Hamburg. Fast täglich fallen derzeit Fährverbindungen aus. Ein Grund: Personalmangel. Doch das soll sich in den kommenden Jahren ändern.
Gestern war es wieder soweit: „Betriebsstörung: Die Abfahrt um 15 Uhr ab #Landungsbrücken sowie um 15 Uhr 40 ab #Finkenwerder entfällt ersatzlos“ , twitterte gegen 12.30 Uhr die Hadag, Betreiber der Fährlinien im Hamburger Hafen. Für Pendler und Touristen ist das seit Wochen ein vertrauter Anblick: Beinahe täglich kommt es zu Fahrtausfällen im Hafenbetrieb, besonders betroffen ist die im Sommer viel frequentierte Linie 62 (von Landungsbrücken nach Finkenwerder). Vier Ausfälle waren es gestern, genau wie am Dienstag. Insgesamt 28 Ausfälle verzeichnete die Hadag im Mai. Und immer wieder lautet die Begründung: Betriebsstörung.
Tatsächlich aber ist die Begründung in den meisten Fällen konkret zu benennen: Der Hadag fehlen Schiffsführer. „Ein Teil der Probleme, die wir derzeit haben, sind in der Tat auf unsere Personalsituation zurückzuführen“, sagt Hadag-Chef Tobias Haack. Vorigen Sommer hat der 44-Jährige die Leitung der Hochbahn-Tochter übernommen. „Da wurde mir schnell klar, dass wir neue Stellen besetzen müssen.“
Die Frauenquote ist sehr gering
Zwölf neue Schiffsführer hat die Hadag deshalb in den vergangenen Monaten eingestellt, hinzu kommen ab dem 1. August 2019 fünf neue Azubis, darunter in diesem Jahr erstmals zwei Flüchtlinge – ein junger Iraker und ein junger Syrer. „Mich persönlich hat das sehr gefreut“, sagt Haack. „Als städtisches Unternehmen ist es uns wichtig, soziale Verantwortung zu übernehmen und junge Menschen bei der Integration zu unterstützen.“ Im vorigen Jahr betrug die Zahl der Auszubildenden noch drei - darunter immerhin eine Frau. Bei der Hadag arbeiten insgesamt 75 Menschen als Hafenschiffer, darunter allerdings nur vier Frauen.
„Es ist nicht so, dass wir in den vergangenen Jahren exorbitant viele Abgänge zu verzeichnen hatten und darauf schlecht vorbereitet waren“, sagt Tobias Haack. „Wir hatten einfach lange Zeit Probleme, Personal zu finden. Und es kann ja auch nicht sein, dass wir ständig bei unseren Mitbewerbern im Hafen die Leute abwerben. Deshalb haben wir beschlossen, noch mehr in den eigenen Nachwuchs zu investieren.“
Nach Kollision mit Containerschiff fehlt eine Fähre
Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Hafenschiffer. Neben dem Bedienen von Navigationsgeräten gehört zum Beispiel auch das Warten von Motoren auf den Lehrplan. Ein Hauptschulabschluss reicht bereits als Qualifikation. 67 Schulabgänger hat die Hadag seit 2002 zum Hafenschiffer ausgebildet, vier von ihnen wurden vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag als Jahrgangsbeste ausgezeichnet.
Doch nicht nur an Personal mangelt es der Hadag derzeit. Auch technische Ausfälle hat das Unternehmen zu beklagen. Weil im Februar ein Containerfrachter mit der Fähre „Finkenwerder“ kollidierte, ist das Schiff seitdem nicht benutzbar. Bislang weiß niemand, wann es in die Flotte zurückkehren kann – das Verfahren ist kompliziert, etliche Gutachten müssen erstellt werden. Eventuell muss es sogar ganz ersetzt werden. „Natürlich sind wir auch auf dem Gebrauchtschiffmarkt unterwegs und schauen dort nach geeigneten Fähren. Aber gerade im Sommer ist das schwierig, für die Personenschifffahrt ist das ja die Hauptsaison.“
Hadag biete sieben Verbindungen mit 20 Anlegern an
26 Fähren gehören aktuell zur Flotte der Hadag, auf sieben Linien werden 20 Anleger angefahren, von Steinwerder bis Blankenese. Während die 64er-Linie zwischen Teufelsbrück und Rüschpark vor allem von Airbus-Mitarbeitern genutzt wird, finden sich auf der Cranzer Fähre nach Blankenese an den Wochenenden fast nur Ausflügler. Auch diese Verbindung fiel in den vergangenen Wochen häufig aus.
Der Grund: Weil die Verbindung jedoch außerhalb des Hafengebiets liegt, muss die Hadag sie im Zwei-Mann-Betrieb fahren. Fällt einer der Schiffsführer aus, kann er (oder sie) aufgrund der dünnen Personaldecke oft nicht ersetzt werden. „Deshalb lassen wir die Cranzer Fähre dann nicht von Cranz, sondern von Finkenwerder ablegen“, erklärt Tobias Haack. „So muss die Linie wenigstens nicht ganz ausfallen.“ Pendler aus Cranz oder Neuenfelde, die auf die Verbindung angewiesen sind, ärgert das natürlich trotzdem.
Ein Hafenpatent und Personenbeförderungsschein sind nötig
Schon im Juli soll der erste der zwölf neu eingestellten Schiffsführer in den Einsatz gehen, die anderen elf sollen in den kommenden Wochen und Monaten folgen. „Wir sind zuversichtlich, dass dann auch die Ausfälle abnehmen“, sagt Haack. Wer im Hamburger Hafen eine Fähre steuern möchte, muss im Besitz eines Personenbeförderungsscheins sein – den mussten die meisten Neuverpflichtungen nachholen. Auch ein Hafenpatent ist Voraussetzung.
Und: gute Nerven. Die sollte ein Schiffsführer vor allem in den Sommermonaten haben – wenn an den Landungsbrücken Touristen mit und ohne Fahrrad sowie genervte Pendler auf die Fähren drängen. „Da muss man schon ein Händchen haben und versuchen, die Situation mit Humor zu lösen“, sagt Tobias Haack. „Das ist ja immer eine Entscheidung aus der Situation heraus.“
Ansonsten, sagt der gebürtige Duisburger, könnte er sich im Hamburger Hafen kaum einen schöneren Arbeitsplatz vorstellen, als am Steuer einer Hadag-Fähre.