Hamburg. Der Krankenstand in fünf von sieben Bezirken ist gegenüber 2017 weiter angestiegen. Warum sich die Mitarbeiter überlastet fühlen.

Die wachsende Stadt und die daraus folgenden Herausforderungen und Belastungen machen sich bei den Bezirksmitarbeitern bemerkbar. Ihre Unzufriedenheit spiegelt sich auch in einem hohen Krankenstand, der zuletzt in fünf der sieben Bezirke sogar weiter angestiegen ist. Das ergibt sich aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Jens Wolf.

Demnach stieg der Krankenstand im zuletzt erhobenen ersten Halbjahr 2018 gegenüber dem ersten Halbjahr 2017 in Altona, Eimsbüttel, Harburg, Nord und Wandsbek weiter an. Nur in Mitte und Bergedorf waren die Mitarbeiter etwas seltener krankgemeldet als im Vorjahreszeitraum.

Höchste Fehlquote in Wandsbek

Die höchste Fehlquote weist dabei das Bezirksamt Wandsbek mit 11,1 Prozent auf, gefolgt von Altona (10,1) und Harburg (10,0). Die niedrigste Fehlzeitenquote wurde im ersten Halbjahr 2018 von Eimsbüttel und Bergedorf mit je 9,0 Prozent krankheitsbedingt fehlenden Mitarbeitern gemeldet. Zum Vergleich: Laut Bundesgesundheitsministerium fielen 2017 bundesweit durchschnittlich 4,2 Prozent der Krankenversicherten krankheitsbedingt bei der Arbeit aus. Der AOK-Bundesverband meldete für seine rund elf Millionen Versicherten 2017 einen durchschnittlichen Krankenstand von 5,3 Prozent. Allerdings sind die Zahlen wohl nur bedingt vergleichbar, denn während der Arbeitgeber auch kurze Fehlzeiten ohne Krankschreibungen registriert, erfahren die Krankenkassen nur von den offiziellen Krankschreibungen.

Die enorme Belastung habe sie krank gemacht, sagt Anna Paulsen (Name geändert). Die 31-Jährige arbeitet jetzt nach einer Wiedereingliederungsphase wieder auf ihrer alten Stelle in einem Hamburger Standesamt. Vor knapp zwei Jahren fing sie dort nach eigenen Angaben mit 20 Stunden an, nachdem sie zuvor in einem anderen Bezirk vertretungsweise und beim telefonischen Hamburg-Service gearbeitet hatte.

Klagen über geringe Bezahlung

Steigende Geburtenzahlen beispielsweise erforderten mehr Beurkundungen. Und es seien längst nicht alle Stellen besetzt, weil es viele Wechsel gebe. „Wir bekommen pro Tag Hunderte Mails mit Anforderungen für Beurkundungen“, sagt Paulsen. Die Arbeit sei viel mehr geworden. Auch Sterbefälle müssten sie und ihre Kollegen beurkunden und Kirchenaustritte besiegeln. Die Bezahlung sei jedoch gering. „Ich bekomme für 21 Stunden mit Steuerklasse 4 etwa 1100 Euro ausbezahlt“, sagt die Hamburgerin. „Wir bemängeln, dass wir sehr viel schlechter bezahlt werden als die Kollegen in den Fachbehörden.“ Auf der Personalversammlung kürzlich in der Alsterdorfer Sporthalle seien viele Kollegen aufgestanden und hätten bekannt, dass sie Medikamente nehmen müssten, um überhaupt arbeiten zu können, sagt Paulsen.

Auch sie selbst kam mit der Belastung nicht mehr zurecht. „Ich habe eine schwere Depression entwickelt“, sagt die zweifache Mutter. Sie war etwa ein Jahr lang krankgeschrieben. Nichts mehr sei gegangen, sagt sie. „Ich konnte mir nicht einmal mehr die Schuhe zubinden. Die Stadt wirbt immer mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, sagt die junge Frau, doch sie erlebe gerade wieder, wie schwierig das sei. Für ihre sechsjährige Tochter habe sie immer noch keine Zusage für einen Platz in der Grundschule. Die Schulen in Wohnortnähe seien alle überlaufen. „Aber ich kann doch nicht die Vierjährige in die Kita bringen und dann noch die Sechsjährige ein paar Kilometer weiter an eine Schule.“ Dann schaffe sie es nicht mehr pünktlich zur Arbeit, die an einem ganz anderen Ende der Stadt liegt.

Schwierige Vereinbarkeit mit der Familie

Die ausgeweiteten Öffnungszeiten der Kundenzentren in den Bezirken brächten auch viele Kollegen in große Schwierigkeiten, sagt Paulsen. Das sei alles andere als vereinbar mit der eigenen Familie, darauf hätten etliche bei der Personalversammlung hingewiesen.

Die CDU kritisiert die hohe Belastung der Bezirksmitarbeiter – und wirft dem rot-grünen Senat vor, zu wenig für das Wohlbefinden der Beschäftigten zu tun. „Hamburgs Bezirksämter laufen der Zeit hinterher“, sagte der für Bezirke zuständige Bürgerschaftsabgeordnete Jens Wolf. So habe der Senat in Antworten auf seine Anfragen angegeben, die Mitarbeiterzufriedenheit lediglich durch Gespräche oder das Vorhalten von Kantinen steigern zu wollen. Das sei zu wenig, um die dringend benötigten qualifizierten Mitarbeiter zu halten oder neue zu gewinnen. „Die Mitarbeiter sind stark belastet und werden oft krank. Erst kürzlich haben sie ihren Unmut auch auf der gemeinsamen Personalversammlung sehr deutlich gemacht“, so Wolf. „Der Senat versucht derweil mit einer Befragung in den Kundenzentren von den Problemen in anderen Bereichen abzulenken. Hier sind die Probleme nur nach massivem öffentlichen Druck angegangen worden.“

Dem Fachkräftemangel frühzeitig begegnen

Jetzt arbeiteten die Kundenzentren mit einem Personal-Puffer. Davon könnten die Mitarbeiter in den meisten anderen Bereichen „nur träumen“. Wolf: „Wenn die Bezirksämter in Zeiten des Fachkräftemangels als attraktiver Arbeitgeber bestehen wollen, müssen sie mehr für die Beschäftigten tun.“