Hamburg. 293.000 Hamburger wollen ihre Stimmen vorzeitig abgeben. Das Bundesverfassungsgericht räumt der Urnenwahl Vorrang ein.
Bei den bevorstehenden Wahlen zum Europaparlament und zu den Bezirksversammlungen zeichnet sich eine höhere Wahlbeteiligung als vor fünf Jahren ab. Darauf deutet ein kräftiger Anstieg um gut 40 Prozent bei den Briefwahlanträgen hin. Vier Tage vor dem Urnengang am 26. Mai hatten 293.000 Wahlberechtigte die Zusendung der Stimmzettel beantragt – 90.000 mehr als 2014 zum gleichen Zeitpunkt.
Der Anteil der Briefwahlanträge beträgt bei den rund 1,426 Millionen Wahlberechtigten zu den Bezirkswahlen derzeit 20,6 Prozent. Vor fünf Jahren lag der Anteil zum gleichen Zeitpunkt bei 12,6 Prozent und am Ende bei 15 Prozent. Rund 1,3 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger sind wahlberechtigt bei den Europawahlen – hier liegt der aktuelle Anteil der Briefwahlanträge bei 22,5 Prozent, während 2014 insgesamt nur 16,1 Prozent per Brief wählen wollten.
Womöglich Verlagerung von der Urnen- zur Briefwahl
Landeswahlleiter Oliver Rudolf sprach von einem „sehr starken Trend zur Briefwahl“, der sich bereits bei den zurückliegenden Wahlen angedeutet habe. „Bei der Bundestagswahl 2017 haben wir einen Anstieg der Briefwahlanträge um rund 30 Prozent gegenüber 2013 verzeichnet“, sagte Rudolf. Bei der Frage, ob dieser Trend auch zu einer höheren Wahlbeteiligung führe, blieb der Landeswahlleiter vorsichtig. „Das wissen wir erst am Wahlabend. Möglicherweise gibt es nur eine Verlagerung von der Urnen- zur Briefwahl, oder es gibt ein gestiegenes Interesse“, sagte Rudolf.
An der Europawahl 2014, die in Hamburg zum ersten Mal parallel zur Bezirkswahl stattfand, hatten sich 43,5 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen betrug die Wahlbeteiligung 40,9 Prozent. Zwar dürften sich die meisten Wähler an beiden Wahlen beteiligt haben. Allerdings ist die Zahl der Wahlberechtigten bei den Bezirkswahlen höher, weil hier unter anderem auch die 16- und 17-Jährigen mitwählen dürfen.
Wer jetzt noch per Brief wählen möchte, muss sich beeilen. Anträge können nur noch bis zum Freitag, 24. Mai, um 18 Uhr gestellt werden. „Am besten direkt in der zuständigen bezirklichen Wahldienststelle und dort auch gleich wählen“, sagte Rudolf. Der Grund: Die roten Wahlbriefe mit den Stimmzetteln müssen bis zum Wahlsonntag um 18 Uhr bei der Bezirkswahlleitung eingegangen sein. Alternativ können die Wahlbriefe in den Briefkasten des zuständigen Bezirksamtes eingeworfen werden.
Bundesverfassungsgericht sieht Urnenwahl als vorrangig an
Wer Briefwahl beantragt, aber noch keine Unterlagen erhalten hat, kann bis zum Sonnabend, 12 Uhr, bei der zuständigen Wahldienststelle einen Ersatzwahlschein mit Briefwahlunterlagen beantragen. Aber: Wer Briefwahl beantragt hat, kann am Wahltag nicht im Wahllokal wählen.
Während Bundeswahlleiter Georg Thiel den auch bundesweiten Trend zur Briefwahl kritisch sieht, zeigte sich Rudolf zurückhaltender. „Das Bundesverfassungsgericht sieht die Urnenwahl als vorrangig an“, sagte Rudolf. Bei einem längeren Zeitraum der Briefwahl würden die Wähler nicht unter den gleichen Voraussetzungen abstimmen.
Rudolf wies auf das Beispiel Österreich und den plötzlichen Bruch der dortigen Koalition aus ÖVP und FPÖ hin. „Nichtsdestotrotz muss man sehen, dass auf der anderen Seite das Prinzip der Allgemeinheit der Wahl steht. Danach sollen so viele Wahlberechtigte wie möglich teilnehmen. Um das zu ermöglichen, gibt es die Briefwahl. Das ist also eine Frage der Abwägung“, sagte Rudolf.
Bei Bezirkswahlen hat jeder Wähler zehn Stimmen
Gerade in Hamburg sieht der Landeswahlleiter einen weiteren Grund für die Briefwahl. „Der eine oder andere Wähler wird sich vielleicht auch sagen, dass er den umfangreichen Stimmzettel gerade für die Bezirksversammlungswahl lieber zu Hause als in der Wahlkabine ausfüllen will“, sagte Rudolf.
Da es bei den Bezirkswahlen (wie auch bei den Bürgerschaftswahlen) Wahlkreise gibt, erhält jeder Wähler zwei Stimmzettel, die zusammen mehr als zehn Seiten umfassen: einen Stimmzettel für die Bezirkslisten und einen für die Wahlkreislisten. Jeder Wähler hat zehn Stimmen. Die fünf Stimmen für die Bezirksliste können auf eine oder mehrere Gesamtlisten der Parteien und/oder einen oder mehrere Kandidaten verteilt werden. Die fünf Stimmen der Wahlkreisliste können an einen oder mehrere Kandidaten gegeben werden.
Zwar treten 40 Parteien und Wählervereinigungen zur Europawahl an, aber hier ist die Stimmabgabe übersichtlicher: Jeder Wähler darf nur ein Kreuz machen. Am Wahlwochenende ist eine Wahl-Hotline zur Beantwortung aller Fragen rund um die Wahlen geschaltet: Der Service ist an beiden Tagen von 8 bis 18 Uhr unter der Telefonnummer 115 zu erreichen.