Hamburg. In “Hamburg von oben“ zeigt Michael Zapf die Stadt aus der Luft. Der frühere Oberbaudirektor Jörn Walter gibt Erklärungen.
Eine Stadt erschließt sich oft erst von oben – der Blick aus der Vogelperspektive weitet den Blick, er zeigt räumliche Zusammenhänge auf, zieht plötzlich Verbindungen und zaubert einen farbigen Stadtplan in die Köpfe des Betrachters. Wer auf die Hansestadt schaut, sieht nicht nur das Rot und Weiß des Häusermeers, sondern zwei weitere Farben in einer Fülle, um die fast alle Metropolen Hamburg beneiden: Das Grün seiner Wälder und Parkanlagen sowie das Blau des Wassers von Elbe, Alster und Bille. Einen faszinierenden Blick auf „Hamburg von oben“ wirft der bekannte Fotograf Michael Zapf. Und der Hamburg-Kenner Jörn Walter, Oberbaudirektor von 1999 bis 2017, beschreibt aus der Vogelperspektive Wachsen und Werden „seiner“ Stadt.
Wie viel im Werden ist, zeigt der Vergleich zu den Vorläuferbänden mit demselben Titel, die im September 2007 und im November 2013 erschienen sind. Es ist kein Zufall, dass sich schon der Titel abhebt: Schipperte die Queen Mary 2007 groß und 2013 etwas kleiner durch das Bild, gehört das Cover nun einer anderen Königin: der Elbphilharmonie. Während sich die beiden älteren Bände sehr ähneln, ist das neue Werk bei einer ähnlichen Struktur doch ganz anders – so wie die Stadt.
Der Wandel der Stadt
Die HafenCity, das neue Wilhelmsburg, das Katharinenquartier, die Tanzenden Türme, das Hotel The Fontenay, aber auch die Rethehubbrücke oder der Goldene Pavillon am Elbpark Entenwerder zeigen den Wandel der Stadt. Andere Bilder wie die Kulturlandschaften rund um Hamburg, der Mundsburg-Tower oder das Veddeler Kreuz haben die Autoren aus dem aktuellen Band verbannt. Insgesamt hat Zapf Tausende Fotos aus dem Hubschrauber geschossen mit Hunderten Motiven. Sie unterscheiden sich deutlich von den Google-Earth-Schüssen oder dem Drohnengeknipse – es sind kleine Kunstwerke.
„Hamburg ist schöner geworden, formenreicher, farbiger, vielfältiger“, sagt Michael Zapf. „Auch das Thema Wasser hat ein größere Dimension bekommen.“ Die Idee zum ersten Buch „Hamburg von oben“ geht auf das Sommermärchen 2006 zurück: Für die Fußballweltmeisterschaft fotografierte Zapf aus dem Hubschrauber das Fan-Fest von oben. Sein Beifang waren Bilder, die ihm auf dem Weg dorthin vor die Kamera kamen.
Neuer Blick auf Hamburg
„Ich war fasziniert von diesem neuen Blick auf die Stadt und erzählte Gerhard Richter davon“, sagt Zapf. Der Verleger machte daraus ein Buch – und holte den damaligen Oberbaudirektor als Autor ins Boot. Jörn Walter sagte gern zu – auch aus Wertschätzung für die Arbeit des Fotografen: „Zapfs Blick für grafische und geometrische Figuren in Stadt und Landschaft hat mich immer fasziniert, vielleicht auch, weil ich hier immer eine besondere Nähe zu Architektur und Konstruktion empfunden habe“, sagt Walter dem Abendblatt.
Interessant ist, wie der Autor die Entwicklung seiner Stadt in knappen Kapiteln beschreibt. Natürlich darf man vom langjährigen Oberbaudirektor keine Architekturkritik erwarten, aber er erklärt manche Entscheidungen der vergangenen Jahre und macht damit Stadtentwicklung nachvollziehbar. Das Buch versteht er als „Liebeserklärung“ an Hamburg. „Die Vogelperspektive lässt einen unmittelbar verstehen, warum Hamburg häufig als amphibische Stadt beschrieben wird. Weder ihre städtebauliche Entwicklung noch ihr alltägliches Leben sind ohne das Wissen um ihre Einheit aus Wasser und Land zu begreifen“, schreibt Walter.
Walter wirbt für den Backstein
Viel Platz nimmt die HafenCity ein: Die kleinteilige Mischung von Wohnen und Arbeiten, gepaart mit großzügigen Promenaden, Plätzen und Parkanlagen und die konsequente Funktionsmischung hätten sich dort ausgezahlt, schreibt Walter. „Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat sich dieses Konzept als ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal gegenüber zahlreichen anderen Waterfront-Projekten auf der Welt herausgestellt.“ Die HafenCity sei weder „Puppenstube“ noch „Feuerzauber“, sondern nachhaltig, „ganz neu und doch brauchbar und gewohnt“.
Eindrücklich wirbt Walter für den Backstein, der zum „wertigen Erscheinungsbild der neuen Quartiere“ beiträgt. Er warnt davor, dass „unter dem Einfluss einer globalen Kultur die Bezüge zur Geschichte und zum Ort leichter verloren“ gehen. „Nicht Putz, Backstein, Metall oder Glas ist die Frage, sondern die unbedachte Verwendung dieser Materialien ohne einen nachvollziehbaren Orts-, Geschichts- oder Zukunftsbezug.“
Weltweites Alleinstellungsmerkmal
Die fünf Kapitel setzen die Schwerpunkte Hafen. Wasser, Grün, Architekturgeschichte und Zukunft: „Es ist inzwischen fast ein weltweites Alleinstellungsmerkmal, einen Hafen von dieser Bedeutung noch mitten in der Stadt erleben zu können, Man erinnere sich nur an die großen Identitätsverluste, die Städte wie London, Rotterdam, New York, Shanghai und viele andere bis hin zu Bremen durch die Verlegung ihrer Häfen an Standorte außerhalb der Stadt erlitten haben.“ Den vielleicht schönsten Satz des Buchs hat Jörn Walter in einer Bildunterschrift zur Lage der Elbvororte gegenüber dem Hafen versteckt: „Würde man den Vorschriften buchstäblich folgen, dürfte es Hamburg, so wie man es kennt und liebt, eigentlich gar nicht geben.“
Zum Glück gibt es diese Stadt, in der Walter weiterhin lebt. „Die Verknüpfung von Arbeiten und Wohnen mit Möglichkeiten zu Erholungs-, Freizeit- und Sportnutzungen in einer räumlichen Nachbarschaft wird in Zukunft nicht minder entscheidend sein für die Attraktivität und Anziehungskraft der Städte.“ Wer in diesem Buch blättert, hält die Anziehungskraft Hamburgs in Händen.
„Hamburg von oben“ von Jörn Walter (Autor) und Michael Zapf (Fotograf), Ellert und Richter, 29,95 Euro – ist ab sofort in der Hamburger Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah 18–32), unter www.abendblatt.de/shop sowie im Buchhandel erhältlich.