Hamburg. Es gab viel Unfrieden um das geplante „Kreativquartier“ in Wilhelmsburg. Jetzt stellen die bisherigen Nutzer ihre Idee vor.
Achtung, jetzt kommt ein Konzept. Nachdem sich die Künstler und Kreativen der Wilhelmsburger Zinnwerke aus Protest lange nicht an der Ideensuche für die Zukunft ihrer alte Industriefläche beteiligen wollten, legen sie nun doch noch ein Konzept vor. Demnach soll die ausgediente Fabrik am Veringkanal ein offenes Kreativquartier mit Konzerthalle, Lehrküche, experimentellen Gärten sowie einem Hort für Start-Ups werden. Grundsätzlich sollen die Zäune fallen, um das Gelände für alle Hamburger zu öffnen.
Damit reihen sich die bisherigen Nutzer in die Vorschlagsliste für die Zinnwerke im Reiherstiegviertel ein. Schon seit November sucht die städtische Kreativ Gesellschaft nach einem tragfähigen Nutzungskonzept für die alte Fabrik – zwei ehemalige Elektrolysehallen auf einem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück. Ziel ist ein neues Quartier für Künstler und Kreative, die Hallen sollen saniert werden, hamburgweit waren Interessenten aufgefordert, eine Idee für diesen Raum zu entwickeln. Der Bezirk Mitte hat 60.000 Euro für die Konzeptsuche zur Verfügung gestellt, 800.000 Euro soll die Ertüchtigung kosten. Doch es gab von Anfang an Unstimmigkeiten.
Künstler retteten 2011 das Ensemble
Nachdem eine kleine Szene die Hallen 2011 vor dem Abriss rettete und im Lauf der Jahre ohne viel Zutun der Stadt zu einer Kreativfabrik mit Flohmarkt und 80 Arbeitsplätzen in Ateliers und Büros entwickelte, sollten sie nun keinen Heimbonus bei der neuen Konzeptsuche erhalten. Als langjährige Nutzer fühlten sie sich übergangen. An der Zukunft ihrer Heimstätte durften sie zwar mitschreiben, ein Bleiberecht wurde ihnen aber nicht gewährt. Aus Protest gegen dieses Vorgehen hielten sie sich mit inhaltlichen Ideen bisher zurück.
Heute Abend wollen die Nutzer nun aber ihre Idee für die Zukunft im Bürgerhaus Wilhelmsburg vorstellen. Ihr Konzept sieht eine flexibel bespielbare „Halle der Möglichkeiten“ vor. Dort sollen mittelgroße Konzerte, Kinoveranstaltungen, Theateraufführungen, Konferenzen oder Hochzeiten möglich sein. Ein guter Mix aus unkommerziellen Veranstaltungen und Events zur Querfinanzierung sei entscheidend.
Nie wieder Zäune
Anknüpfend an ihr bisherige Konzept soll weiter Qualifizierungs- und Bildungsarbeit an den Zinnwerken geleistet werden – etwa mit der Stadtteilschule Wilhelmsburg. Den Akteuren schwebt eine Lehrküche vor. Auch die Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW), die Hafencity Universität (HCU) und die Medical School (MSH) könnten dort an ess- und trinkbarer Zukunft forschen - mit Aqua- bis Permakultur, einer Bäckerei und einem Schulgarten für den „Unterricht mit Kraut, Rüben und Robotern“.
Auf der Fläche für Start-Ups sollen etwa Sea-Watch und Civilfleet voran gehen und in den Zinnwerken ein Maritimes Rescue Coordination Centre gründen, um Schiffsbewegungen zu beobachten oder auf Seenotfälle zu reagieren. Insgesamt reden die jetzigen Nutzer von einem „Hub für soziale Unternehmen südlich der Elbe“.
Zu guter Letzt fordern die Kreativen: „Nie wieder Zäune!“ Mit der angestrebten Sanierung sollen Häuser und Gelände geöffnet werden. Dabei soll das historische Erbe ergänzt um ein Blockheizkraftwerk oder die Nutzung der Industrieabwärme auch zukunftsgerecht gestaltet werden.
Areal gehört der Stadt
Das Gelände gehört der Stadt und wird vom hamburgeigenen Immobilienunternehmen Sprinkenhof an die bisherigen Nutzer vermietet. Bisher sei das Areal „untergenutzt“ heißt es von dort. Eine Sanierung der Hallen setze ein Konzept voraus, das sich selbst trägt. Die Hamburg Kreativ Gesellschaft will heute Abend auch die anderen eingereichten Konzepte für die Zinnwerke vorstellen.
Die gesammelten Konzepte für die Zinnwerke werden heute (Mittwoch, 20. Februar) von 17.30 Uhr an im Bürgerhaus Wilhelmsburg vorgestellt und diskutiert.