Hamburg. Das Abendblatt hat eine Fahrerin bei einer Abendschicht begleitet. Rund 500.000 Fahrten hatte Moia schon in Hannover und Hamburg.
Eine halbe Million Fahrten konnte Moia seit dem Start Ende Juli vergangenen Jahres verzeichnen. Zunächst hat die VW-Tochter ihre Dienste nur in Hannover angeboten, seit dem 15. April auch in Hamburg. In beiden Städten wurden nun zusammen 500.000 Fahrten erreicht. Ein Anlass, um in die Welt des Fahrdienstes einzutauchen.
Das Abendblatt hat Fahrerin May Kähler auf einer Schicht begleitet. Treffpunkt ist der „Hub“ von Moai am Niendorfer Weg in Groß Borstel. Hier werden die goldfarbenen Elektrofahrzeuge, mehr als 100 sind auf den Hamburger Straßen zurzeit unterwegs, in einer ehemaligen Indoor-Spielhalle aufgeladen. Die Reichweite liegt bei mehr als 300 Kilometern. Das dürfte für die Schicht von May reichen. Es ist Sonnabend gegen 19.15 Uhr. Gerade hat die 54-Jährige noch den Wagen mit den sechs Sitzplätzen gecheckt und das Navi eingeschaltet. Bis ein Uhr hat May heute Dienst. Zunächst fahren wir in den „Zielkorridor“ Eppendorf, und dann wählt sich die Fahrerin in das System ein: „Wir nennen das Pooling. Das heißt, ab jetzt können mir Fahrten zugeteilt werden. Das läuft über einen komplexen Algorithmus, der die Fahrtanfragen effizient auf die verfügbaren Fahrzeuge verteilt.“ Wenige Sekunden später erscheint auf dem Monitor, den die Fahrgäste sehen können, schon der erste Abholpunkt. Der liegt an der Otto-Wels-Straße, die durch den Stadtpark verläuft. Dort sollen drei Fahrgäste zusteigen. Moia holt die Kunden nicht direkt ab.
Die Fahrt mit Moia ist deutlich günstiger als mit dem Taxi
Wer über die App eine Adresse eingibt, erhält ein Angebot für eine Fahrt mit dem „Einsteigeort“. Der ist meist maximal 200 Meter entfernt. Doch dann die Überraschung: „Wo ist denn der Lawrence?“, fragt May. Wir warten drei Minuten, aber der Kunde und seine Begleiter erscheinen nicht. Doch Langeweile kommt nicht auf: „Wir haben schon die nächste Tour. Zwei Personen steigen am Holsteinischen Kamp zu“, sagt May. Etwa eine Viertelstunde später sind wir vor Ort. „Bist Du Behman“, fragt May. Er ist es. Bei Moia wird der Fahrgast geduzt und mit dem Vornamen begrüßt. Die beiden Herren um die 30, der andere heißt Jose, nehmen auf den weißen Ledersitzen Platz: „Das ist ja wie in der Businessclass im Flugzeug. Sehr bequem,und man hat viel Platz“, sagt Behman. Es ist ihre erste Tour. Die beiden haben ein Bier dabei und wollen zum Grillen nach Eimsbüttel. Fast lautlos gleitet das Moia an der Außenalster vorbei. Nach gut 20 Minuten ist das Ziel erreicht, die Rellinger Straße. Die Fahrt hat rund 18 Euro gekostet, mit dem „Taxi hätten wir 25 Euro bezahlt“, sagt Behman.
Die Preise bei Moia richten sich nach Angebot und Nachfrage. Meist ist die Fahrt sogar um mindestens die Hälfte günstiger als mit dem Taxi. Um die Ecke an der Methfesselstraße wartet schon Jeroen. Der Student ist ein Profi. „Es ist unkompliziert und bezahlbar. Deshalb nutze ich Moia jetzt häufiger.“ Sein Ziel ist die Armgartstraße in Hohenfelde, er ist auf dem Weg zu seiner Freundin. An der Alsterterrasse steigt Eike dazu. „Ich interessiere mich für Fahrzeuge, und mir gefällt das Design.“ Nachdem Jeroen ausgestiegen ist, geht es weiter zur Borgfelder Straße. Inzwischen sind schon mehrere neue Touren auf dem Monitor aufgelaufen: „Wir haben eigentlich nie Leerlauf “, sagt May. Um 21.07 Uhr steigt Eike aus. 5,74 Euro hat ihn die Fahrt gekostet.“
Navi führt May in gesperrte Straße
Weiter geht es zum Schultzweg unweit vom Hauptbahnhof. Dort wartet Isabella. Auf dem Weg dorthin erzählt May ein wenig aus ihrem Leben. Bis vor wenigen Monaten war sie selbstständig und hatte einen eigenen Laden im Antik Center am Klosterwall. Dort mussten alle Händler raus: „Ich habe das Geschäft von meinen Eltern übernommen. 16 Jahre lang habe ich das gemacht, da steckte viel Herzblut drin.“ Aber sie resignierte nicht: „Ein Freund hat mir von Moia erzählt, und da ich selber einen Transporter fahre, habe ich mich beworben. Ich fahre gerne, und vor allem habe ich hier auch immer Menschen um mich herum.“ Der Schultzweg ist erreicht. Eine junge Frau mit Rucksack steigt ein. Im Münzviertel passiert es dann. Das Navi zeigt rechts an, aber da ist ein Straßenfest. Es dauert einen Moment, die Route wird neu berechnet. Am Steinhöft steigt die Kundin aus. Ein Ehepaar um die 50 steigt an den Hohen Bleichen ein. Es geht nach Hause nach Hamm. Danach geht es um die Ecke in die Caspar-Voght-Straße. Dort wartet Natalie, nimmt einen letzten Zug von ihrer Zigarette und kommt zum Wagen. Ihr Ziel ist die Hartwicusstraße auf der Uhlenhorst. Die Art-Directorin hat ein Problem: „Jetzt wurde mir die Fahrt über PayPal dreimal abgebucht. Aber bei den ersten beiden Malen war die Bestellung des Moia gescheitert.“
May gibt ihr die Nummer der Servicezentrale. Natalie hatte seit dem Nachmittag mit Freundinnen „Day Drinking“ gemacht und nun geht es nach Hause. „Ich fahre jetzt häufiger mit Moia, weil das günstig ist – und man kommt schnell an sein Ziel.“ May steuert derweil in ein Gewerbegebiet an der Süderstraße. Wir halten an einer Lagerhalle. Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Plötzlich tauchen an der Ecke zwei Männer auf. Einer der Herren im karierten Hemd steigt ein. Es ist Holger, sein Kumpel Carsten hat den Wagen für ihn bestellt, fährt aber nicht mit. „Ich will mal checken, ob das was für mich ist.“ Der Rentner ist gut gelaunt, hatte bei einem Firmenjubiläum gefeiert. „Wie leise der Wagen fährt, geht der in Serie? Das wäre doch ein schönes Wohnmobil“, sagt er. Aber Moia wird nur für den Fahrdienst genutzt. Die Flotte wird zunächst auf 200 Fahrzeuge ausgebaut werden.
Zugeparkte Straßen erfordern oft Millimeterarbeit
Zwischendurch steigt Natalie aus. Zehn Minuten später erreicht auch Holger sein Ziel, die Isestraße in Harvestehude. Er ist angetan: „Ich werde mir mal die App herunterladen.“ Zeit für eine Pause. May sagt: „Ich bin die ganze Zeit hoch konzentriert. Häufig fahre ich auch am Morgen, und der Berufsverkehr ist eine echte Herausforderung.“ Die zugeparkten Straßen in Eppendorf oder Eimsbüttel sind nichts für Fahranfänger. Das Moia ist sechs Meter lang. Auch die engen Seitenstraßen auf St. Pauli „sind manchmal echte Millimeterarbeit“. Und ausgerechnet auf dem Kiez, es geht auf Mitternacht zu, warten die nächsten Kunden. Nun macht May auch noch das Navi zu schaffen: „Der blaue Pfeil verschwindet immer.“ Zum Glück gibt es ein zweites Gerät.
Vor einer Kneipe an der Hein-Hoyer-Straße steigt ein junges Paar zu. Die Stimmung ist gelöst. An der Esplanade in der City wartet ein weiteres Paar. Nach gut 20 Minuten steigen die beiden an der Claudiusstraße (Wandsbek) aus. Der Feierabend naht. Nur noch die Kunden vom Kiez müssen sicher an ihr Ziel gebracht werden. Mit 50 Stundenkilometern, „schneller fahren wir in der Stadt nicht“, fährt der Moia durch die Nacht. Es sind nur noch wenige Hundert Meter, vorbei geht es an der Kneipe Steilshooper Eck, und dann ist das Ziel erreicht. May hält einen Moment inne und sagt: „Geschafft.“