Hamburg . Der Verdacht lautet auf „verbotene Ermittlungsmethoden“. Anwalt Strate spricht von gezielter Ablenkung durch die Vorgesetzten.
Der Verdacht lautet auf „verbotene Ermittlungsmethoden“, Täuschung von Zeugen und Unterdrückung von Beweisen: Die Affäre um einen Fall der Soko „Cold Cases“, der mit einem Freispruch und schweren Vorwürfen der Richterin endete, weitet sich aus. In internen Berichten der Polizei ist von möglichen Straftaten durch den ehemaligen Soko-Chef Steven Baack die Rede. Der Anwalt des einstigen Hoffnungsträgers attackiert dagegen die Polizeiführung: Die Vorgesetzten im LKA wollten Baack die Schuld zuweisen, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen.
Das Vorgehen des LKA-Leiters Frank-Martin Heise und einer von ihm eingesetzten Arbeitsgruppe sei „unfair und unprofessionell“, sagt der renommierte Strafverteidiger Gerhard Strate, der Baack in dem Verfahren vertritt. Bei der angeblichen Aufklärung hätten sie selbst suggestiv gearbeitet, entlastende Aussagen bewusst ignoriert und falsche Angaben gemacht, heißt es in einem aktuellen Brief von Strate an den Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer.
Darin beantragt der Anwalt selbst ein Disziplinarverfahren gegen Baack, das die Vorwürfe aus seiner Sicht entkräften würde. Der Polizeisprecher Ulf Wundrack betonte, dass es bei der bisherigen Aufarbeitung zunächst um eine „Analyse der Ermittlungsarbeit und Prozesse“ gehandelt habe. „Es wurden keine Ermittlungen gegen Personen geführt.“
Baack soll Verdächtigen bewusst getäuscht haben
Rückblick: Nachdem der 54 Jahre alte Angeklagte Frank S. in dem Verfahren wegen eines versuchten Mordes an einer Jugendlichen vor 38 Jahren freigesprochen war, hatte der LKA-Chef Heise selbst eine Arbeitsgruppe zur Aufklärung der Vorwürfe eingesetzt – darunter Heises Stellvertreter Mirko Streiber und die Polizeidirektorin Alexandra Klein, die zeitweise die direkte Vorgesetzte der „Cold Cases“-Ermittler war.
Die Arbeitsgruppe fertigte zunächst einen vertraulichen 16-seitigen Bericht an und später einen elfseitigen Nachtrag – beide Dokumente liegen dem Abendblatt vor. Darin heißt es, Baack habe etwa Zweifel an der Glaubwürdigkeit des schwer traumatisierten Opfers ignoriert, ihr falsche Versprechungen gemacht und bei der Identifizierung des Täters suggestive Kommentare abgegeben. Auch im Umgang mit dem Täter und dem Hauptbelastungszeugen seien teils eklatante Fehler geschehen. Zwar schreibt die Arbeitsgruppe, dass nahezu alle wesentlichen Mängel vor Beginn des Prozesses auch der Staatsanwaltschaft hätten bekannt sein können. Verschuldet worden seien sie aber durch Fehler der Ermittler. Abschließend heißt es in dem Nachtrag, der an die Staatsanwaltschaft verschickt wurde: „Aufgrund der Vielzahl festgestellter Mängel (...) sollte geprüft werden, ob sie in der Summe so erheblich sind, dass sie den Tatbestand einer Straftat erfüllen.“ Öffentlich hatte die Polizei Baack im November bei seiner Versetzung als „leistungsfähigen und motivierten Mitarbeiter“ gelobt.
Baack erhebt schwere Vorwürfe gegen Arbeitsgruppe
Seit seiner Absetzung als Soko-Chef ist Steven Baack krankgeschrieben – der interne und mediale Druck laste schwer auf ihm, heißt es aus seinem Umfeld. Laut seinem Anwalt gibt Baack handwerkliche Fehler bei der Ermittlungsarbeit zu – diese seien auch dadurch entstanden, dass die Soko zu wenig Unterstützung durch die LKA-Führung erhielt und unter „Überforderung“ litt. In seiner Stellungnahme zu der Überprüfung listet Baack schwere Vorwürfe gegen die Arbeitsgruppe auf: So seien die anderen Mitglieder der Soko nicht angehört, Dokumente nicht ausgehändigt und entlastende Aspekte nicht gewürdigt worden.
Ein Treffen mit drei Beamten aus der Arbeitsgruppe in Strates Kanzlei am 18. Dezember sei anders als vereinbart überhaupt nicht in den Nachtrag eingeflossen. „Mein Mandant hat die Vorwürfe dort im Einzelnen und glaubwürdig relativiert“, sagt Gerhard Strate. Im Nachtrag des Berichts steht jedoch, Baack sei noch nicht über die Ergebnisse der Prüfung informiert worden. Der ehemalige Soko-Chef forderte die Staatsanwaltschaft deshalb dazu auf, ein Strafverfahren gegen LKA-Vize Streiber zu prüfen. „Das Vorgehen bestärkt den Eindruck, dass Herr Baack zum Sündenbock gemacht wird, um Versäumnisse der Führung zu verdecken“, sagt Strate.
Unabhängige Überprüfung durch die Kriminalpolizei in München
Der Polizeisprecher Ulf Wundrack sagte, die Staatsanwaltschaft sei über das Gespräch im Dezember informiert worden. Ansonsten will er die Vorwürfe des Rechtsanwalts nicht im Detail kommentieren. Er verwies auf eine weitere externe Einschätzung der Ergebnisse: „Der Polizeipräsident hat eine unabhängige Überprüfung durch die Kriminalpolizei in München veranlasst“, sagte Ulf Wundrack. Strate zieht auch die Verlässlichkeit dieser Ergebnisse in Zweifel – der Hamburger LKA-Leiter sei mit dem bayerischen LKA-Chef eng befreundet.
Auch die Staatsanwaltschaft hat eine eigene Prüfung des Falls begonnen. Der Anwalt des freigesprochenen Frank S. hat schriftlich bereits mehr als 10.000 Euro an Haftentschädigung für seinen Mandaten gefordert – zuzüglich weiteren Schadenersatzes.