Hamburg. Der aktuelle Stand der Ermittlungen, wie der Kapitän reagiert und wann das gesunkene Schiff frühestens geborgen wird.
Das segelnde Schmuckstück treibt weiter schwer beschädigt in der Elbe: Auch am dritten Tag nach dem schweren Unfall mit einem Containerfrachter konnte der Lotsenschoner „No.5 Elbe“ noch nicht geborgen werden. Die Stiftung Hamburg Maritim glaubt daran, den 136 Jahre alten Traditionssegler retten zu können – die Polizei hat dagegen Ermittlungen gegen den 82 Jahre alten Schiffsführer Dietmar P. eingeleitet, der die Kollision des frisch restaurierten Schiffs verursacht haben könnte. Das Abendblatt klärt die wichtigsten Fragen.
Wie ist der Stand der Ermittlungen zu dem Unfall?
Die Polizei wertet derzeit noch den Funkverkehr der beteiligten Schiffe vom Sonnabendnachmittag aus. Auch die „Black Box“ des Containerfrachters könnte wertvolle Informationen geben. Gesichert ist, dass die „No.5 Elbe“ im nördlichen Fahrwasser unterwegs war und das Containerschiff dort Vorrang hatte. Nach Abendblatt-Informationen wurde der 82 Jahre alte Schiffsführer mehrfach von einem weiteren Schiff per Funk gewarnt.
Wie ein Polizeisprecher am Dienstag bestätigte, wurde nun ein förmliches Verfahren wegen des Verdachts der Gefährdung des Schiffsverkehrs und des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung gegen Dietmar P. eingeleitet. Bei der Kollision wurden acht Menschen verletzt, darunter zwei Kinder. Laut Polizei war es ein großes Glück, dass Boote der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) in unmittelbarer Nähe waren und eine Katastrophe verhinderten. Gegenüber den Beamten verweigerte Dietmar P. bislang eine Aussage.
Was ist über den Kapitän bekannt?
Dietmar P. gilt als sehr erfahrener Schiffsführer und war jahrzehntelang ein Berufsseemann. „Auf der No.5 Elbe war er ein Mann der ersten Stunde“, sagte Joachim Kaiser, Vorstand der Stiftung Hamburg Maritim, dem Abendblatt. Bereits seit 2003 habe Dietmar P. als Rentner ehrenamtlich den Traditionssegler geführt. „Er ist zudem ein sehr sympathischer, gewinnender Mann“, sagte Kaiser.
Ein solches Segelschiff zu lenken, sei nicht nur körperlich und nautisch anspruchsvoll. „Der Kapitän steht während der Fahrt auch immer sehr im Mittelpunkt, viele Passagiere wollen mit ihm dabei reden“, sagt Kaiser. Dietmar P. sei nach der Erfahrung des Vorstandes dabei stets ruhig geblieben. Auch der Polizei sind keine weiteren Unfälle mit Beteiligung des Mannes bekannt.
War der 82-Jährige körperlich in der Lage, das Schiff zu führen?
Um ein Schiff steuern zu dürfen, müssen Kapitäne allgemein bescheinigt seetauglich sein. Die Stiftung betont, dass Dietmar P. erst vor wenigen Monaten einen entsprechenden Test bei der Berufsgenossenschaft Verkehr bestanden habe. Dieser muss verpflichtend mindestens alle zwei Jahre abgelegt werden – die Teilnehmer werden am ganzen Körper untersucht, unter anderem ihr Seh- und Hörvermögen sowie ihre Beweglichkeit getestet. „Es sind genau festgelegte Verfahren, die von erfahrenen Ärzten durchgeführt werden“, sagt Dr. Philipp Langenbuch, Leiter des Seeärztlichen Dienstes bei der Berufsgenossenschaft. „Wenn jemand gedanklich verlangsamt ist, wird das ebenfalls bemerkt“.
Gibt es eine Altersgrenze für Kapitäne?
Nein. Noch bis zum Jahr 2014 hätten sich ältere Kapitäne sogar alle zwölf Monate der seedienstärztlichen Untersuchung stellen müssen, sagt Phillip Langenbuch. „Dies wurde dann als Altersdiskriminierung gewertet und deshalb abgeschafft"
Wie ist der Zustand der „No.5 Elbe“?
Der Rumpf des Schiffes ist offenbar trotz der Havarie grundlegend intakt. Der genaue Zustand wird sich aber erst offenbaren, wenn das Schiff wieder an Land liegt. „Wir geben das Schiff ganz und gar nicht auf. Es gilt aber erst einmal zu prüfen, ob es lokal repariert werden kann oder erneut in eine Werft gebracht werden muss“, sagt Joachim Kaiser. Erst bis zur vergangenen Woche war das Schiff für 1,5 Millionen Euro erneuert worden.
Wann wird das Schiff geborgen?
Frühestens am Mittwoch. Am Dienstag wurden erste Gespräche zwischen der Stiftung Hamburg Maritim und der Versicherung geführt. Im Raum stehen eine von Land oder vom Wasser aus. „Oberste Priorität hat für uns, dem Schiff dabei keinen weiteren Schaden zuzufügen“, sagte Joachim Kaiser.