Hamburg. Das Hamburger Abendblatt zieht Bilanz: Wie die E-Scooter in einem Monat den Verkehr in der Stadt veränderten.

Knapp einen Monat nach der Zulassung von E-Rollern haben Verkehrsverbände eine kritische Zwischenbilanz gezogen. Auch die Polizei Hamburg kann bereits auf erste Zahlen zurückblicken und führte bereits eine gezielte Kontrolle der "Elektrokleinstfahrzeuge" durch. Die Zahl der E-Scooter-Anbieter erhöht sich darüber hinaus stetig, die Anzahl der Roller ebenfalls. Auch der Mietpreis pro Minute wurde wegen der hohen Nachfrage bereits teilweise angehoben.

Laut Verkehrsbehörde sind mittlerweile 2160 E-Scooter auf Hamburgs Straßen unterwegs – nur in Berlin und Köln ist die Zahl höher. In Hamburg sind bislang vier Firmen aktiv: Lime, Tier, Voi und Circ. Zwei weitere Anbieter stehen nach Informationen der Verkehrsbehörde in den Startlöchern: der US-Riese Bird und das Hamburger Start-up Floatility.

Vier Unfälle und diverse Verwarnungen

Zu Unfällen kam es laut aktuellen Aufzeichnungen der Polizei Hamburg im vergangenen Monat viermal. Darunter waren zwei Vorfälle, bei denen ein Radfahrer beteiligt war. Unfallverursacher seien immer die Fahrer des E-Rollers gewesen, so Polizei-Sprecher René Schönhardt gegenüber dem Abendblatt. Es habe jedoch bisher keine Schwerverletzten gegeben. Konkrete Zahlen zu Trunkenheit am E-Scooter-Steuer sowie zum verbotenen Fahren mit zwei Personen, gebe es bisher noch nicht.

Mit einem Schwerpunkteinsatz hatten sich die Beamten der Fahrradstaffel vergangenen Freitag das erste Mal speziell dem "Verhalten von Führern von Elektrokleinstfahrzeugen" gewidmet. Innerhalb von nur fünf Stunden wurden 15 Verstöße gegen die sogenannte "Elektrokleinstfahrzeugverordnung" festgestellt. Häufigstes Delikt war das Befahren des Gehwegs.

Eine Anfang Juli durchgeführte Polizeikontrolle auf der Mönckebergstraße, die eigentlich dem Autoverkehr galt, entwickelte sich ebenfalls zur E-Scooter-Kontrolle, da viele Rollerfahrer unerlaubterweise auf den breiten Bürgersteigen unterwegs waren. Die Polizisten sahen vor Ort jedoch davon ab, Bußgelder zu verteilen und beließen es bei Aufklärungsgesprächen. Da die E-Roller jetzt zum Stadtbild gehörten, würden die Beamten diese, genau wie Radfahrer oder Falschparker, auch zukünftig gezielt überprüfen, so Schönhardt.

In anderen deutschen Städten kam es im vergangenen Monat bereits zu schwerwiegenderen Unfällen: In Berlin gab es bislang mindestens acht Schwerverletzte mit Knochenbrüchen und Kopfverletzungen, München zählte sechs Unfälle.

Verkehrsverbände fordern Aufklärung

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und der ADAC forderten angesichts der ersten Unfälle eine bessere Aufklärung über Sicherheitsgefahren. Die Unfälle zeigen, wie gefährlich das Fahren mit E-Scootern ist und wie sehr es von einigen unterschätzt wird, sagte Christian Kellner, Hauptgeschäftsführer des Verkehrssicherheitsrats, der Deutschen Presse-Agentur.

Dringend notwendig sei eine breite Aufklärung. "Alle müssen wissen, wie man mit den Fahrzeugen fährt und wann welche Unfallrisiken bestehen." Gefordert seien dabei auch die Hersteller und Sharinganbieter, die per App oder über den E-Scooter direkt Sicherheitshinweise geben könnten.

"Immer häufiger sind unachtsam abgestellte E-Scooter Stolperfallen auf den Bürgersteigen", sagte Kellner. Das müsse verhindert werden - auch dass die Fahrzeuge zu zweit benutzt werden. "Sollte sich die Unfallsituation weiter verschlechtern und sollten mehr Menschen mit Kopfverletzungen und Brüchen in Krankenhäuser eingeliefert werden, müssen wir über eine Helmpflicht nachdenken", so der Hauptgeschäftsführer des Verkehrssicherheitsrats . "Dann müsste die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern die Verordnung entsprechend anpassen."

Probleme mit E-Scootern nehmen zu

Auch eine Sprecherin des ADAC verwies auf zunehmende Probleme mit den E-Scootern. Der Automobilclub appellierte an die Nutzer, sich verantwortungsvoll, defensiv und vorausschauend verhalten. Fahrer auf dem E-Scooter seien "schutzlos", im Falle von Stürzen und Unfällen könne es zu schweren Verletzungen kommen. Wichtig sei es, sich vorab über die mögliche Route Gedanken zu machen und Strecken ohne Radweg möglichst zu vermeiden.

Als positiv bewertete der ADAC, dass einzelne Verleiher ihre Apps nutzen, um zusätzliche Sicherheitshinweise zu geben. "Das Engagement könnte allerdings noch deutlich größer sein", sagte die Sprecherin. Denkbar sei es etwa, dass Verleiher und Hersteller Trainings anbieten: "Es liegt im Interesse der Hersteller und Verleiher, dass es in unseren Städten nicht zu einem Scooter-Chaos kommt."

6037730280001_videostill_1558028230240.jpg
E-Scooter: Reporterin testet Elektro-Roller

weitere Videos

    "Juicer" und "Hunter" laden die E-Scooter nachts auf

    Was viele Hamburger nicht wissen: Die E-Scooter werden jede Nacht von freiberuflichen "Juicern" eingesammelt und wieder aufgeladen. Wie viele es sind und was ihnen dafür bezahlt wird, ist bisher noch nicht bekannt. Firmensprecher Nils Langhans von Tier, dem größten Anbieter in Hamburg, sagte dazu lediglich: „Unser Ansatz bei der Einsammlung und Aufladung unserer Scooter unterscheidet sich grundlegend vom Modell anderer Anbieter. Wir setzen nicht auf das sogenannte Juicer-Modell, sondern sammeln mit unseren lokalen Logistikpartnern (keine Juicer) unsere Scooter jeden Abend ein, um sie an zentraler Stelle aufzuladen und zu warten." Auch Konkurrent Voi, dessen E-Roller durch "Hunter" aufgeladen werden, gibt keine konkreten Zahlen zu diesen heraus.

    Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte das Bezahlungsmodell der Scooter-Anbieter. „Das sind Freiberufler, die das Aufladen in Eigenregie managen und auch noch den Strom bezahlen. Ein Knochenjob. Pro E-Scooter erhalten sie maximal 5 Euro“, so Hamburgs DGB-Chefin Katja Karger.

    Erster Anbieter erhöhte Mietpreise

    Das Berliner Unternehmen Tier erhöhte als erster Anbieter Anfang Juli bereits den Mietpreis für die Hamburger E-Roller. Während zuvor 15 Cent pro Minute anfielen, werden nun 19 Cent berechnet. Eine halbe Stunde kostet statt 4,50 Euro jetzt 5,70 Euro, was einer Preiserhöhung von mehr als 26 Prozent entspricht. Unverändert bleibt dabei die einmalige Registrierungsgebühr von einem Euro. "Wir bieten unseren Service zu einem Preis an, der sich an Nachfrage und Bedarf orientiert", begründet Bodo von Braunmühl, Sprecher der Tier Mobility GmbH, den Preisanstieg auf Anfrage.