Hamburg. Die Angehörigen des verschwundenen Mädchens fordern, dass Steven Baack wieder ermitteln darf – und kritisieren die Polizei.

Es ist der wohl größte Vermisstenfall in der Nachkriegsgeschichte der Hansestadt: Vor 20 Jahren verschwand die damals zehnjährige Hilal Ercan in Lurup. Mehrere Generationen von Polizeibeamten versuchten vergeblich, den Fall zu lösen. Nun wenden sich die Angehörigen des Mädchens in einem Offenen Brief an Innensenator Andy Grote (SPD) – und treten darin für den abgesetzten Chef der Soko „Cold Cases“ für ungelöste Kriminalfälle bei der Polizei ein.

Der wegen des Verdachts auf „verbotener Ermittlungsmethoden“ versetzte Steven Baack habe schon vor mehr als einem Jahrzehnt in dem Fall ermittelt, heißt es in dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt. Als Kopf der neuen Ermittlungsgruppe “Cold Cases“ habe er dann vor zwei Jahren frischen Wind in die festgefahrenen Ermittlungen gebracht. „Steven Baack besuchte uns, informierte uns“, heißt es in dem Schreiben. Und er habe viele Ideen gehabt – etwa für eine permanente Hinweistafel nahe des Ortes, wo Hilal am 27. Januar 1999 zuletzt gesehen worden war.

„Setzen unsere ganze Hoffnung nur in ihn“

Zuletzt hatte Baack im Herbst eine erneute Suchaktion im Volkspark veranlasst. Auch für den 20. Jahrestag des Verschwindens seien mehrere Aktionen in Planung gewesen – zuvor wurde Baack jedoch nach einem Debakel vor Gericht in einem anderen Fall abgesetzt. Seitdem ist er krankgeschrieben. Die Familie Ercan war nach eigenen Angaben weiter davon überzeugt, das Baack ein fähiger Ermittler ist. „Wir glauben Steven Baack und setzen mittlerweile unsere ganze Hoffnung nur in ihn!“, heißt es in dem Offenen Brief.

Auf der anderen Seite äußern die Angehörigen auch Kritik daran, dass die Polizei nach Baacks Absetzung nicht auf die Familie zugegangen sei. „Es hat sich bei uns niemand von alleine vonseiten der Polizei gemeldet“.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche entschieden, keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen Baack in dem anderen Fall einzuleiten. Das bedeutete eine teilweise Entlastung des ehemaligen Soko-Chefs – gleichzeitig war erneut von schweren handwerklichen Fehlern in der Ermittlungsarbeit die Rede. Es sei jedoch plausibel, dass diese durch „Überlastung und Überforderung“ und nicht absichtlich entstanden seien, wie Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich dem Abendblatt sagte.

Baack ist weiterhin krankgeschrieben

Im Lichte der neuesten Entwicklungen bittet die Familie Ercan nun darum, Steven Baack erneut in ihrem Fall ermitteln zu lassen: „Wir haben gesehen, wie sehr Steven Baack für Hilal, für uns gearbeitet hat. Er war immer für uns da. Er hat nie aufgegeben, auch wenn es andere in unserem Fall bestimmt schon lange getan haben.“

Derzeit ist Steven Baack jedoch krankgeschrieben, gegen ihn läuft zudem noch ein disziplinarrechtliches Verfahren bei der Polizei. Nach Abendblatt-Informationen gab es zwar ein Angebot für eine neue Dienststelle, diese lehnte Baack jedoch ab. Inzwischen werden jedoch auch mögliche Mängel bei der Arbeit der Vorgesetzten im LKA von einer Arbeitsgruppe untersucht.

Familie hält Dirk A. weiterhin für verdächtig

Der abgesetzte Soko-Chef und die Familie des Mädchens teilen offenbar dieselbe Vermutung, wer für das Verschwinden von Hilal verantwortlich sein könnte – ihr Verdacht ruht auf Dirk A., der den Mord an Hilal bereits mehrfach gestand und anschließend wieder verneinte. Der psychisch kranke Gewalttäter sitzt im Maßregelvollzug in Ochsenzoll ein.

„Er kannte Hilal sogar. Aus unserer Nachbarschaft“, führt die Familie Ercan in ihrem Brief an. Die Angehörigen gehen selbst davon aus, dass die Zehnjährige das Opfer eines Verbrechens geworden ist. „Ein Ungeheuer beendete das fröhliche Leben unserer Prinzessin. Einfach so. Mitten in Hamburg. Am hellichten Tag. Der Mann, der das tat, ist für uns ein Monster“, schreibt die Familie.