Hamburg. Zahl der Plätze beim Studierendenwerk soll in zehn Jahren auf 5800 steigern. Allerdings gibt es 100.000 Studenten.

Wenn es immer so laufen würde wie im Fall von Alix Bielefeld, gäbe es das Problem gar nicht. Als die 21 Jahre alte Stuttgarterin sich entschied, in Hamburg Politikwissenschaften zu studieren, bewarb sie sich um einen Platz in einem der 25 Wohnheime des Studierendenwerks – und bekam einen.

Im Herbst zog die junge Frau in eine WG im nagelneuen Helmut-Schmidt-Haus in der HafenCity. Mitten in einem der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Europas, einen Steinwurf von der Elbe entfernt, die Elbphilharmonie in Sichtweite, und das für 380 Euro warm – der neue Lebensabschnitt in Hamburg hätte schlechter beginnen können. „Eigentlich wollte ich hier nur für zwei Monate übergangsweise einziehen und mir dann etwas anderes suchen“, verrät Alixa Bielefeld. „Aber mittlerweile möchte ich hier gar nicht mehr ausziehen.“

Die die meisten gehen bei der Wohnheimplatzvergabe leer aus

Kein Wunder. Denn die 21-Jährige hat eines der großen Lose gezogen. Für viele tausend junge Menschen, die zum Studieren oder für eine Berufsausbildung nach Hamburg kommen, verläuft der Start dagegen deutlich holpriger. Sie gehen bei der Wohnheimplatzvergabe leer aus und müssen sich auf dem umkämpften Wohnungsmarkt eine Bleibe suchen – was ohne finanzstarke Sponsoren in der Familie oder einen einträglichen Nebenjob eine echte Herausforderung ist. In Zahlen ausgedrückt, stellt sich das Problem so dar: Mehr als 100.000 Studenten sind an den Hamburger Hochschulen eingeschrieben, aber bislang kann das städtische Studierendenwerk ihnen nur 4350 Wohnheimplätze anbieten – von denen gut zehn Prozent von Auszubildenden belegt sind. Inklusive weiterer Unterkünfte freier oder gemeinnütziger Anbieter haben 8,3 Prozent der Studenten einen Wohnheimplatz. Umgekehrt ausgedrückt: Mehr als 90 Prozent der Hochschüler sind bei der Unterkunftssuche auf sich allein gestellt – oder leben noch bei ihren Eltern.

„Großer Schritt nach vorne.“

Die Koalition aus SPD und Grünen in der Bürgerschaft plant daher nun einen großen Wurf: Sie fordert den Senat auf, einen „Masterplan für die Schaffung von Wohnheimplätzen“ aufzustellen. Eine belastbare Zielvorgabe ist darin zwar nicht genannt, aber die Fraktionsvorsitzenden Dirk Kienscherf (SPD) und Anjes Tjarks (Grüne) haben recht konkrete Vorstellungen: Die Zahl der Plätze beim Studierendenwerk soll binnen eines Jahrzehnts um rund ein Drittel, also von 4350 auf dann knapp 5800, gesteigert werden. Angesichts von Investitionskosten von rund 90.000 Euro pro Platz geht es also um Investitionen in Höhe von etwa 130 Millionen Euro.

„Damit machen wir einen großen Schritt nach vorne, bieten jungen Menschen zusätzliche Angebote am Hamburger Wohnungsmarkt und sorgen dafür, dass das Wohnen bezahlbar bleibt“, sagte Kienscherf und betonte, was seiner Partei wichtig sei: „Ausbildung und Studium dürfen in Hamburg nicht daran scheitern, dass es am Geld fehlt.“ Im übrigen sei auch die Perspektive der Wirtschaft ein Faktor: „Hamburg hat einen großen Bedarf an Auszubildenden“, so Kienscherf. Und wie schwer es denen falle, eine Bleibe zu finden, zeige sich daran, dass etliche Unternehmen über eigene Azubi-Wohnheime nachdenken. Daher wird in dem Antrag auch angeregt, zu prüfen, ob ein zusätzlicher städtischer Träger für Azubi-Wohnheime „sinnvoll wäre“.

„Kopf frei fürs Studium.“

Tjarks verwies darauf, dass zwar bereits geplant sei, bis zum Wintersemester 2021/22 weitere 700 Plätze allein durch das Studierendenwerk zu schaffen. Doch angesichts von rund 15.000 Studienanfängern pro Wintersemester werde selbst das „den zunehmenden Bedarf an günstigem Wohnraum bei Studierenden und Auszubildenden nicht decken können“, so der Grünen-Fraktionschef. „Insgesamt wird es darum gehen, die Gesamtkapazität um mindestens ein Drittel zu heben.“ Dafür sei der Masterplan wichtig. René Gögge, Wissenschaftsexperte der Grünen, fasst es so zusammen: „Nur, wer ein bezahlbares Dach über dem Kopf hat, bekommt denselben frei fürs Studium.“

Sven Tode, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verwies auf das Wachstum des Bereichs: „Wir haben den Ausbau der TU Hamburg auf den Weg gebracht und wir werden auch den Wissenschaftsstandort Bahrenfeld, der schon jetzt mit dem Desy und dem Röntgenlaser XFEL international hoch angesehen ist, so attraktiv weiterentwickeln, dass immer mehr junge Menschen in Hamburg studieren möchte.“ Selbstverständlich müssten parallel dazu günstige und moderne Wohnangebote mitentwickelt werden.

Studierendenwerk begrüßt rot-grünen Vorstoß

Bei Jürgen Allemeyer rennt die Koalition mit dem Vorstoß offene Türen ein: „Die Mietentwicklung in den studentischen Hochburgen und Metropolen ist erschreckend, so auch in Hamburg“, sagte der Geschäftsführer des Studierendenwerks. „Für junge Menschen wird es immer schwieriger eine bezahlbare Bleibe zu finden.“ Er halte es für realistisch, innerhalb von fünf Jahren rund 1000 neue Plätze zu schaffen, bis 2022 werde zunächst ein neues Wohnheim an der Dratelnstraße in Wilhelmsburg fertig. „In der Perspektive bis 2030 ist auch ein noch größerer Ausbau möglich.“