Hamburg. Der Lotsenschoner war erst restauriert worden. Möglicherweise ist der 82 Jahre alte Schiffsführer für das Unglück verantwortlich.
Für Schiffsfans ist es eine Tragödie: Erst vor wenigen Tagen war der 136 Jahre alte Lotsenschoner "No.5 Elbe" frisch restauriert in seinen Heimathafen Hamburg zurückgekehrt – doch am Sonnabend ist das segelnde Denkmal bei einer Havarie mit einem Containerschiff gesunken. Nun wird nach Angaben der Stiftung Hamburg Maritim – Eigner des Schiffes – mit Hochdruck an der Bergung des Lotsenschoner gearbeitet. Diese könne jedoch erst nach den Pfingsttagen erfolgen, teilte die Stiftung Hamburg Maritim am Montag mit. Zuvor hatten Taucher den Schaden des Seglers begutachtet.
Nach bisherigen Erkenntnissen war der Lotsenschoner am Sonnabend zu einer Gästefahrt mit 43 Personen, darunter 14 Besatzungsmitglieder, auf der Elbe auf der Höhe Stadersand unterwegs. Da kam es um 14.30 Uhr zu dem folgenschweren Unfall mit dem 141 Meter langen Containerschiff.
Nach Polizeiangaben ist noch nicht endgültig geklärt, warum der Lotsenschoner dem Containerschiff im nördlichen Fahrwasser entgegen kam und ob er mit Motorenunterstützung fuhr. "In jedem Fall hat der durchgehende Schiffsverkehr Vorrang und etwaige Segelmanöver sind vorausschauend durchzuführen, um ihn nicht zu gefährden", sagte der Polizeisprecher.
Ignorierte der Schiffsführer mehrere Warnungen?
Nach Abendblatt-Informationen soll der 82 Jahre alte Schiffsführer des Traditionsseglers mehrfach von einem vorausfahrenden Schiff vor einer möglichen Kollision mit dem Containerfrachter gewarnt worden sein. Auch die Polizei sprach davon, dass es zu klären sei, ob der Mann "auf Funkansprachen reagierte". Über ein entsprechendes Funkgerät verfügte der Lotsenschoner, nach der Kollision setzte der Schiffsführer darüber den Notruf "Mayday" ab.
Acht Gäste an Bord des Traditionsseglers wurden nach Feuerwehrangaben bei der Kollision leicht verletzt – sechs Erwachsene und zwei Kinder. Einige mussten in ein Krankenhaus gebracht werden.
Hamburg Maritim: "Große Betroffenheit"
Der unter zypriotischer Flagge fahrende Frachter "Astrosprinter" setzte seine Fahrt in Abstimmung mit den Behörden zunächst bis Brunsbüttel fort, um dort im Bereich der Nordost-Reede für eine Untersuchung der Wasserschutzpolizei vorübergehend zu ankern.
"Mit großer Betroffenheit bedauern wir den Zusammenstoß und fühlen sehr mit den Passagieren und Mitgliedern der Schiffsbesatzung, die zu Schaden gekommen sind", teilte der Vorstand der Stiftung Hamburg Maritim am Pfingstmontag in einem Kommuniqué mit.
Glücklicher Umstand verhinderte Schlimmeres
Laut Augenzeugen und Angaben der Feuerwehr Stade hatten die Passagiere Glück im Unglück: Wegen einer anderen, kleineren Havarie befanden sich ohnehin schon vier Rettungsschiffe nur 500 Meter vom Kollisionsstandort entfernt im Einsatz auf der Elbe. Diese waren nur drei Minuten nach dem Vorfall vor Ort, um erste Gäste des Schoners aufzunehmen.
Anschließend wurde der historische Schoner zum Ufer der Schwinge, ein Nebenfluss der Elbe, geschleppt. Dort konnten die restlichen Reisenden von der Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der Feuerwehr Stade gerettet werden. Dadurch wurde verhindert, dass die Passagiere ins Wasser stürzen. Denn kurz darauf sank die "No.5 Elbe".
"Für die Menschen wäre es fatal gewesen, wenn wir nicht in der Nähe gewesen wären", sagte Einsatzleiter Wilfried Sprekels dem Abendblatt. Das wusste auch Hamburg Maritim zu schätzen: "Den Hilfsmannschaften der DLRG und der Feuerwehr danken wir herzlich für ihr beherztes und gekonntes Eingreifen zur Rettung von Passagieren und der Schiffsbesatzung." Auch ein Sprecher der Polizei sprach davon, dass "die Situation leicht hätte ganz anders ausgehen können."
"Schiff auf Grund zu sehen, ist niederschmetternd"
An der Stelle, wo die Masten des versunkenen Schiffs aus dem Wasser ragen, kamen über die Pfingsttage einige Dutzende Schaulustige und Schifffahrtsbegeisterte zusammen. Vielen ging der Untergang der "No 5 Elbe" sehr nahe – ebenso wie der Stiftung Hamburg Maritim. "Das Schiff auf Grund zu sehen, ist niederschmetternd", sagte der Schiffsbauingenieur Alexandre Poirier dem Abendblatt.
Der Unfall sei ein herber Rückschlag für die Stiftung Hamburg Maritim, zumal der Lotsenschoner erst seit wenigen Tagen in Hamburg war. Nun würden Experten alle Möglichkeiten der Bergung prüfen. "Als Eigner sind wir darauf bedacht, die Bergung so zu gestalten, dass möglichst viel vom Schiff erhalten bleibt", sagte Poirier.
Hamburg Maritim hofft auf Rettung des Schiffs
Wann und wie genau die "No.5 Elbe" geborgen werden soll, steht aber noch nicht fest. "Darüber kann erst nach den Pfingstfeiertagen entschieden werden", teilte Hamburg Maritim als Verantwortlicher der Bergung am Montag mit.
Wie das Abendblatt erfuhr, muss erst geprüft werden, ob der Lotsenschoner etwa von Land aus oder mit einem Schwimmkran geborgen wird. "Wir haben die Hoffnung, dass nur Planken aufgesprungen sind und wir das Schiff retten können", sagte Alexandre Poirier. "Sonst wäre es ein geschichtlicher Verlust."
Hoffnung macht der Stiftung Hamburg Maritim, dass sich der Lostenschoner dank der jüngsten Restaurierung in einem sehr guten Zustand befunden habe. Auch das habe sicher dazu beigetragen, dass der Unfall relativ glimpflich ohne Schwerverletzte ausgegangen sei. "Die Crew hat sehr gut reagiert", so Poirier. "Bei der Nachricht hatte man zunächst die Bilder aus Budapest vor Augen." Bei dem Schiffsunglück Ende Mai auf der Donau waren mehrere Menschen gestorben.
Auflaufende Flut erschwert Bergung der "No.5 Elbe"
Der Lotsenschoner liegt nach wie vor im Mündungsbereich der Schwinge auf Grund. Durch die auflaufende Flut ist kaum noch etwas von ihm zu sehen. Die Feuerwehr hat das Schiff am Kai gesichert und eine vorsorgliche Ölsperre gelegt. In dieser befinden sich mittlerweile ausgetretene Betriebsstoffe, nachdem die Tanks in den ersten zwei Tagen nach dem Unglück nicht beschädigt waren.
"Wir sind unendlich froh, dass alle Passagiere und die Crew von Bord gerettet werden konnten", heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Fördervereins "Freunde des Lotsenschoners No. 5 Elbe“. "Allen Verletzten wünschen wir aus ganzem Herzen gute Besserung."
1,5 Millionen für Restaurierung des Seglers
Das Traditionsschiff war erst Ende vergangener Woche nach einer langen Restaurierungsphase mit einem strahlend weißen Rumpf und prächtig wie lange nicht mehr in den Sandtorhafen an der Elbphilharmonie zurückgekehrt. Mitglieder des Vereins "Freunde des Lotsenschoners No.5 Elbe hatten den Segler dort begeistert in Empfang genommen. Acht Monate lang wurde Hamburgs letztes erhaltenes Holz-Seeschiff in der dänischen Werft Hvide Sande Shipyard an der Nordsee restauriert.
Rund 1,5 Millionen Euro hat die Restaurierung des 37 Meter langen Schiffs gekostet, 300.000 Euro übernahm die Bürgerschaft und 30.000 Euro das Denkmalschutzamt. Den Rest brachten drei Sponsoren und die Stiftung Hamburg Maritim auf. Ihr gehört der 1883 auf der Stülcken-Werft auf Steinwerder vom Stapel gelaufene Lotsenschoner, der aus einer Flotte von elf Schiffen stammt, die Ende des 19. Jahrhunderts gebaut wurden und wegen ihrer Konstruktion aus Eichenholz als extrem seetüchtig galten. Die Stiftung hatte die „No.5 Elbe“ 2002 von einem Antiquitätenhändler in Seattle für 800.000 Euro gekauft und in ihre Heimatstadt Hamburg zurückgeholt.