Hamburg . Die schwedische Aktivistin schließt sich am Freitag dem Schulstreik in Hamburg an. Die Schulbehörde bleibt hart.

Sie ist das Gesicht einer rasant wachsenden Bewegung. Jeden Freitag seit August vergangenen Jahres demonstriert die Schwedin Greta Thunberg vor dem Reichstag in Stockholm für den Klimaschutz. Bis Schweden sich an das Pariser Klima-Übereinkommen hält, wolle sie mit ihrem Schulstreik weitermachen, sagt die 16-Jährige. Heute ist sie in Hamburg.

Ihr Einsatz ist ansteckend. Allein in der vergangenen Woche nahmen nach Angaben der „Fridays For Future Germany“ in Deutschland, Frankreich und Belgien mehr als 40.000 Schüler und Studenten an den Protestmärschen teil. Mehr als 200 Ortsgruppen, die sich über Whatsapp organisieren, gibt es deutschlandweit, die Organisation hat auf der ganzen Welt Ableger.

Route wird vorab nicht bekannt gegeben

In Hamburg waren es vergangenen Freitag laut Polizei rund 800 Demonstranten. Heute ist mit erhöhtem Andrang zu rechnen, rund 1000 könnten es werden. Denn Greta Thunbergs Auftritt in Hamburg ist ihre erste Demonstration in Deutschland. Die Demo beginnt um 8.30 Uhr am Gänsemarkt.

Alles weitere ist unklar. „Aus Sicherheitsgründen wird die Route des Protestmarschs vorab nicht bekannt gegeben“, sagt Nele Brebeck, Mitorganisatorin der „Fridays For Future“ in Hamburg. Denn nicht nur Thunberg, auch lokale Gruppen sehen sich gerade im Netz Anfeindungen ausgesetzt. Wenn die Hassnachrichten in Morddrohungen umschlagen, ist für Brebeck eine Grenze überschritten. „Den Hass in sozialen Netzwerken lese ich gar nicht, aber solche Nachrichten sind etwas anderes und werden von uns zur Anzeige gebracht“, so die 19-Jährige.

Thunbergs Einsatz begann schon in der Kindheit

Spätestens seit ihrer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ist Greta Thunberg weltweit bekannt. „Ich will, dass ihr in Panik geratet, alle sollen die Angst spüren, die ich jeden Tag spüre“, so lautete Ende Januar die Kampfansage der 16-jährigen Schwedin an die Wirtschaftsvertreter. Im Februar hielt sie eine Rede vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, in der sie eine Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes bis 2030 forderte. Nach Davos, Brüssel und Paris stattet sie nun auf dem Rückweg nach Stockholm Hamburg einen Besuch ab.

Thunbergs Einsatz für den Klimaschutz begann schon in der Kindheit. Seit Jahren lebt sie vegan und verzichtet auf das Fliegen – nach Davos reiste sie mit der Bahn. In Schweden gibt es schon ein Wort für das ökologisch begründete Unwohlsein bei Flugreisen, die „Flugscham“. Thunberg selber begründet ihr großes Interesse am Klimaschutz mit ihrem Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus. „Ich sehe die Welt etwas anders, aus einer anderen Perspektive. Ich habe ein besonderes Interesse“, sagte sie „The New Yorker“.

Null Punkte für verpasste Unterrichtsleistungen

Die ersten Demonstrationen bestritt Thunberg noch allein, nur mit einem Schild bewaffnet. In Hamburg dürfte das heute anders sein. Eigentlich findet an diesem letzten Tag vor den Osterferien an den Schulen noch Unterricht statt. Doch wegen des prominenten Gasts werden vermutlich mehr Schüler als üblich an der Freitagsdemo teilnehmen. Ein Umstand, der manchen sauer aufstößt. Alexander Wolf, der Chef der AfD-Bürgerschaftsfraktion, kritisiert, die Proteste missbrauchten die „jugendliche Begeisterungsfähigkeit“ der Teilnehmer. „Schulschwänzen rettet die Welt nicht“, mahnt Wolf.

Einen ähnlichen Ton schlägt die Hamburger Schulbehörde an: Unentschuldigtes Fehlen, auch wegen einer Klimaschutz-Demonstration, gelte als Schwänzen, sagte Peter Albrecht, Sprecher der Behörde. Verpasste Unterrichtsleistungen würden mit null Punkten gewertet, bei wiederholtem Fehlen schalte man die Eltern ein.

Im Unterricht stärker auf Klimaschutz eingehen

Die Linke hingegen begrüßt das Engagement der Schüler. Man solle froh sein, dass der jüngeren Generation der Klimaschutz am Herzen liege und sie ihren Interessen Gehör verschaffe, so Sabine Boeddinghaus, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lobte die Demonstrationen. „Die Notwendigkeit, für eine andere Klimapolitik einzutreten, zeigt sich tagtäglich“, sagte Anja Bensinger-Stolze, Vorsitzende der GEW Hamburg. Die Proteste böten auch den Anlass, im Unterricht stärker auf Klimaschutz einzugehen, so Bensinger-Stolze weiter.

Solche Kooperationen seien auch in Hamburg denkbar, bisher sei das Echo von Politikern und Schulen aber verhalten ausgefallen, sagt Nele Brebeck. In Schleswig-Holstein haben die Demonstranten mittlerweile Gehör gefunden und trafen sich vor zwei Wochen mit Mitgliedern des Landtages.

Demonstrationen am 15. April in 40 Ländern

„Greta Thunbergs Besuch in Hamburg ist für alle Organisatoren eine große Überraschung“, sagt Brebeck. Dementsprechend groß wird auch der Andrang sein. Im Schnitt rechne man mit rund 1000 Teilnehmern, aber angesichts des prominenten Gasts sei ein Überblick über die Teilnehmerzahl unmöglich.

Und auch zukünftig gibt es große Pläne für die „Fridays For Future“: Am 15. April plant die Organisation den „größten Klimastreik, den die Welt je gesehen hat“, wie es auf der Webseite heißt. In über 30 Städten in Deutschland und mehr als 40 Ländern weltweit wollen die jungen Menschen auf die Straße gehen. Beschwerden über verpassten Unterricht dürften diesmal ausbleiben – der 15. April fällt mitten in die Osterferien.