nachdenken, einzelne Straßenzüge den Fußgängern zurückzugeben.
Aber wie stark ist die Innenstadt eigentlich tatsächlich mit Verkehr belastet? Welche Straßenzüge werden von Autos und Lieferverkehr besonders frequentiert – und wo ist es heute schon eher ruhig? Diese Fragen dürften eine wichtige Rolle spielen bei der Frage, wo eine weitere Verkehrsberuhigung – und damit mehr Aufenthaltsqualität – möglich und sinnvoll ist.
Deichtortunnel ist stark befahren
Spannend ist, dass viele Innenstadtstrecken schon heute etwas weniger stark befahren sind als noch vor zehn Jahren. So ist die Zahl der Fahrzeuge auf fast allen größeren Straßen in der City seit 2008 gesunken – und das, obwohl die Zahl der in Hamburg gemeldeten Kraftfahrzeuge in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist auf zuletzt mehr als 924.000.
Zu den verkehrsreichsten Abschnitten in der Innenstadt gehören laut Geoportal, in das die von der Verkehrsbehörde veranlassten Zählungen fließen, der Deichtortunnel im Verlauf der Willy-Brandt-Straße mit wochentags durchschnittlich 62.000 Fahrzeugen und die Lombardsbrücke mit 59.000 Fahrzeugen an Wochentagen.
Neue Verkehrsideen
Waren auf dem Neuen Jungfernstieg (nahe der Kreuzung Esplanade) im Jahr 2008 an Wochentagen noch im Durchschnitt 44.000 Fahrzeuge unterwegs, waren es 2017 noch 41.000. Die Zahl der Fahrzeuge fiel auf der Kennedybrücke laut Geoportal von 54.000 im Jahr 2008 auf 48.000 Fahrzeuge, am Dammtordamm von 22.000 auf 19.000, an der Stadthausbrücke/Neuer Wall von 18.000 auf 14.000 und am Steintordamm von 19.000 auf 15.000. Tatsächlich nutzen heute bereits 80 Prozent der Hamburger den Nahverkehr, um in die City zu kommen. Das mag daran liegen, dass vor allem jüngere Leute vielfach Bus und Bahn fahren – oder die neuen E-Scooter.
Während City-Managerin Brigitte Engler über neue Verkehrsideen nachdenken will, lehnt Verkehrssenator Michael Westhagemann eine autofreie Innenstadt jedenfalls ab. „Bürgerinnen und Bürger brauchen nicht noch mehr Vorschriften“, sagte der parteilose Verkehrssenator dem Abendblatt. „Sie brauchen Angebote, die es ihnen leichter machen, das eigene Auto in der Garage zu lassen. Daran arbeiten wir. Mehr Busse und Bahnen, neue Linien, kürzere Takte, bessere Radwege sind nur einige Beispiele, wie wir Mobilität entwickeln wollen. Flächendeckende Fahrverbote sind nicht unser Ansatz“, so Westhagemann.
Parkhäuser müssen weiterhin erreichbar sein
Während seine Behörde für die Hauptverkehrsstraßen zuständig ist, fallen die kleineren bezirklichen Straßen in die Zuständigkeit eben der Bezirke. Eine vollständig autofreie Innenstadt ist ohnehin aus rechtlichen Gründen nicht möglich, wie auch die Grünen wissen. Die Betreiber der Parkhäuser haben einen vertraglichen Anspruch darauf, dass Autos sie erreichen. Innerhalb des Rings 1 gibt es 21 Parkhäuser mit insgesamt mehr als 10.000 Stellplätzen (siehe Karte).
Die Studie „Mobilität in Deutschland“ hatte Ende vergangenen Jahres gezeigt, dass mittlerweile 43 Prozent der Hamburger Haushalte ohne eigenes Auto auskommen; im Jahr 2008 lag der Anteil noch bei 32 Prozent. In den Bezirken Mitte und Nord verzichten sogar 52 Prozent auf ein eigenes Auto. Im Bezirk Wandsbek verfügen dagegen 68 Prozent der Haushalte über ein, zwei oder sogar mehr Autos.
Der Studie zufolge legten die Hamburger 2017 ein gutes Drittel ihrer Wege mit Auto, Motorrad oder Lkw zurück. 2002 und 2008 lag dieser Anteil noch bei mehr als 40 Prozent. Im Umland habe sich weniger an den Nutzungsgewohnheiten geändert; da Umlandbewohner mit ihren Autos oft auch in die Stadt pendeln, gingen die Autoren der Studie nicht von einer Entspannung auf den Straßen der wachsenden Stadt aus.