Hamburg. Tarifbindung, gesetzlicher Mindestlohn, Rente - beim Thema bessere Arbeitsbedingungen ist noch viel zu tun, finden die Menschen im Norden und gehen am Tag der Arbeit zu Tausenden auf die Straße. Und dann ist da ja auch noch die Europawahl.
Mehrere Tausend Menschen haben am Tag der Arbeit im Norden für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne demonstriert. Allein am zentralen Umzug in Hamburg nahmen am Mittwoch nach übereinstimmenden Angaben von Polizei und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) unter dem Motto "Europa. Jetzt aber richtig" rund 7000 Menschen teil, darunter Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).
Der scheidende Bundeschef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, forderte in seiner letzten 1.-Mai-Rede unter anderem eine Stärkung der Tarifbindung in Deutschland, eine deutliche Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns und die Vergabe von öffentlichen Aufträgen nur an tarifgebundene Unternehmen. Weitere Kundgebungen gab es unter anderem in Hamburg-Bergedorf, Hamburg-Harburg, Flensburg, Kiel und Neumünster.
"Öffentliche Aufträge sollten künftig nur noch an tarifgebundene Unternehmen vergeben werden", erklärte Bsirske. Dabei gehe es um ein Auftragsvolumen von 400 bis 500 Milliarden Euro pro Jahr bei Bund, Ländern und Gemeinden. Hier seien also nicht nur Gewerkschaften gefragt, sondern auch die Politik. "Der gesetzliche Mindestlohn hat mehr Lohn gebracht für 4,2 Millionen Menschen in diesem land, er hat mehr Beschäftigung gebracht (...) und er hat für mehr Gerechtigkeit gesorgt", betonte Bsirske. Nun gelte es jedoch, ihn deutlich zu erhöhen. Die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) noch in seiner Funktion als Hamburger Bürgermeister vorgeschlagene Höhe von 12 Euro nannte Bsirske eine "richtige Orientierungsgröße".
Der Gewerkschaftschef betonte, dass es beim gesetzlichen Mindestlohn keine Ausnahmen mehr geben dürfe. "Kriminelle Unternehmer, die das Mindestlohngesetz missachten, müssen durch schärfere Kontrollen und wirksamere Sanktionen zur Gesetzestreue gezwungen werden." Zudem müsse die große Koalition in Berlin durchsetzen, dass Arbeitgeber etwa in der Paketbranche für Verstöße ihrer Subunternehmer geradestehen müssen, "so wie das in der Bauwirtschaft und der Fleischindustrie schon länger gilt".
Bsirske warb außerdem für den von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgesehenen Kurswechsel in der Rentenpolitik. Heil stelle sich mit seinen Plänen für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung an die Seite der Menschen mit niedrigen Einkommen, lobte er. Hart ins Gericht ging er dagegen mit der Union. Es könne nicht sein, dass diese bei der Grundrente unter Hinweis auf die Ehefrau des vermögenden Zahnarzts eine Bedürftigkeitsprüfung verlange, das gleiche bei der von ihr durchgesetzten Mütterrente aber unterlasse. "Was ist das für eine beschissene Position", schimpfte Bsirske.
Bsirske rief auch zur Beteiligung an der Europawahl am 26. Mai auf, die in diesem Jahr richtungsweisend sei. Klimawandel, Finanzkrisen, Flüchtlingsbewegungen, Terrorismus und internationale Handelskonflikte erforderten ein Mehr an Zusammenarbeit. Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger betonte: "Für uns Gewerkschaften ist klar: Wir treten Rassismus, Rechtspopulismus und völkischem Nationalismus mit Weltoffenheit, mit demokratischem Engagement und Solidarität entgegen. (...) Deswegen: Geht wählen!"
Der Vorsitzende der IG Metall Küste, Meinhard Geiken, forderte nach Gewerkschaftsangaben in Flensburg eine gemeinsame und solidarische Politik für ganz Europa. "Für uns steht die Europäische Union für Frieden, freie Märkte, freies Reisen und Arbeiten, aber vor allem auch für erweiterte Rechte der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen - etwa bei Regelungen zu Arbeitszeiten." Die Menschen müssten im Mittelpunkt der EU-Politik stehen. "Die Interessen der Beschäftigten müssen Vorrang haben vor den Interessen der Unternehmen."