Hamburg. Zum ersten Mal gab es einen Austausch von jungen Klimaaktivisten und Abgeordneten der Bürgerschaft. Worüber sie sprachen.

Wenn selbst Dirk Nockemann von der AfD im Hamburger Rathaus Klimareden schwingt („Wir sind in Hamburg keine Leugner des Klimawandels“), dann ist irgendwas anders als sonst. Und tatsächlich war diese Zusammenkunft am Mittwoch etwas Besonderes, nämlich eine Premiere: Auf Einladung von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) sind rund 20 „Fridays-for-Future“-Aktivisten in den Kaisersaal gekommen, um mit 18 Bürgerschaftsabgeordneten, darunter alle sechs Fraktionschefs und sechs Wissenschaftler, über den Klimawandel zu sprechen.

„Aus dem Protest vor den Rathaus soll ein zwangloses Treffen im Rathaus werden“, sagte Carola Veit gleich zu Beginn, was für den ersten Lacher sorgte. Denn so richtig zwanglos wirkte die gedeckte Tafel vor ehrwürdiger Kulisse, an der sich Klimaaktivisten und Politiker gegenüber saßen irgendwie nicht. Es sollte vorerst der letzte Lacher bleiben. Denn die Aktivisten machten sehr schnell deutlich: Das Thema ist ernst!

Fridays for Future: Emotionale Wortbeiträge im Kaisersaal

Mit teils überaus emotionalen Wortbeiträgen brachten sie auf den Punkt, um was es ihnen geht. Eine sagte etwa: „Ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, dass es Werte wie Demokratie und Menschenrechte gibt und nun erlebe ich immer wieder, dass die Werte in den vergangenen Jahren von der Politik massiv missachtet werden. Ich habe Angst vor der Zukunft.“

Fast alle teilnehmenden Politiker griffen die Emotionalität auch für ihre Beiträge auf, berichten davon, dass auch sie in die Politik gegangen sind, weil sie sich um die Zukunft sorgen (Anjes Tjarks von den Grünen: „Mich bewegt das auch wirklich“; Anna von Treuenfels-Frowein von der FDP: „Auch wir fragen uns, was aus unseren Kindern wird.“)

Weder Klimawandel-Leugner noch Gegner am Tisch

Und obwohl weder Klimawandel-Leugner oder gar Gegner dabei waren, wirkten die Teilnehmer doch in einem wesentlichen Punkt weit voneinander entfernt. Die Aktivisten betonten, dass der Klimaschutz über allem stehen müsse. Finanzen? Soziale Folgen möglicher Mehrbelastungen? Arbeitsplätze? Alles zweitrangig. „Es ist absurd zu fragen, ob wir uns den Klimawandel leisten können“, sagte eine von ihnen. Denn das, was auf das Land zukomme, wenn die Klimaziele nicht eingehalten werden, würde deutlich schwieriger zu bewältigen und selbstverständlich auch deutlich mehr kosten.

Vertreter verschiedener Fraktionen betonen dagegen, dass es sich um ein Querschnittsthema handle, was viele Bereiche betreffe und eben nicht ganz isoliert zu sehen sei. Recht unterschiedlich war auch der grundsätzliche Grad der Zuversichtlichkeit und der Zufriedenheit über bereits Erreichtes und Geplantes. Monika Schaal (SPD) lobte erfolgreich umgesetzte Maßnahmen, Stephan Gamm (CDU) sagte: „Durch die Emotionalität der Debatte wird oft vergessen, was wir schon alles geschafft haben“, die Linke betonte, dass Hamburg noch deutlich mehr Potenzial habe.

Was sind die Pläne, wenn die Klimaziele verfehlt werden?

Für die Klimaaktivisten blieb vieles zu sehr an der Oberfläche. Sie fragten: Schaffen wir es denn nun, oder schaffen wir es nicht? Was sind die konkreten Maßnahmen? Und was plant die Politik, wenn wir die Ziele verfehlen? Wie reagieren wir auf mögliche Flüchtlingsströme und steigenden Wasserpegel?

Ausdiskutiert wurden die einzelnen Punkte nicht. Aber so war das Treffen wohl auch nicht angelegt. Es sollte schließlich kein Schlagabtausch werden, wie Carola Veit betonte, sondern ein Austausch, auch um mehr Verständnis füreinander zu entwickeln. Und tatsächlich bekundeten beide Seiten Verständnis, es gab Lob für den hartnäckigen Protest und es gab Anerkennung von den Aktivisten für das politische Engagement. Verständnis dafür, dass nicht schon viel mehr geschehen ist, zeigten sie nicht. Daran änderte auch der unter anderem von der FDP gegebene Rat an die Aktivisten nichts, das Ganze mit etwas mehr Optimismus zu betrachten. Am Ende blieben viele Fragen unbeantwortet, etwa, ob Hamburg es schaffen werde, klimaneutral zu werden. Andere Fragen wurden dann aber doch beantwortet, etwa, ob man es schaffen werde, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Anjes Tjarks sagte: „Das ist leider bestenfalls offen.“

Ernüchterung der Fridays-for-Future-Aktivisten spürbar

An vielen Stellen war Ernüchterung bei den Aktivisten zu spüren. „Wir gehen seit acht Monaten auf die Straße und es ist nichts geschehen“, sagte einer von ihnen. Ein Ausspruch, den niemand an diesem Tisch so stehen lassen wollte. Auch Carola Veit sagte: „Ihr habt sogar viel erreicht: Ihr habt einen Diskurs angeregt und für ein Umdenken bei vielen Menschen gesorgt, das es überhaupt erst möglich machen wird, dass politische Entscheidungen auch von der Mehrheit getragen werden.“