Hamburg. Vor 400 Jahren gründete Hamburg seine erste Giro- und Zentralbank und wurde damit zu einem der führenden Finanzplätze der Welt.

Die Forderungen der Bürger vom 28. Januar 1619 sind dringlich, umfassend und wohlbegründet. Hamburg möge sich den Holländern und Franzosen anschließen, die mit den Türken „freie Schifffahrt und Losgebung der Gefangenen“ vereinbart haben. Weil die Justiz so langsam arbeite, solle ein dritter Richter her. Außerdem müsse der Rat der Hansestadt endlich die „Kipper und Wipper criminell verfolgen“.

Nicht alles klappt: Verträge mit dem „Erbfeind“ am Bosporus sind „reichsgesetzlich verboten“, und die beiden Ratsherren, die in Hamburg Recht sprechen, lehnen Verstärkung ab. Der Kampf gegen Geldfälschung und Währungsbetrug aber gelingt über die Maßen gut: Die allererste Hamburger Bank stoppt den bedrohlichen Münzschwindel, dämpft die gefährlichen Preissteigerungen und beflügelt außerdem den Handel durch eine neue Form der kaufmännischen Abrechnung – bargeldlos.

Die Gründung des Geldinstituts vor 400 Jahren als Giro- und Zentralbank ist ein entscheidender Schritt beim Aufstieg der Stadt zu einem der führenden Finanzplätze der Welt, gleichrangig mit Genua, Mailand, Venedig, Nürnberg und Amsterdam.

Die „Mark banco“ sichert den bargeldlosen Zahlungsverkehr

Nach dem Vorbild der holländischen „Wisselbank“ („Wechselbank“) nimmt auch das neue Institut im Rathaus an der Trostbrücke Geld in allen Währungen an. Die Beträge werden auf Konten gutgeschrieben und in andere Städte und Länder transferiert. Der Clou: Die Überweisungen erfolgen mit einer neuen Verrechnungseinheit, der „Mark banco“. Sie sichert den bargeldlosen Zahlungsverkehr ohne die sonst unvermeidlichen Kursschwankungen. Die Rechenwährung existiert nur in den Büchern der Bank und wird durch einen Fonds von Silberbarren gedeckt.

Die Hauptsorge der neuen Banker, die betrügerische Münzentwertung, grassiert kurz nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges 1618 überall im Deutschen Reich. Das Wiegen der Geldstücke heißt nach den Waagbalken „Wippen“, das Aussortieren „Kippen“. Gauner picken sich die besten Silbermünzen heraus und ersetzen sie durch Geldstücke mit hohem Anteil an minderwertigen Metallen wie Kupfer, Zinn oder Blei. Die Folgen des massenhaften Billiggeldes sind Inflation, Verarmung und Hunger.

Die Hamburger fordern den Rat deshalb nachdrücklich auf, die neue Bank müsse vor allem diese Betrügereien verhindern: „Es soll beständig darauf gehalten werden, dass in und außerhalb Bancos einerlei Geld sei, sonst wollen die Bürger nichts davon wissen!“, heißt es in ihrer Antwort auf den Ratsvorschlag vom 28. Januar. „Die Kipper und Wipper müssen criminell bestraft und ihre Namen der Cammer eingeliefert werden. Der Rath möge erforschen, wer so viel gutes Geld aus- und wer so viel schlechtes eingeführt habe …“

Die Geschäftsführung übernehmen zwei „Oberalte“

Dabei sind die Hamburger nicht zimperlich: Im Februar 1619 droht der Rat für „die Ausfuhr guten Geldes“ in besonders schweren Fällen sogar die Todesstrafe an. Trotzdem dauert es noch drei Jahre, bis die miesen Münzen aus dem Verkehr gezogen sind.

Bürgermeister ist damals Sebastian von Bergen (1554–1623). Er hat in Holland studiert und danach seiner Stadt als Gesandter in London, Paris, Kopenhagen und Stockholm gedient. Dem international erfahrenen Juristen ist die Aufgabe klar: „Hamburg muss sich vor dem Eindringen großer Mengen schlechten Geldes und dem durch das Aufwechseln bedingten Abwandern der für den Fernhandel unerlässlichen Taler besonders hüten“, erklärt der Historiker Konrad Schneider, „denn in der Stadt war in Form guter Reichsmünzen das begehrte Rohmaterial für die Heckenmünzen in Mengen vorhanden.“

Unter Bürgermeister Sebastian von Bergen, einem international erfahrenen Juristen, wurde die Hamburger Bank gegründet.
Unter Bürgermeister Sebastian von Bergen, einem international erfahrenen Juristen, wurde die Hamburger Bank gegründet. © Perthes, Besser & Mauke | Perthes, Besser & Mauke

Doch die Bürger kümmern sich nicht nur um die währungshygienischen Aufgaben der neuen Bank. Der Dienstsitz der Geldhüter im streng bewachten Rathaus beruhigt das Sicherheitsgefühl, und sie sorgen auch für sachkundige Manager. Die Geschäftsführung übernehmen – unentgeltlich – zwei Senatoren, zwei „Oberalte“ aus den Vorständen der fünf Hamburger Kirchengemeinden, zwei „Kämmereibürger“, die in die Finanzverwaltung der Stadt gewählt worden sind, und fünf „Bancobürger“, die bei der Bank ein eigenes Konto besitzen.

Ein letztes Zugeständnis Bismarcks an Hamburg

Dazu müssen sie mindestens „400 Mark lübisch“ eingezahlt haben. Die „Lübische Mark“ ist seit 1502 die Währung der „wendischen“ Hansestädte wie Lübeck, Hamburg, Wismar, Lüneburg, Rostock oder Stralsund. Die Münze enthält zehn Gramm Feinsilber im Wert von heute etwa fünf Euro. Sie ist heute so selten, dass Händler keine Preise nennen.

Am 20. November 1619 bekommt das neue Geldinstitut als Unterabteilung noch eine „Lehnbanco“ dazu, eine Leihbank, die gegen Pfand Kredite vergibt. Erste Kundin wird die Stadt selbst.

Die neue Währungssicherheit und Geldwertstabilität beendet die Inflation, dämpft die Preissteigerungen und vereinfacht den Handelsverkehr der Kaufleute. Prompt bringen die vielen englischen Merchant Adventurers, die portugiesischen Sephardim und die niederländischen Glaubensflüchtlinge, die damals an Elbe und Alster leben, große Mengen Kapital in die Bank ein. Während der Krieg überall im Reich Städte ausplündert und ganze Landstriche entvölkert, blüht Hamburg im Schutz seiner mächtigen Festungswälle auf.

Die überaus solide finanzierte Hamburger Bank ist eine ähnlich glückliche Investition wie die 22 steinernen Bastionen. Bis zum 31. Dezember 1875 bleibt sie ein Turm in der Schlacht um die wirtschaftliche und finanzpolitische Unabhängigkeit der Hansestadt. Erst vier Jahre nach Gründung des Deutschen Reiches wird sie in eine Filiale der Reichsbank umgewandelt. Doch weil sich die nord- und süddeutschen Länder nicht zwischen Gulden und Taler entscheiden können, zahlt man fortan im ganzen Reich genauso wie in Hamburg mit der „Mark“. Es ist ein letztes Zugeständnis Bismarcks an die Hamburger, die zäh um ihre Eigenrechte kämpfen.

Macht des Geldes

Um 1600 hatte Hamburg 40.000 Einwohner. Weil sich der einst mächtige Schutzbund der Hanse langsam auflöste, rettete sich die Stadt in eine Schaukelpolitik zwischen den nordischen Königen und dem Deutschen Reich.

Der überaus pprofitable Handel mit den Kolonialmächten Spanien und Portugal half der Stadt, sich immer wieder von Zugriffsversuchen der Dänen und Schweden freizukaufen.

1616 bis 1625 ließ sich Hamburg mit massiven Wallanlagen sichern. Danach zogen viele Kaufleute und Handwerker in den Schutz der Stadt, in der auch dank der Hamburger Bank die Wirtschaft boomte. Bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges stieg die Einwohnerzahl um 50 Prozent.