Hamburg. Die frühere Tenniskönigin besucht am UKE ihre Stiftung „Children for Tomorrow“ und deren Projekt „HonigHelden“.
Ihre Nase lief, die Stimme war schwer angekratzt, aber ein grippaler Infekt kann Stefanie Graf nicht stoppen, wenn es um ihr Herzensprojekt geht. Und was sind schon Husten und Schnupfen gegen das, was die Menschen durchstehen müssen, um die sich die größte Athletin der deutschen Sportgeschichte mit ihrer Stiftung „Children for Tomorrow“ kümmert? Seit 1998 erhalten von Krieg, Verfolgung und Gewalt traumatisierte Kinder und deren Familien in Kooperation mit der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) zielgerichtet Hilfe. Alle zwei bis drei Monate schaut die Stiftungsgründerin in der Basis in Hamburg nach den neuesten Entwicklungen.
Meist geschieht das inkognito, Stefanie Graf ist für ihre Öffentlichkeitsscheu bekannt. Aber an diesem Mittwoch lud der Uhrenhersteller Longines, der die Non-Profit-Organisation seit deren Anfängen finanziell unterstützt, zur Erneuerung der Partnerschaft ins UKE. Das Tennis-Idol, das 22 Grand-Slam-Titel gewann und mit 377 Wochen an der Spitze der Weltrangliste noch immer Rekordhalterin ist, freut sich über diese Unterstützung, die wichtiger ist denn je, denn seit dem Flüchtlingsstrom von 2015 hat sich die Arbeit, die in Hamburg geleistet werden muss, vervielfacht.
Viele intensive Begegnungen
„Seit 1998 hatte ich sehr viele intensive Begegnungen mit Kindern auf der ganzen Welt, die mich emotional berührt haben“, sagt die 49-Jährige. „Dabei helfen zu können, deren innere Wunden zu heilen, war der Anstoß für mein Engagement.“ Seit ihre Kinder Jaden (17) und Jaz (15) auf der Welt sind, berühre sie das Schicksal von traumatisierten Kindern noch stärker, „der Schutzinstinkt kommt deutlicher zum Tragen, wenn man selber Kinder hat.“ Gleichzeitig fühle sie allerdings mit den leidenden Eltern. „70 bis 80 Prozent der minderjährigen Flüchtlinge sind unbegleitet. Was muss das für die Eltern bedeuten, manchmal nicht zu wissen, was mit ihrem Kind passiert ist?“
Rund 500 Kinder und Jugendliche werden jährlich von 15 Stiftungsmitarbeitern im UKE betreut. „Der Bedarf wäre deutlich größer, aber wir stoßen an Grenzen“, sagt Stiftungs-Geschäftsführerin Stephanie Hermes. Es fehlt an qualifiziertem Personal; Psychotherapeuten, die mit traumatisierten Flüchtlingen arbeiten können und wollen, sind schwer zu finden. Es gibt Sprachbarrieren, die mit Dolmetschern manchmal nur unzureichend überwunden werden können. Deshalb wird Kunst- und Musiktherapie eingesetzt, die nonverbal funktioniert.
Um Hilfsbedürftigen die Barriere zu nehmen, sich im Krankenhaus therapieren zu lassen, hatte Stefanie Graf im Sommer 2017 das Projekt „HonigHelden“ gestartet. In Kooperation mit der Schulbehörde bieten sechs Fachkräfte an der Fritz-Köhne-Grundschule in Rothenburgsort und der Grundschule Osterbrook in Hamm Vor-Ort-Betreuung an, die in die Unterrichtszeit integriert wird. Auf drei Jahre war die Pilotphase angelegt, 2020 soll das Angebot ausgeweitet werden. „Die Nachfrage ist riesig“, sagt Stephanie Hermes, was bei rund 10.000 Flüchtlingskindern in Hamburger Schulen nicht überrascht.
Wichtige Arbeit
Stefanie Graf spürt auch in Gesprächen mit ihren Kindern, die sich in den USA in soziale Projekte wie die ihres Mannes Andre Agassi (48) einbringen, wie wichtig diese Arbeit ist. „Wir sprechen viel über diese Dinge, Kinder wachsen heute mit einem ganz anderen Bewusstsein für solche Themen auf“, sagt sie. Eine Sportstiftung zu leiten, die Kinder durch körperliche Aktivität fördert, sei ihr deshalb auch nie in den Sinn gekommen. „Ich hätte auch nicht die Zeit dazu, denn meine Arbeit hier fordert meine ganze Aufmerksamkeit“, sagt sie.
Der Bedarf an Hilfe wird, auch wenn die Flüchtlingszahlen zuletzt sanken, hoch bleiben. Stefanie Graf wird deshalb weiter regelmäßig in Hamburg um Unterstützung werben. Wer helfen möchte, kann dies per Spende tun: Children for Tomorrow, IBAN: DE49 2007 0000 0070 700000.