HafenCity . Hochschulsenat wählt den Digitalexperten Jörg Müller-Lietzkow zum Nachfolger von Walter Pelka. Perfekt ist der Wechsel noch nicht.

Geht es nach vielen Streitigkeiten aufwärts mit Hamburgs HafenCity Universität (HCU)? Der Mann, der für ein neues Wir-Gefühl an der kleinen Hochschule für Baukunst und Metropolenentwicklung sorgen soll, ist mit 48 Jahren noch recht jung für einen Uni-Chef in spe, doch er steht vielleicht gerade deshalb und wegen seiner aktuellen Aufgaben für die Zukunft. Jörg Müller-Lietzkow gehört der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz des Bundestages an, er gilt das Fachmann für Digitalthemen, auch für die digitale Stadt, er ist promovierter Betriebswirt und hat ergänzend an der Deutschen Trainerakademie in Köln studiert.

Seit 2008 arbeitet der Vater einer Tochter als Professor für Medienökonomie und Medienmanagement an der Universität Paderborn.

HCU-Hochschulsenat hat bereits zugestimmt

Ab Juli könnte Müller-Lietzkow in Hamburg starten. Den Segen des HCU-Hochschulsenats hat er schon. Am Mittwochnachmittag wählte das mit Professoren, Vertretern des akademischen Personal, der Verwaltung und mit Studierenden besetzte Gremium den Forscher aus Nordrhein-Westfalen zum Nachfolger des 65-jährigen HCU-Chefs Walter Pelka. Am kommenden Montag muss allerdings noch der überwiegend mit externen Vertretern besetzte Hochschulrat die Wahl bestätigen und die Wissenschaftsbehörde muss formal zustimmen.

Müller-Lietzkow sagte dem Abendblatt, über das „Zwischenergebnis“ freue er sich sehr. „Das ist eine tolle Hochschule. Sie weiterzuentwickeln, dieser Aufgabe möchte ich mich gerne stellen.“ Er könnte womöglich im Juli starten.

Die Hafencity-Universität an der Überseeallee in der Hafencity von Hamburg.
Die Hafencity-Universität an der Überseeallee in der Hafencity von Hamburg. © picture alliance | dpa Picture-Alliance / CHROMORANGE / Christian Ohde

Aus dem Umfeld der Findungskommission ist zu hören, die Suche nach einem neuen Präsidenten sei in großem Einvernehmen und konstruktiv gelaufen; es habe keinen Disput zwischen Hochschulvertretern und Wissenschaftsbehörde gegeben. Einige Professoren und Studierende äußerten sich vorsichtig optimistisch zur Zukunft der HCU.

Dauerhaft drei Millionen Euro mehr pro Jahr für die HCU?

Im vergangenen Jahr sah das noch anders aus. Da eskalierte ein schon länger schwelender Konflikt an der HCU, weil der Hochschulrat auf Vorschlag von Präsident Walter Pelka die umstrittene Kanzlerin Stephanie Egerland für eine zweite Amtszeit gewählt hatte – und das, „obwohl weder der Präsident noch die Kanzlerin das Vertrauen der Hochschule genießen“, wie ein Protest-Bündnis aus Studierenden und HCU-Mitarbeitern schrieb. Das Präsidium agiere autoritär, repressiv, intransparent und sei für die „schwierigen Lern- und Arbeitsbedingungen“ an der HCU verantwortlich.

Auch Professoren klagten über Intransparenz, einen „Basta“-Führungsstil der Hochschulleitung und eine ihrer Ansicht nach zu hohe Lehrverpflichtung und zu schlechte Ausstattung mit Personal, um gut forschen zu können. Walter Pelka hatte die Kritik im Namen des gesamten Präsidiums zurückgewiesen.

Dann versammelten sich 450 Hochschulmitglieder zu einer Kundgebung gegen das Präsidium. Und in einem offenen Brief an Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) schrieb ein Gruppe um den Bund Deutscher Architekten über die ihrer Ansicht nach „desolate Ausbildungssituation“ an der Uni. Die vom Senat proklamierte Stärkung des Hochschulstandorts Hamburg gelte offensichtlich nicht für die HCU.

Überraschende Interpretation einer Fast-Abwahl

Anschließend spitzte sich die Auseinandersetzung weiter zu: Acht von elf Mitglieder des HCU-Hochschulsenats stimmten für die Abwahl des Präsidenten. Die nötige Dreiviertelmehrheit wurde aber knapp verfehlt. Die Pressestelle der HCU überraschte mit der Interpretation, Pelka sei „vom Hochschulsenat im Amt bestätigt“ worden. Das fanden 23 von 45 Professoren so empörend, dass sie spontan zusammenkamen und ein Gespräch mit Fegebank forderten.

Die Senatorin beauftragte schließlich den Konfliktberater Friedrich Glasl aus Salzburg damit, im Konflikt an der HCU zu vermitteln. Seitdem gilt für die Beteiligten die Vereinbarung, öffentlich nicht über die Mediation zu sprechen.

Noch offen ist, wie es mit dem Budget der HCU weitergeht. Bereits Anfang 2016 hatte der Wissenschaftsrat in einem Gutachten geschrieben, an der HCU führe der Abbau frei werdender Professuren in der Lehre zu „teilweise existenzbedrohenden Einbußen“, die finanzielle Situation der Hochschule sei „nicht tragbar“. Diese Einschätzung bestätigte eine von der Wissenschaftsbehörde eingesetzt Kommission unter dem Vorsitz von Sabine Kunst, Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität. Die HCU weise eine „im universitären Vergleich unzureichende Ausstattung mit wissenschaftlichen Mitarbeitern pro Professur auf“, schrieben die Gutachter. Katharina Fegebank erklärte dazu im Oktober 2017 lediglich: „Das Gutachten wird nicht folgenlos bleiben.“

Jörg Müller-Lietzkow passt ins Profil

Nun, 18 Monate später, teilt ihre Behörde auf Abendblatt-Anfrage mit, dass sie womöglich einer zentralen Forderung der Kunst-Kommission folgen wird. Bisher erhält die HCU zusätzlich zu ihrer Grundfinanzierung von der Stadt eine „Strukturhilfe“, die zuletzt auf drei Millionen Euro pro Jahr angewachsen war. 2020 wäre damit eigentlich Schluss. Die Gutachter hielten eine Aufstockung jedoch für langfristig notwendig. „Drei Millionen mehr wären ein Befreiungsschlag“, sagte Sabine Kunst. Nun ist die Behörde zwar bereit, den Zuschuss zu „verstetigen“ – allerdings unter der Bedingung, dass Behörde und HCU sich auf ein Zukunftskonzept verständigen.

Dieser Vorbehalt birgt durchaus Sprengstoff. Denn die Gutachter hatten auch vorgeschlagen, dass die HCU ihre Studiengänge und ihre Selbstverwaltung strafft. Ob es zu solchen Sparmaßnahmen kommen wird, ist aber offen.

In der öffentlichen Ausschreibung für das Amt des neuen HCU-Präsidenten wurde eine „inspirierende Persönlichkeit“ gesucht, die sich „durch aktive Kommunikation, einen kooperativen Führungsstil, hohe strategische Kompetenz sowie Verhandlungsgeschick“ auszeichnet. Der HCU-Hochschulsenat traut Jörg Müller-Lietzkow solche Fähigkeiten offenbar schon mal zu.