Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte. Heute: Fermentierter Tee von einem Start-up.
Fairment, Manuteefaktur, Bärbucha – in Berlin haben sie mal wieder die Nase vorn gehabt. Vor zwei, drei Jahren entstanden in der Hauptstadt die ersten Mikrobrauereien, in denen nicht allerlei ungewöhnliche Sorten Bier, sondern fermentierter Tee hergestellt und auf Flaschen gezogen wird. Jetzt schwappt der Kombucha-Trend nach Hamburg über. In einer Halle auf dem Hamburger Großmarkt an der Banksstraße haben Jennifer Färber und Oliver Kruse die erste Kombucha-Brauerei in der Hansestadt im September eingerichtet. In diesen Tagen kommt ihr Rho Kombucha auf den Markt. „Für mich schmeckt es ein bisschen nach Kindheit“, sagt Färber. Die 27-Jährige weiß noch gut, dass ihre Eltern damals daheim in Kassel selbst gesüßten Tee mit einem wabbeligen Pilz ansetzten. Nach ein paar Tagen war das leicht moussierende und etwas säuerlich schmeckende Getränk fertig.
In Asien wird Kombucha bereits seit Hunderten Jahren hergestellt und getrunken. In Deutschland war es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeitweise verbreitet, erlebte Ende der 1960er-Jahre in der Hippie-Szene eine kurze Renaissance und dann in den 90ern in gesundheitsbewussten Haushalten. Es war die Zeit, als dort auch Kefir-Pilze im Einsatz waren – und ein Pilz namens Hermann beständig neuen Kuchenteig produzierte.
Beliebt ist das Getränk in Yoga-Kreisen
Die jüngste Kombucha-Welle ist eng verknüpft mit dem wachsenden Yoga-Trend. „80 Prozent der Konsumenten sind Frauen, zumeist im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Und sehr viele Frauen, die Kombucha trinken, machen auch Yoga“, sagt Färber. Absatzzahlen für Deutschland gibt es nicht, doch in den USA werden mit dem fermentierten Tee mittlerweile etwa 750 Millionen Dollar pro Jahr umgesetzt. Die Kaffeekette Starbuck’s hat angekündigt, ins Kombucha-Business einsteigen zu wollen. Pepsi hat in den USA einen Hersteller übernommen. In Europa gilt London als das Zentrum der Kombucha-Brauereien.
Brauerei treffe es tatsächlich am besten, sagt Kruse. „Der Herstellungsprozess ist dem von Bier sehr ähnlich.“ Wenn der 28 Jahre alte Wirtschaftsingenieur eine neue Produktionscharge ansetzt, kocht er zunächst mit gefiltertem Wasser eine Mischung von grünem und Oolong-Tee auf. Der Mix wird mit reichlich Zucker und der Kombucha-Kultur versetzt. Die wird gemeinhin Pilz genannt, besteht aber aus verschiedenen Hefen und Bakterien. Das Ganze fermentiert für bis zu zwei Wochen in speziellen Tanks, zeitweise entsteht dabei Alkohol, der später allerdings weitgehend abgebaut wird. Sämtliche Zutaten stammen aus Bio-Anbau, und anders als bei industriell hergestelltem Kombucha, der nur wenige Tage fermentiert, wird der Kombucha in Hamburg nicht pasteurisiert – er ist roh. Daher der Name.
Verdauung anregende Eigenschaften
Ist das gesund? Vielleicht. Sicher ist: Kombucha enthält unter anderem Essig-, Milch-, Glukon- und Glucuronsäure. Dem Getränk werden entgiftende, den Stoffwechsel und die Verdauung anregende Eigenschaften nachgesagt. Wissenschaftlich nachgewiesen ist das nicht. Die Gründer stellen mögliche gesundheitsfördernde Aspekte denn auch bewusst nicht in den Vordergrund – sie setzen stattdessen auf das „Bauchgefühl“ der Verbraucher. „Man fühlt sich irgendwie wohl“, sagt Färber.
Kennengelernt haben sich die Gründer während eines gemeinsamen Werksstudentenjobs bei einem Hamburger Unternehmen aus der Fintech-branche. Färber hatte da schon eine Ausbildung zur Kommunikationsfachwirtin, zwei Jahre Arbeit in New York und ein Markenmanagement-Studium an der Hamburger Brand Academy hinter sich. Kruse nach dem Abitur am Gymnasium Oberalster das Wirtschaftsingenieur-Studium mit Masterabschluss an der Fachhochschule Wedel. „Ich habe eher aus Spaß gesagt: ,Irgendwann machen wir uns selbstständig‘“, sagt Kruse. Und weil er viel Wert auf vernünftige Ernährung legt und schon damals in der eigenen Küche mit Kombucha experimentierte, ergab sich das Produkt fast von allein.
Ungewöhnliche Flaschengrößen
Abgefüllt wird es in die in Deutschland ungewöhnlichen Flaschengrößen von 473 (für den Einzelhandel) und 237 Millilitern (für die Gastronomie). Gefertigt werden die braun eingefärbten Glasflaschen in China. Es gab Lieferschwierigkeiten, aber jetzt stehen mehr als 20.000 Flaschen zur Abfüllung bereit. Die schon gefüllten sind unter anderem in der Markthalle der Hobenköök im Hafen im Sortiment. In den nächsten Tagen startet der Verkauf im eigenen Online-Shop und beim Internethändler Foodist. Derweil arbeiten die Gründer daran, ihr Getränk in der Hamburger Gastronomie zu etablieren. Und irgendwann soll es Rho Kombucha auch in Bioläden und –supermärkten geben.
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