Hamburg. Vor vier Jahren erlitt von Rehlingens Mann Matthias Prinz beim Joggen einen Infarkt. Nun setzen sich beide für Notfall-Schulungen ein.
„Herzlich willkommen. Endlich einmal darf ich Sie alle zu einer wirklich sinnvollen Veranstaltung begrüßen. Nein, Spaß beiseite. Natürlich machen wir auch sonst viele tolle Charity-Projekte. Aber dieser Kursus hier ist nicht nur als Teambildung toll, es ist mir persönlich auch ausgesprochen wichtig.“
Mit diesen Worten hat Alexandra von Rehlingen in dieser Woche das Team ihrer Agentur und die Kollegen aus der Kanzlei ihres Mannes, Matthias Prinz, zu einem auf den ersten Blick eher ungewöhnlichen Zusammenkommen begrüßt. Einem Herzretter-Kursus. Zwei Stunden lang wurden die Mitarbeiter darin geschult, wie sie sich in einem Notfall verhalten sollen.
Veranstalter ist der Verein „Ich kann Leben retten! e. V.“
Frau von Rehlingen und ihrem Mann liegt das Thema Notfallhilfe sehr am Herzen. „Vor vier Jahren ist mein Mann beim Joggen mit einem Herzstillstand zusammengebrochen. Und wenn wir Elise Peters nicht gehabt hätten, die ihn mit einer Herzdruckmassage am Leben gehalten hat, bis der Krankenwagen kam, dann könnte er heute nicht in Frankfurt bei einem wichtigen Klienten sein“, sagt die Hamburger PR-Frau in ihren einleitenden Worten.
Sie selber habe nur vollkommen hilflos daneben gestanden und versucht, mit dem Handy den Notruf zu wählen. „Und nicht mal das hinbekommen. Dabei ist es gar nicht so schwierig zu helfen. Und das wollen wir heute alle einmal lernen.“
Veranstaltet wird die Schulung vom Verein „Ich kann Leben retten! e. V.“. Dessen Initiator, der pensionierte Mediziner Dr. Martin Buchholz, hat selbst ein persönlicher Schicksalsschlag auf die Idee für die Initiative gebracht, berichtet er.
Vor drei Jahren irrte er drei Stunden nachts in einem Taxi durch Südostasien auf dem Weg ins Krankenhaus. Herzinfakt. „Neben mir meine ängstliche Frau.“ Die habe hinterher ganz verzweifelt zu ihm gesagt: „Ich hätte nichts machen können, wenn du hier neben mir gestorben wärst“. Das habe ihn auf die Idee gebracht, dass viel mehr Menschen in Deutschland wissen müssten, was im Notfall zu tun sei – und damit zur Gründung des Vereins „Ich kann Leben retten!“ Zusammen mit seinem Team schult er Firmen und Schulen in der Notfallhilfe. Und an diesem Tag die Teams von Alexandra von Rehlingen und ihrem Mann.
Lebensretterin von Matthias Prinz war zu Gast
Nach diesen Worten legt Regina Stötzel auch schon los. Die Schauspielerin und Schauspieltrainerin vermittelt in den kommenden zwei Stunden allen, wie einfach es ist, ein Leben zu retten. Zeigt auf, dass selbst ein absoluter Laie eigentlich „gar nichts falsch machen kann“. In der Theorie.
Mit Fragen wie: Wie gehe ich mit einem am Boden liegenden Menschen um? Wie spreche ich ihn an? Wie kann ich feststellen, ob er Hilfe braucht? Aber schon nach kurzer Zeit hocken auch die ersten Männer und Frauen auf dem Boden. Sie üben die richtige Ansprache, den schnellen Check des Zustands und schließlich die Herzdruckmassage.
Sogar den Umgang mit dem Defibrillator kennen alle nach dem kurzen Kurs. „Wenn Sie nichts tun in einer solchen Situation, dann stirbt im Zweifel ein Mensch. Lieber einen kleinen Fehler machen, aber Leben retten“, sagt Stötzel immer und immer wieder.
Auch Elise Peters, die Lebensretterin von Matthias Prinz, ist an diesem Tag extra vorbeigekommen. Unter anderem um das Engagement des Vereins zu unterstützen. Denn die 49-Jährige braucht den Kurs nicht mehr, wie sie eindrucksvoll bewiesen hat. Peters fliegt als Stewardess für die Lufthansa Langstrecken. Sie wird deshalb jedes Jahr in Kursen für den Notfall geschult. Gebraucht hat sie ihr Wissen zum Glück bisher nur einmal – an der Alster beim Joggen.
Elise Peters erinnert sich noch genau an die dramatischen Minuten
Sie erinnert sich noch genau an die dramatischen Minuten. „Ich habe plötzlich einen Mann am Boden liegen sehen. Daneben seine verzweifelte Frau“, sagt sie. Schnell habe sie den Ernst der Lage erkannt – die Gesichtsfarbe, die fehlende Atmung. „Also habe ich nur schnell das Hemd ein wenig geöffnet und sofort losgelegt mit der Herzmassage.“ Nach einer Weile habe ihr ein weiterer Passant Hilfe angeboten und die Beatmung übernommen.
„Das hat funktioniert.“ Nachgedacht habe sie nicht wirklich in dem Moment. „Ich habe einfach nur gehandelt.“ So lange bis der Notarzt kam. Elf anstrengende Minuten lang. Erst dann hätten Experten übernommen. „Als ich aufhören konnte, habe ich mich zum ersten Mal umgesehen und gemerkt, wie viele Menschen um uns herumstanden.“ Alle hätten einfach nur zugeschaut, keiner Hilfe angeboten.
Peters ist der Familie seit dem Tag an der Alster auf besondere Weise verbunden. „Man kommt einem Menschen ja so nah wie nie sonst“, sagt sie. Jedes Jahr senden Prinz und seine Frau ihr am Jahrestag des Zusammenbruchs einen großen Strauß. Auch auf einer Geburtstagsfeier war sie schon eingeladen.
„Sie ist unsere Lebensretterin“, sagt von Rehlingen. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Oder die Retterin seines Kopfes, weil sie das Gehirn meines Mannes in der entscheidenden Phase mit ausreichend Sauerstoff versorgt hat“. Das Herz habe dann wenig später Professor Karl-Heinz Kuck übernommen. „Wir können diesen Menschen gar nicht genug danken.“
Noch immer habe sie die blutigen Knie von Elise Peters vor Augen, als die nach der dramatischen Rettungsaktion vom Fußboden aufgestanden war. „Der heutige Tag hat mit eindrucksvoll gezeigt, wie einfach, aber auch wie verdammt anstrengend eine solche Herzdruckmassage ist.“ Dass die zierliche Frau das elf Minuten lang durchgehalten habe, sei für sie jetzt einmal mehr beeindruckend.
Von Rehlingen will dazu animieren, auch so einen Kurs zu machen
Diese dramatischen Minuten an der Alster und die Wochen danach hätten ihr und ihrem Mann deutlich gemacht, wie entscheidend ein paar geübte Handgriffe sein können. „Es ist wirklich schade, dass das nicht mehr Menschen wissen“, sagt von Rehlingen. Auch deshalb sei sie froh, nun „endlich“ den Kurs mit ihrem Team gemacht zu haben.
Deshalb habe sie auch ganz bewusst den Weg in die Öffentlichkeit gewählt: „Wir hoffen, dass das den einen oder anderen animiert, auch einmal so einen Kurs zu machen“, so von Rehlingen. Sie appelliert zudem an die Schulbehörde, „auch den Jungen und Mädchen dieses Wissen zu vermitteln“ und an Unternehmen, die Kurse für die Mitarbeiter zu buchen. „Zwei Stunden reichen. Das ist doch wirklich nicht viel.“
Vereinsgründer Martin Buchholz ergänzt: „Jeden Tag sterben durchschnittlich 300 Männer und Frauen an einem Herzinfarkt. Das muss aber gar nicht sein.“ Wenn die Menschen in Deutschland etwas besser informiert werden würden, könnten davon zumindest im Schnitt 30 Leben gerettet werden. So wie das von Matthias Prinz vor vier Jahren an der Alster. „Lasst uns anfangen. Wenn wir alle mitmachen, dann schaffen wir das.“