Hamburg . Obdachlose werden im Durchschnitt nur 46,5 Jahre alt. Am Donnerstag gibt es erstmals für zwei Verstorbene eine Trauerfeier in Altona.
Über Michael Sch. und Gerhard K. ist nicht viel bekannt. Die beiden Obdachlosen starben kürzlich in Hamburg. „Michael“, sagt die Sozialarbeiterin Julia Radojkovic vom „CaFée mit Herz“ auf St. Pauli, „war ein großer, bärtiger, rothaariger Kerl, der trotz harter Lebensumstände meist froh im Kontakt war.“ Er sei in einem Hamburger Krankenhaus an den Folgen von Unterkühlung gestorben. Gerhard, der durch seinen Hund Joe wieder etwas Lebensmut fand, verstarb in einer Unterkunft.
Um diese Menschen zu ehren und ein Zeichen für die Würde auch der Obdachlosen zu setzen, lädt die Hauptkirche St. Trinitatis Altona (Kirchenstraße 40) an diesem Donnerstag zu einer öffentlichen Trauerfeier in die Kirche ein (Beginn 14 Uhr), an der auch Obdachlose teilnehmen werden. Pastor Torsten Morche wird die Trauerfeier halten und zur Gemeinde sprechen. „Ich kenne beide Verstorbene nicht persönlich. Es ist auch nicht viel über ihr Leben bekannt“, beschreibt er die besondere Situation. „Es gehört ja zum Schicksal dieser Menschen, dass sie von uns kaum als Menschen mit Namen, Geschichte und Würde wahrgenommen werden.“ Das sei ein Skandal. „Hier versagt eine Gesellschaft. Und das zu benennen wird Teil meiner Ansprache werden.“
Lebenserwartung der Obdachlosen in Hamburg bei 46,5 Jahren
In der Trauerfeier werden Kerzen angezündet, die Orgel erklingt. Menschen, die die beiden Männer kannten, können von Begegnungen mit ihnen erzählen. Außerdem soll gesungen und gebetet werden. Für die Kirchengemeinde und den Pastor genauso ein Wagnis wie für die Besucher der Trauerfeier. Denn dass eine Kirchengemeinde eine Trauerfeier für verstorbene Obdachlose organisiert, kommt nicht häufig vor. Pastor Morche: „In den Kirchen wird schon immer um die Toten getrauert. Warum“, so fragt er, „sollen nicht auch Obdachlose um ihre verstorbenen Schicksalsgenossen hier einen Ort für ihre Trauer haben?“
Die Lebenserwartung der Obdachlosen in Hamburg liegt Studien zufolge bei 46,5 Jahren. Ein Fünftel von ihnen stirbt im öffentlichen Raum; die meisten Todesfälle ereignen sich in Wohnheimen (31,6 Prozent) und Krankenhäusern (22,5 Prozent). Haupttodesursachen sind mit 24,6 Prozent Drogen und Alkohol, gefolgt von Herz- und Gefäßerkrankungen (16,9 Prozent) sowie Infektionen (14,5 Prozent). Die Kirchengemeinde St. Trinitatis beherbergt regelmäßig die mobile Betreuung des „CaFée mit Herz“, bei der unter anderem warmes und frisch gekochtes Essen serviert wird.