Hamburg. Die Hamburger Entertainerin trägt aus dem Grundgesetz Artikel 20 vor: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
Was ich so toll finde, ist, dass das Grundgesetz, das jetzt 70 Jahre alt wird, von Leuten entwickelt wurde, die aus dem Krieg kamen. Und die trotz all der Schrecken und des Grauens, das sie erlebt haben, so aufgeräumt waren und so getrieben, ein so wunderbares Grundgesetz zu verfassen. Deutschland lag zu der Zeit immer noch in Schutt und Asche, und es sind trotzdem so wenig Fehler drin.
Auch nach 70 Jahren sind es immer noch richtig tolle Beschlüsse, zum Beispiel, dass wir ein Sozialstaat sind. Wenn du dagegen beispielsweise durch Amerika gehst und siehst die Menschen auf der Straße liegen, die Obdachlosen: Dahinter steht keine Form von Staat, die den Menschen hilft. Bei uns ist diese Hilfe durch das Grundgesetz verankert. Das ist eine Sache, die ich super finde.
Es stehen so wahnsinnig gute Sachen drin, die verhindern, dass es wieder zu einer Diktatur kommt. Andererseits: Wir sind ja eine Republik. Und da denke ich manchmal, dass eine Monarchie eigentlich auch ganz okay gewesen wäre. Es hätte was, wenn es eine Königsfamilie mit Familiensitz an einem Ort gäbe, der dadurch sexy wird und belebt, zum Beispiel Kassel-Wilhelmshöhe. Wenn wir eine Königsfamilie hätten, würde das viel Geld ins Land bringen, weil viele Menschen Interesse daran haben, die Adeligen zu sehen, und das mehr Touristen nach Deutschland ziehen würde.
In England lenken die Royals von der Politik ab
Ich bin viel in England, und da sehe ich, wie viele Leute die Royals sehen wollen und wie die Royals von der Politik ablenken. Wenn eine Krise da ist und man positive Nachrichten braucht, kann man die nächste Hochzeit oder das nächste Baby präsentieren.
Der Artikel 20, der festlegt, dass die Bundesrepublik ein sozialer und demokratischer Staat ist und alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, ist ein sehr besonderer Artikel. Er hat eine Ewigkeitsgarantie und ist für mich neben Artikel 1 der Wichtigste. Da darf von keiner Seite dran rumgedängelt werden. Er sagt auch, dass wir auf die Straße gehen dürfen, wenn uns etwas nicht passt. Und das ist ein sehr großes Gut. Er beinhaltet auch die Grundfeste unserer Demokratie. Während die anderen Artikel für den Menschen sind, ist der Artikel 20 auf unser System gemünzt.
Bei der Sprache finde ich, dass sie zu sehr in Amtsdeutsch gehalten ist. Vielleicht gibt es sogar Artikel, bei denen der Leser beim Lesen schon nach der Hälfte aussteigt. Man kann im Internet eingeben: „Das Grundgesetz leicht erklärt.“ Dort ist es sehr viel eingängiger und besser verständlich verfasst. Man könnte das Grundgesetz aber auch sprachlich an die heutige Zeit anpassen. Dann könnte jeder Artikel anfangen mit: „Ey, …“ oder wahlweise: „Alter, …“ , damit man nicht durch diese verschwurbelte Amtssprache schon mitten in Artikel 1 wegsackt.
Um das Grundgesetz groß zu feiern, finde ich die Zahl 70 ein bisschen popelig. Ich hätte vielleicht bis zum 100. Jahrestag gewartet und gesagt: Jetzt gibt es richtig was zu feiern! Andererseits bin ich so froh über das Gesetz, deshalb würde ich es eigentlich jedes Jahr am 23. Mai feiern, vielleicht am selben Tag wie den Schlagermove. Hossa!!!
Ina Müller
Sängerin, Moderatorin, Kabarettistin, Autorin: Ina Müller ist quasi auf allen Bühnen zu Hause und mit ihrer unverkrampften, oft auch frechen Art überaus erfolgreich. Beliebt ist vor allem das Format „Inas Nacht“. Als Sängerin wurde sie unter anderem mit dem „Echo“ ausgezeichnet. Ina Müller liest Artikel 20: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“