Hamburg. Sylvia von Spreckelsen ist seit 25 Jahren am Mühlenkamp mit hochwertigen Schmuck im Geschäft – und setzt auf moderne Methoden.
Hat jemand große Hände, so ist man geneigt, diesen Menschen als anpackend, tatkräftig zu bezeichnen. Hat jemand größere Hände, als es sich beim Blick auf ein fein geschnittenes Gesicht, einen zierlichen Körperbau erahnen lassen würde, so neigt man noch eher dazu, danach zu suchen, wofür die Kraft der zupackenden Hände gebraucht wird.
Bei Sylvia von Spreckelsen, geborene von Alvesleben, liegt das auf der Hand, sprichwörtlich. Sie ist Goldschmiedin, Handwerkerin, Ausbilderin, Juwelierin. Seit 25 Jahren öffnet sie mindestens fünf Tage pro Woche am Mühlenkamp 29 ihre Panzerglastüren – wenn es geklingelt hat. Hier, in der rückwärtig gelegenen Werkstatt, werden ihre Gedanken zu Entwürfen, zu Ringen, Ketten, Armbändern, Ohrhängern, Creolen, zu Schmuck-Unikaten. Alle zwei Jahre gibt es eine neue Kollektion – gerade dominiert das Thema Afrika mit einem Vierblatt als wiederkehrendem Motiv: Ohrstecker aus 18 Karat Roségold mit Brillanten für 850 Euro, ein rhodinierter Silberring für 490 Euro oder Ohrhänger aus 18 Karat Roségold mit Brillanten und Korallen-Pampeln für 3200 Euro.
„Die Inspiration dazu habe ich von einer Reise nach Äthiopien“, sagt von Spreckelsen, „das war unglaublich eindrucksvoll.“ Sie zeigt auf ihrem Handy Bilder, die erahnen lassen, wie die Ornament-Sprache auf den Schmuckstücken entstanden sein kann: Motive wie Hütten aus Reisig, durch die die Sonne fällt, Salzwüsten, Schwefellandschaften und aktive Vulkankrater in der nordäthiopischen Danakil-Wüste.
Ausbildung in London
Reisen gehört seit ihrer Ausbildung in London zu ihrem Arbeitsleben. Früher suchte sie sich die Ziele mit ihrem Ehemann Caesar von Spreckelsen aus, mit dem sie auch zusammengearbeitet und das Juweliergeschäft gegründet hatte. Doch dieser nahm sich im Jahr 2000 mit 43 Jahren das Leben. Ein Schock für die damals junge Mutter mit der neun Monate alten Johanna.
Nur zögerlich erinnert sie sich zurück, lange habe sie nicht mehr darüber gesprochen: „Am Anfang war es wahnsinnig schwer, ich war von einem Tag auf den anderen plötzlich alleinerziehend“, sagt von Spreckelsen. „Zudem war er eine starke Persönlichkeit, der Fokus lag auf ihm“, sagt die Goldschmiedin. Gemeint sind damit die Beziehungen in die Musikbranche, die damals dafür sorgten, dass die Spreckelsens opulente, auffällige Schmuck-stücke für Stars wie Madonna oder Placido Domingo kreierten. Oder die Eheringe für den Gitarristen und Sänger Lou Reed anfertigten. „Mein Mann kam aus der Kunst-Richtung, ich bin technisch ausgebildet, insofern war das eine gute Symbiose.“
Denn da nicht jeder Kunde solchen Schmuck braucht, der auch vom letzten Rang in einem Konzertsaal gut zu erkennen ist, war es Sylvia von Spreckelsens Aufgabe, die Entwürfe „tragbar zu machen“. Sie dachte ans Händewaschen, daran, wie ein Ring sein muss, dass er nicht abgelegt werden muss, wenn Frau eine Strumpfhose anzieht oder ohne Einschränkung einen Laptop bedienen möchte. Und in diesem Sinne machte sie weiter. Auch allein.
„Die Frage stellte sich mir ehrlich gesagt gar nicht. Für mich hatte das eine nichts mit dem anderen zu tun“, sagt sie ungekünstelt. „Es ist doch mein Beruf.“ Weiterentwickelt habe sie sich natürlich. „Weg von den schweren Einzelteilen, also beispielsweise von einem großen Ring hin zu vielen kleinen, die man übereinander am Finger stapeln kann.“ Sie selbst trägt sogar vier davon übereinander, zwei mit geprägten Ornamenten, die an Schlangenhaut erinnern, die weiteren sind schmaler mit Brillanten besetzt. Passen genau zu ihren Händen. Ebenso wie sie sich selbst gewandelt hat, sich vor acht Jahren in einen Mediziner verliebte und mit diesem seither glücklich in wilder Ehe in Eppendorf lebt, tat es auch ihr Umfeld am Mühlenkamp. „Als wir hier 1994 einzogen, war gerade die Post ausgezogen, noch zuvor gab es hier im ehemaligen Amol-Hof eine Tabletten-Fabrik“, sagt sie. Heute dominieren Gastronomie-Konzepte, hippe Pizzaläden, Saftbars und Bowl-Hotspots.
Juwelierin mag die kosmopolitische Gegend
Was ausgehhungrige jüngere Menschen anzieht. „Es ist eine kosmopolitische Gegend. Wenn ich hier auf die Straße gehe, höre ich immer unterschiedliche Sprachen, das gefällt mir“, so von Spreckelsen, die durch ihr junges Werkstatt-Team mit Goldschmiedinnen zwischen 22 und 26 Jahren und ihrer mittlerweile 19 Jahre alten Tochter, die Umweltmanagement in Den Haag studiert, immer am Puls der Zeit ist. Instagram-Account? „Äh, natürlich, schon lange.“ Online-Shop? „Waren wir als eine der Ersten dabei.“ Und: „Ich verkaufe sogar viel über WhatsApp“, sagt sie und lacht. „Das ist so einfach, ich schicke den Kunden rasch ein Foto vom Schmuckstück ins Büro, habe es vorher an meiner hübschen Mitarbeiterin fotografiert und zack ist es raus.“
Vielleicht ist es ihre Offenheit, ihre Umgänglichkeit, die sie allen Widrigkeiten trotzen lässt. Das Gespräch sei der Weg. „Für mich ist es auch okay, wenn die jungen Leute sich abends auf meine Stufen setzten und hier ihr Bier trinken“, sagt sie, „und wenn ich sie bitte, ihr Stillleben aus Kippen und Flaschen auch wieder mitzunehmen, dann machen sie das in der Regel auch.“ Insofern passt dieser alteingesessene Juwelierladen mit hochpreisigen Stücken zum jungen, pulsierenden Leben. „Neu ist, dass sich die jüngeren Menschen bei mir hereintrauen und sich etwas gönnen“, sagt sie. Die älteren und internationalen Kunden kämen weiterhin mit dem Taxi.
Denn was unverändert blieb, ist die Parkplatzsituation. Die war schon immer alles andere als hochkarätig.