Hamburg. Die Union hält die neue Schura-Führung für türkei- und irantreue Hardliner. Der Verband weist das als “Blödsinn“ zurück.

Es gibt neue Diskussionen über die Zusammenarbeit der Stadt mit den Islamverbänden. Hintergrund ist die Neuwahl des Vorstandes des Rates der Islamischen Gemeinschaften (Schura) am Sonntag – und ein Antrag der Frauen-Union der CDU zur teilweisen Aufkündigung der 2012 geschlossenen Verträge der Stadt mit den Islamischen Verbänden über gemeinsame Werte und gemeinsamen Religionsunterricht. Die Schura ist neben der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) und dem Verband der islamischen Kulturzentren einer der drei Vertragspartner der Stadt.

Am Sonntag wählten laut Schura 48 Vertreter der 55 Mitgliedsvereine im Bürgerhaus Wilhelmsburg einen neuen Vorstand. Dabei wurden alle drei bisherigen Vorsitzenden ersetzt, auch der umstrittene langjährige Vorsitzende Mustafa Yoldas, der nicht wieder antrat. Im neuen dreiköpfigen Schura-Vorstand sitzen jetzt Fatih Yildiz, Mohammad Alehosseini und Moez Ben-Khemis. „Wir treten ein für einen Islam in einer pluralistischen Gesellschaft Deutschlands“, erklärte die neue Führung. „Unser Ziel ist ein gleichberechtigter Platz in der Mitte der Gesellschaft. Muslime sollen in jeder Form an der Gesellschaft teilhaben können und sie mitgestalten.“

Israelfeindliche Demo

Der als liberal geltende bisherige Vorstand Daniel Abdin von der Al Nour Moschee unterlag bei der Vorstandswahl laut Schura in einer Kampfabstimmung gegen den arabischstämmigen Hamburger Ben-Khemis. Die Nichtwahl Abdins wird von der CDU als Zeichen gedeutet, dass nun eine „türkei- und irantreue“ Führung die Schura übernommen habe, wie es der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries sagte, der auch Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen, Religionsgemeinschaften und Islam-Konferenz ist.

Als besonders problematisch sieht die CDU, dass auch im neuen Vorstand mit Alehosseini das aus dem Iran gesteuerte Islamische Zentrum Hamburg (IZH) mit der Blauen Moschee prominent vertreten ist. Das vom Verfassungsschutz beobachtete IZH hatte laut Verfassungsschutz immer wieder Vertreter zu den sogenannten Al-Quds-Demonstrationen geschickt, bei denen die Vernichtung Israels gefordert wird. Zuletzt hatte die Bundesregierung der „Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands“, in dem auch das IZH Mitglied ist, die Fördermittel gestrichen. Senatssprecher Sebastian Schaffer hatte diese Entscheidung begrüßt.

CDU: Wachsende Gefahr

„Religiös motivierte Intoleranz ist eine ernsthafte und wachsende Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden und den inneren Zusammenhalt insbesondere in großstädtischen Milieus“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete de Vries jetzt dem Abendblatt. „Diese Gefahr muss der Senat endlich ernst nehmen. Bei allem Respekt für die grundgesetzlich geschützte Freiheit des Glaubens darf dies nicht dazu führen, dass islamische Verbände Hass, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit verbreiten können und der deutsche Staat dabei tatenlos zusieht. Wer die Todesstrafe für Homosexuelle und Menschen vertritt, die sich vom islamischen Glauben abwenden, und wer sich als Erfüllungsgehilfe ausländischer Diktatoren versteht, verdient die politische Isolation und nicht den Dialog.“ Mit der „Abwahl gemäßigter Kräfte und der Neuwahl einer türkei- und irantreuen Spitze“ habe sich die Schura „endgültig als akzeptabler Vertragspartner verabschiedet“.

Die Frauen-Union (FU) hat zu dem Thema einen Antrag zum CDU-Parteitag am 18. Juni eingereicht. Darin fordert sie die Bürgerschaftsfraktion auf, sich für ein Ende der Verträge mit Schura und Ditib einzusetzen. In dem Antrag werden zahlreiche Vorkommnisse aufgezählt, mit denen auch Ditib oder das enge Umfeld der Organisation gegen den Geist der Verträge verstoßen habe – etwa die Verächtlichmachung des Weihnachtsfestes, die Glorifizierung des Märtyrertodes oder Aussagen wie „Demokratie ist für uns nicht bindend“ von einzelnen Vertretern aus Ditib-Moscheen.

Rechte von Frauen und Mädchen schützen

„Es sind besonders die Rechte der Frauen und Mädchen, die von konservativen islamischen Denkmustern betroffen sind und deren Freiheit beschnitten wird“, sagte Jessica Hallermayer, stellvertretende Frauen-Union-Chefin, dem Abendblatt. „Das können wir in unserer freiheitlichen Gesellschaft, in der die Gleichberechtigung von Mann und Frau grundgesetzlich verankert ist, nicht hinnehmen.“ Es müssten von Staat und Stadt stärker die muslimischen Strömungen unterstützt werden, „die im Einklang mit unseren Werten stehen“, sagte FU-Vorstand Melanie Herfort.

SPD-Religionspolitiker Ekkehard Wysocki betonte, die Bürgerschaft werde „gegenüber dem neuen Vorstand der Schura klar formulieren, was wir erwarten und welche Entwicklungen uns Sorge bereiten“. Hinsichtlich der israelfeindlichen Al-Quds-Demonstrationen gebe es „keine zwei Meinungen“, so Wysocki. Unterstützung und Teilnahme „stehen dem Geist einer vertrauensvollen Zusammenarbeit entgegen“.

Gibt es ein Missverständnis?

Die neue Schura-Führung wies die Vermutung, es hätten sich bei der Neuwahl des Vorstandes Hardliner durchgesetzt, am Montag als „Blödsinn“ zurück. Der neue IZH-Leiter Mohammed Hadi Mofatteh bestritt, dass das IZH eine Beteiligung am Al-Quds-Tag organisiert habe. Es handele sich um ein Missverständnis. „Wir sind in konstruktiven Gesprächen innerhalb der Schura, aber auch mit Vertretern der Religionsgemeinschaften und der Politik, um Hintergründe, Wahrnehmungen und Fakten zu durchleuchten und zu klären“, sagte Mofatteh dem Abendblatt auf Nachfrage. „Wir wollen Klarheit schaffen und begrüßen einen wohlwollenden und ehrlichen Dialog, damit wir gemeinsam nach tragbaren Lösungen streben können. Natürlich auch mit unseren Kritikern.“