Hamburg. Ein Pärchen wird auf der Amsinckstraße von einem Auto erfasst – ein Mann stirbt. Die Polizei spricht von „dramatischer Häufung“.
Am Donnerstagabend freut sich das Paar auf ein paar schöne Stunden. Der 40-jährige Mann und seine 38-jährige Frau aus Bremervörde fahren gegen 19 Uhr mit der S-Bahn nach Hammerbrook, ohne ihre neun und elf Jahre alten Kinder. Sie wollen zu einem Konzert. Nur ein paar Straßen weiter steht im Mehr!-Theater das Wolfgang-Petry-Musical „Das ist Wahnsinn“ auf dem Programm. Doch beim Überqueren der Amsinckstraße zerbricht ihr gemeinsames Leben in einem Wimpernschlag.
Ein 55 Jahre alter Däne am Steuer eines Volvo erfasst das Paar mit seinem Auto frontal. Der Mann und die Frau werden durch die Wucht des Aufpralls durch die Luft geschleudert. Der Mann stirbt noch an der Unfallstelle. Es ist bereits der fünfte Verkehrstote in diesem Jahr, eine „dramatische Häufung“, wie es von Polizei und Politikern einhellig heißt. Die Polizei ist am Freitag noch mit der Rekonstruktion des Unfalls beschäftigt. Laut ersten Erkenntnissen ging das Paar bei Rot über die Hauptstraße. Die 38-Jährige wurde notoperiert, befinde sich aber nicht mehr in Lebensgefahr, heißt es. Sie konnte bislang aber noch nicht vernommen werden.
„Die Häufung von Unfällen ist nicht erklärbar“, sagte Polizeisprecher Ulf Wundrack. Die jüngste Tragödie weist jedoch Parallelen zu den vorigen tödlichen Unfällen seit Jahresbeginn auf. Alle vier Unfälle mit Pkw ereigneten sich in der Dunkelheit. Vier der fünf tödlichen Verkehrsunfälle passierten auf Hauptstraßen. Bei vier Unfällen waren nahe Fußgängerampeln nicht genutzt oder deren Rotlicht ignoriert worden. In allen Fällen hatte auch Fehlverhalten von den Fußgängern eine Rolle gespielt.
In der Silvesternacht starb ein Mann in Wilhelmsburg
Begonnen hatte die Serie von tödlichen Verkehrsunfällen keine vier Stunden nach Anfang des neuen Jahres in Wilhelmsburg. In der Schlenzigstraße war ein betrunkener Mann (38) von einem Audi erfasst und getötet worden.
Am 17. Januar kam auf der Glinder Straße, Ecke Mattkamp in Billstedt, eine Fußgängerin (31) ums Leben. Sie war bei Rotlicht hinter einem Fahrzeug, das abbiegen wollte, vor ein Auto gelaufen. Am 23. Januar erfasste ein BMW auf der Buxtehuder Straße in Harburg einen Fußgänger (66), der mit seinem Hund die vierspurige Hauptstraße überqueren wollte. Nur wenige Meter weiter befindet sich eine Fußgängerampel. Am 30. Januar war es eine 66 Jahre alte Frau, die auf dem Öjendorfer Damm von einem Mülllaster erfasst und getötet wurde.
Auffallend: Bei den Getöteten handelt es sich um Erwachsene im Alter von 31 bis 66 Jahren – also weder um sehr junge oder sehr alte Menschen, die bei der Polizei wegen erhöhter Risikobereitschaft oder Alterserscheinungen als Risikogruppe gelten. Bei zwei der Unfälle vor Donnerstagabend spielte aber auch eine Rolle, dass die beteiligten Autofahrer offenbar zu schnell unterwegs waren.
1990 gab es 105 Verkehrstote in Hamburg
Eigentlich verfolgt der Senat das Ziel, die Zahl der Verkehrstoten in Hamburg eines Tages auf null zu reduzieren. „Die Unfälle sind absolut tragisch und erschüttern mich“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Martin Bill. Er verwies darauf, dass die Zahl der Blitzer und Geschwindigkeitskontrollen bereits deutlich ausgebaut worden sei.
Tatsächlich befindet sich die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle in Hamburg seit Jahren auf einem stabilen Niveau. Im vergangenen Jahr kamen 29 Menschen bei 28 Verkehrsunfällen ums Leben. 2017 waren es 28 Verkehrstote, im Jahr davor 29. 2015 wurde mit 20 tödlich verunglückten Menschen sogar der niedrigste Stand seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Zum Vergleich: 1990 hatte es noch 105 Verkehrstote, zehn Jahre zuvor sogar 207 Verkehrstote in Hamburg gegeben.
Gefahr durch Rotlichtverstöße nicht zu unterschätzen
Ob die Stadt bereits genügend zur Verkehrssicherheit unternehme, wird sehr unterschiedlich bewertet. „Dass die Zahl der tödlich Verunglückten etwa trotz des stark wachsenden Fahrradverkehrs nicht entsprechend steigt, ist als erster Erfolg zu sehen“, sagt Christian Hieff vom ADAC. Der Automobilclub will auch seine Aufklärungsarbeit weiter verstärken. „Gerade die Gefahr durch Rotlichtverstöße ist nicht zu unterschätzen“, so Hieff.
Der CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering warnt eindringlich davor, „einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen“. Es fehle weiterhin ein städtisches Gesamtkonzept zur Verkehrssicherheit. „Wir wollen und können nicht akzeptieren, dass weiterhin Jahr für Jahr Menschen im Hamburger Straßenverkehr verunglücken.“
Dunkle Jahreszeit – die Polizei rät zu gut sichtbarer Kleidung
Der Grünen-Abgeordnete Martin Bill kündigte an, die Unfallgefahr in einer der nächsten Sitzungen des Verkehrsausschusses erneut auf die Tagesordnung zu setzen. „Es ist aber in den aktuellen Fällen wichtig, den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren, um weitere Maßnahmen in den Blick nehmen zu können.“
Polizeisprecher Ulf Wundrack betont, dass die dunkle Jahreszeit generell besondere Gefahren für alle Verkehrsteilnehmer mit sich bringe. Deshalb appelliere man gerade an Fußgänger und Radfahrer, gut sichtbare Kleidung zu tragen. „Unabhängig von der Jahreszeit sollte man immer aufmerksam am Verkehr teilnehmen – und als Fußgänger etwa Fußgängerampeln benutzen.“
Hinweise zum Unfallhergang nimmt die Polizei unter Telefon 040/ 428 65 49 61 entgegen.