Hamburg. Erst rückten Polizei und Feuerwehr beim Tierschutzverein an. Vorstand und Opposition waren unversöhnlich. Geht es vor Gericht?

Die Jahreshauptversammlung des Hamburger Tierschutzvereins (HTV) ist am Sonnabend ausgeartet. Gegen 14.30 Uhr standen sogar Polizei und Feuerwehr vor dem Eingang des Tierheims an der Süderstraße. Ein Mitglied hatte zuvor die Einsatzkräfte alarmiert, da nach massiver Kritik am Vorstand im Vorfeld der Versammlung deutlich mehr Personen anwesend waren, als in den vorgesehenen Raum passten, und die Fluchtwege versperrt waren.

„Die Veranstaltung war eine Farce und eines solchen Vereins nicht würdig“, sagte HTV-Mitglied Oliver Schwarz später und fügte hinzu: „Wer gehofft hatte, der Vorstand würde sich unbequemen Fragen stellen oder aufklären, wurde bitter enttäuscht.“

Laut diverser Mitglieder herrschen „unhaltbare Zustände“ im vom HTV geführten Tierheim, der Betriebsrat wirft dem Vorstand „Ausbeutung und Mobbing“ vor, und das Veterinäramt Mitte ermittelt seit einigen Monaten wegen zahlreicher angeblicher Verstöße gegen Vorschriften und Gesetze. Der Vorstand dementiert und spricht von „Schikanen“ der Behörden und einer „Schmutzkampagne“.

"Rechtswidriger" Presse-Ausschluss?

„Anstatt aufzuklären, hat der Vorstand keine ihm unangenehmen Anträge zugelassen und die freie Meinungsäußerung unterbunden“, sagte Schwarz. Schon der erste Antrag eines Mitglieds – die Presse zuzulassen, nachdem sie vom Vorstand von der Veranstaltung ausgeschlossen wurde – ließ die erste Vorsitzende Sandra Gulla nicht zur Abstimmung zu. „Ich bin der Meinung, dass das rechtswidrig ist“, sagte die ehemalige Richterin am Verwaltungsgericht, Gabriele­ Waniorek-Goerke, die auch schon Vorsitzende des HTV war. Früher sei die Presse gern gesehen gewesen. Das habe sich offenbar geändert. „Es ist hanebüchen, wie undemokratisch das hier zugeht“, sagte Waniorek-Goerke.

Bei einem weiteren Antrag mit demselben Ziel versuchte Gulla dem Antragsteller das Mikrofon zu entreißen. Als das nicht klappte, stellte ein Mitarbeiter das Mikrofon einfach aus. Zahlreiche ähnliche Zwischenfälle prägten die Veranstaltung. Immer wieder kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen. In einer Pressemitteilung spricht der Verein davon, dass eine Gruppe von Mitgliedern versuchte, die Veranstaltung zur Stimmungsmache gegen den Vorstand zu nutzen. Allerdings habe die Mehrheit der Mitglieder diese in die Schranken gewiesen und dem Vorstand den Rücken gestärkt.

HTV-Mitglied erwägt rechtliche Schritte

„Kritiker wurden von Gulla und ihren Unterstützern beleidigt und beschimpft“, sagte dagegen Vereinsmitglied Michael Wahlert. Der Vorstand habe „mal wieder nach Gutsherrenmanier“ alle Anträge der Opposition einfach nicht zugelassen. Demokratische Partizipation sei so nicht möglich. „Um am Vorstand vorbei einen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, muss das ein Prozent der Mitglieder schon vor der Veranstaltung schriftlich fordern“, erklärt Wahlert. Die rund 5000 Mitglieder zu erreichen, sei aber kaum möglich, da der Vorstand sich trotz mehrerer Anfragen weigere, die Kontaktdaten zur vereinsinternen Kommunikation herauszugeben.

Das möchte ein Mitglied nun erzwingen. „Ich habe dem Verein eine Frist gesetzt, die in wenigen Tagen ausläuft“, sagt Thorsten Jugert. Sollte sich bis dahin nichts tun, werde er klagen. Der Informatiker habe durch Medienberichte von den Zuständen im Verein erfahren und Sonnabend zum ersten Mal eine Versammlung des HTV besucht. Dort habe sich alles bestätigt. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Informationsrecht der Mitglieder wurde mit Füßen getreten“, sagt Jugert. Deshalb habe er bereits Widerspruch gegen Beschlüsse der Versammlung eingelegt. „Sollte der Vorstand sich weigern, sie für nichtig zu erklären, werde ich auch diesbezüglich klagen“, sagt Jugert.

Opposition will Machtstrukturen verändern

Derweil versucht die Oppositionsgruppe bereits, auf anderem Wege Mitglieder zu erreichen. „Wir haben eine Homepage erstellt, über die Unterstützer mit uns in Kontakt treten können“, sagt Hannelore Herrmann, Mitinitiatorin der Seite www.htvfreunde.de . „In solch turbulenten Zeiten ist es wichtig, dem Verein treu zu bleiben und etwas an den Zuständen zu ändern“, sagte Herrmann. Entgegen der Darstellung des Vereinsvorstands sei es nicht ihr Ziel, den erzwungenen Veganismus auf dem Tierheimgelände, den Auslands- oder den allgemeinen Tierschutz grundlegend zu verändern. „Gulla ist eine gute Tierschützerin“, sagte Herrmann, fügte aber hinzu: „Es kann sich aber kaum einer vorstellen, was die Mitarbeiter des Tierheims ertragen müssen.“

Die Oppositionsgruppe wolle die Situation für die Angestellten verbessern und die internen Machtstrukturen verändern. „Wir wollen das unethische Verhalten des Vorstands beenden“, sagt Oppositionsmitglied Jule Thumser. Die Möglichkeit, Kritik zu äußern, und funktionierende Kontrollmechanismen für den Vorstand müssten wieder hergestellt werden, um die „diktaturähnlichen Zustände“ zu beenden. „Deshalb hoffen wir, dass sich zahlreiche Mitglieder bei uns melden und unser Vorhaben unterstützen, damit wieder normale Verhältnisse und Ruhe in den Verein einkehren“, sagt Thumser.