Hamburg. Neue Vorwürfe gegen Steven Baack. Abschlussbericht wird erwartet. Rückt LKA-Chef Heise in den Fokus der Untersuchung?
Es ist ein einzigartiger Vorgang in der jüngeren Geschichte der Hamburger Polizei: In der Affäre um mögliche „verbotene Ermittlungsmethoden“ der Soko „Cold Cases“ für ungelöste Kriminalfälle untersucht eine Arbeitsgruppe seit drei Monaten schwere Vorwürfe gegen die Spitze des Landeskriminalamtes. Dem Vernehmen nach hat sich die Untersuchung deutlich ausgeweitet und könnte massive Konsequenzen haben – zudem sorgt der abgesetzte Soko-Chef Steven Baack für weitere Aufregung im Präsidium.
Wie mehrere Beamte dem Abendblatt bestätigten, prüft die Polizeiführung weitere disziplinarrechtliche Schritte gegen Baack wegen eines Vorfalls im Juni. Der einst von Vorgesetzten hoch gelobte Kriminalhauptkommissar erschien demnach plötzlich in einer Klassenstunde von angehenden Schutzpolizisten an der Akademie der Polizei in Winterhude, in der es um seinen Fall und die Vorwürfe von zweifelhaften Ermittlungs- und Vernehmungsmethoden ging.
Sanktionen gegen Baack
„Baack hat dem Dozenten einen Kaffee in die Hand gedrückt, die Stunde gekapert und einen langen Vortrag gehalten, warum er unschuldig sei“, so ein Beamter. Steven Baack schilderte den Ablauf gegenüber Vertrauten anders: Er habe gehört, dass der Dozent vor den Polizeischülern Unwahrheiten über ihn verbreite. Deshalb habe er freundlich angeboten, für Fragen zur Verfügung zu stehen. „Das wurde bejaht. Und ich habe alles beantwortet und der Klasse auch gesagt, dass jeder sich seine eigene Meinung bilden soll“, wird Steven Baack von Vertrauten zitiert. Der Dozent meldete den Zwischenfall später jedoch offenbar der Polizeispitze, die nun Sanktionen prüft.
Gegen Baack wird ohnehin disziplinarrechtlich ermittelt, weil er schwere handwerkliche Fehler in einem Cold-Case-Verfahren um einen versuchten Mord im Jahr 1980 begangen haben soll. Der abgelöste Chef der Cold-Case-Einheit der Hamburger Polizei wies die Vorwürfe größtenteils zurück und sprach vom Resultat einer völligen Überlastung und Überforderung. Diese Erklärung bezeichnete auch der Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich gegenüber dem Abendblatt als grundsätzlich plausibel – dies war der entscheidende Grund dafür, dass gegen Steven Baack kein Ermittlungsverfahren wegen Unterdrückung von Beweismitteln und weiterer Straftaten eingeleitet wurde.
Im Präsidium wird aber weiterhin davon gesprochen, dass Baack „einfach zu viel gewollt und zu wenig gekonnt“ habe.
Nachdem der ehemalige Soko-Chef zunächst über Monate krankgeschrieben war und gegenüber Vertrauten über schwere psychische Folgen der Vorgänge sprach, ist Baack seit Juni wieder im Dienst. Er wurde als Referent für den Katastrophenschutz in die Innenbehörde abgeordnet – in seiner neuen Aufgabe ist er unter anderem dafür verantwortlich, eine Strategie für den Fall eines Stromausfalls infolge terroristischer Angriffe zu entwickeln. Aus seinem Umfeld heißt es jedoch, Baack sehe seine Zukunft selbst aber eher als wieder ermittelnder Kriminalbeamter.
Die Eltern der verschwundenen Hilal fordern Baack zurück
Auch die Angehörigen des im August 1999 verschwundenen Mädchens Hilal Ercan hatten sich zuletzt wiederholt öffentlich dafür ausgesprochen, dass Baack wieder in dem Fall ermitteln solle. Zu ihm hatten sie großes Vertrauen gewonnen, als Baack den Fall der Schülerin aus Lurup wieder aufrollte. Sie war von einem Einkauf nicht nach Hause zurückgekehrt.
Viele Wegbegleiter bei der Polizei rückten dagegen von Baack ab. Wie stark die Affäre seine Karriere nachhaltig beschädigt, hängt nun auch von der eingerichteten Arbeitsgruppe zu den Zuständen im LKA ab. In Polizeikreisen heißt es, dass der pensionierte Leitende Polizeidirektor Bernd Schulz-Eckhardt bereits eine Vielzahl von Beamten befragt habe, die keine Berührungspunkte zur Abteilung „Cold Cases“ hatten. Dies wird als klares Zeichen gewertet, dass insbesondere die Gesamtleistung von LKA-Chef Frank-Martin Heise im Fokus der Untersuchung steht.
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Interne Kritiker werfen Heise eine zu starke Selbstdarstellung, ungebührliches Verhalten und unzureichende Achtsamkeit für Probleme vor. Auch vom Abendblatt enthüllte interne Dokumente, in denen Steven Baack frühzeitig und wiederholt einen eklatanten Personalmangel in der Soko „Cold Cases“ beklagte, fließen in das Ergebnis der Arbeitsgruppe ein.
Abschlussbericht geht bald an Polizeipräsident Meyer
Der entsprechende Bericht soll in den nächsten Wochen verfasst und dem Polizeipräsidenten vorgelegt werden. Im Präsidium kursieren bereits Spekulationen, dass Polizeipräsident Ralf Martin Meyer bald danach für die Versetzung Heises auf einen anderen Posten außerhalb Hamburgs sorgen könnte.
Aus dem Umfeld des LKA-Chefs hieß es jedoch zuletzt, er sehe der Untersuchung gelassen entgegen. Baack sei zudem als Dienststellenleiter für die Einteilung der Ressourcen größtenteils selbst verantwortlich gewesen. Ein Polizeisprecher bestätigte, dass die Arbeitsgruppe weiter aktiv sei – darüber hinaus wollte er die Untersuchung nicht kommentieren.