Hamburg . Das Unternehmen feiert seinen Geburtstag mit 280 Gästen. Es wird heute von einem gelernten Kellner aus Österreich geleitet.

Einsteigen, der Törn durch den Hafen beginnt. Hubert Neubacher (46), gelernter Kellner aus Österreich und Wahl-Hamburger, geht gut gelaunt an Bord der Barkasse „Hanseat“. Er trägt ein helles Sweatshirt mit dem Schriftzug des Unternehmens, dessen Geschäftsführer und Eigentümer er seit 2013 ist: Barkassen-Meyer. Kaum hat Neubacher an einem der Tische unter dem Cabrio-Dach Platz genommen, blickt der Chef von 50 Mitarbeitern nicht etwa nach draußen auf die Kulisse mit der Elbphilharmonie und die vielen anderen Barkassen, die täglich um die Gunst der Touristen buhlen. Nein, Neubacher blickt zurück in die Vergangenheit. Denn Barkassen-Meyer feiert 100. Geburtstag. Am morgigen Donnerstag lädt der Chef und Eigentümer zum Firmenfest mit rund 280 Gästen nach Entenwerder ein. Höhepunkt ist die Schiffstaufe der „MS Ennstal“, die als zehntes Schiff die Flotte von Barkassen-Meyer ergänzt.

Während die „Hanseat“ in der raren Frühlingssonne am Trockendock von Blohm + Voss vorbeischippert, erzählt Hubert Neubacher von Udo, den er schon mal im Hotel Atlantic besucht hat. Udo Lindenberg hat nämlich den Rumpf der neuen Barkasse „MS Ennstal“ ebenso künstlerisch wie farbenfroh gestaltet. „Vielleicht kommt Udo an diesem Jubiläumsabend vorbei“, hofft Neubacher, um gleich danach an die Anfänge des Hamburger Traditionsunternehmens am Hafenrand zu erinnern. 1919 hatte Bernhard Meyer die Firma „Barkassen-Anruf Meyer“ aus der Taufe gehoben hat. Damals war Kaiser Wilhelm II. bereits abgetreten. Es wehte ein frischer Wind über der Elbe – die kurze Epoche eines demokratischen Aufbruchs. Frauen in Hamburg bekamen erstmals das Recht, die Bürgerschaft zu wählen.

Schiffe tragen Vornamen aus der Vergangenheit

In der Schifffahrt ist es Tradition, Wasserfahrzeuge nach weiblichen Vornamen zu benennen. Und so wurde aus Meyers erster Barkasse namens „Pudel“ kurzerhand „Gerda“. Die Liste weiterer Meyer-Barkassen, die rund um die Uhr Güter auf den Wogen der Elbe durch den Hafen beförderten, liest sich heute wie aus einem Wörterbuch ausgestorbener Vornamen. Dazu gehören „Helga“ und „Gerda“, „Gerda 2“, „Gerda 3“ – und „Harry“. Die Reederei konnte stetig wachsen, weil die Auftragsbücher mit Hafentransporten und Schlepperfahrten voll waren.

Eine der vielen Meyer-Barkassen, die „Gerda“ hießen.
Eine der vielen Meyer-Barkassen, die „Gerda“ hießen. © Barkassen Meyer

Meyers Firmensitz befand sich vor 100 Jahren an Brücke 2 (Uhrturm) auf den St. Pauli-Landungsbrücken, die heute in der Hochsaison von Tausenden Touristen am Tag bevölkert werden. Nicht wenige von ihnen glauben, dass die Nordsee gar nicht weit entfernt sei. „Wir haben immer wieder Gäste, die davon ausgehen, dass wir bis zur Nordsee fahren“, sagt Neubacher. Dabei sei die weiteste Distanz, die eine Meyer-Barkasse zurücklegt, der gelegentliche Törn nach Buxtehude. Die Nordsee selbst ist knapp 100 Kilometer weit weg.

1977 trat die dritte Generation ans Ruder

Bereits kurz nach der Firmengründung 1919 bot der stets in feine Anzüge gewandete Bernhard Meyer auch Hafenrundfahrten mit Sammelpublikum sowie Betriebs- und private Ausflugsfahrten an. Heute gibt es in der Hafenbarkassen-Branche gut 30 Mitbewerber, von den großen Firmen mit 30 Schiffen bis zu den kleinen Anbietern mit einem oder zwei. Meyer liegt im Mittelfeld. Insgesamt sind regelmäßig gut 70 bis 80 Barkassen im Hafen unterwegs.

Dass die gesamte Branche einen Aufschwung nahm, ist nicht zuletzt das Verdienst des Firmengründers und seiner Familie in drei Generationen. Bernhard Meyer starb unerwartet am 26. Juni 1953 an einer Lungenembolie, verursacht durch eine verschluckte Fischgräte. Damals übernahm sein Schwiegersohn Hans Hähnsen die Geschäfte unter dem Namen „Barkassenvermietung Hans Hähnsen“. 1977 trat in dritter Generation sein Sohn Bernhard ans Ruder. Er entschied sich wieder für den Firmennamen „Barkassen-Meyer“.

Ruth Junker leitete den Betrieb ab 1984

Als die Komfortbarkasse „Hanseat“ die Höhe der Fischauktionshalle erreicht, zeigt der heutige Firmeninhaber ein bisschen stolz das feine Firmenmagazin zum 100. Geburtstag. Es ist reich bebildert und nennt in der Chronologie eine Frau, die später als Gattin von Bernhard Hähnsen ins Unternehmen einstieg – Ruth Junker. Sie leitete seit 1984 den Betrieb, bis zu jenem Tag im Jahr 2002, als sich das Ehepaar aus Altersgründen komplett aus dem laufenden Geschäft zurückzog.

Hubert Neubacher, damals Assistent der Geschäftsführer, wurde während des Hafengeburtstages gleichsam ins Wasser geworfen. An dieser Stelle ist nun von der vierten Generation von Barkassen-Meyer zu erzählen. Zwar ist der im österreichischen Haus im Ennstal geborene Neubacher mit der Meyer-Dynastie weder verwandt noch verschwägert.

11955: Vier Barkassen an den Landungsbrücken.
11955: Vier Barkassen an den Landungsbrücken. © Barkassen Meyer

Aber er muss wohl mit seinem fröhlichen Charakter und seiner Kompetenz Herz und Vertrauen der alten Eigner erobert haben. Jedenfalls erhielt der gelernte Kellner aus der Obersteiermark den Zuschlag als Käufer des Unternehmens. „Von meinem Gehalt konnte ich das freilich nicht bezahlen“, schmunzelt er. „Ich habe dafür einen Kredit aufgenommen und diese Entscheidung nie bereut.“ Seit dem 1. Januar 2013 führt ausgerechnet jener Mann die Firma mit den Hafenbarkassen, auf denen er um die Jahrtausendwende häufiger das Catering betreut hat. Damals arbeitete Neubacher noch als Kellner für ein Hamburger Hotel, das für die kulinarische Versorgung der Gäste bei den Törns verantwortlich war. „Ich bin zwar in den Bergen aufgewachsen, aber auf der Elbe wurde meine maritime Leidenschaft geboren“, sagt er. So heuerte er zunächst in der Verwaltung von Barkassen-Meyer an, organisierte die Buchungen – und brachte es schließlich bis in die Geschäftsführung. Übrigens mit dem Patent für das Steuern von Barkassen und Fahrgastschiffen.

Mit umweltfreundlichem Diesel unterwegs

Barkassen-Meyer gehört heute zu den Innovationstreibern im Hafen, die auf Klasse und nicht auf Masse setzen. „Wir wollen nicht die Größten, sondern die Besten sein“, sagt der Firmenchef. Das gilt auch beim Umweltschutz. In dieser Saison schippert die gesamte Flotte mit dem umweltfreundlichen Dieselkraftstoff GTL Fuel durch den Hafen. Der bringt weniger Ruß, Kohlendioxid und Stickoxide.

Seit 1989 gehört zur Flotte auch die „MS Hamburger Deern“, das erste privat gebaute und sinksichere Fahrgastschiff im Hamburger Hafen mit 120 Sitzplätzen. Mit ihr wurde Barkassen-Meyer zum Vorreiter beim Ausbau der Fahrgastschiff-Flotten in Hamburg, heißt es im Jubiläums-Magazin.

„Ein neues Schiff muss gesegnet werden“

Außerdem verbindet Neubacher Kunst und Kultur mit dem Hafentörn-Erlebnis. So gibt es regelmäßig Lesungen, Vernissagen und Konzerte an Bord. Und es gibt fünf kunstvoll gestaltete Schiffe. Wie die „MS Ennstal“ nach den Vorlagen von Udo Lindenberg. Die Barkasse wird am Donnerstag von NDR-Moderatorin Anke Harnack getauft.

Mit dem Namen Ennstal erweist der Österreicher seiner Heimatgemeinde Haus im Ennstal eine kleine Reverenz. Selbstverständlich erwartet er am Tauftag eine Delegation aus der Alpenrepublik. Bei der Jubiläumsfeier wird die Schlagerlegende Mary Roos die musikalischen Akzente setzen.

Damit die Barkasse allzeit gute Fahrt hat, bittet der Firmenchef auch um den Segen Gottes. „Michel-Hauptpastor Alexander Röder wird das übernehmen“, sagt Hubert Neubacher, als die Komfort-Barkasse „Hanseat“ wieder an den Landungsbrücken festmacht. „Ein neues Schiff – das muss unbedingt gesegnet werden.“