Hamburg. Hochschule will unter anderem Stipendien für Postdocs einrichten und Studiengänge um einen allgemeinbildenden Teil erweitern.
Sie hatten die Sensation im September mit Sekt und Konfetti gefeiert – und sich dann rasch der nächsten Herausforderung gewidmet: Es ist eine spannende Zeit für etliche Mitarbeiter der Universität Hamburg, die völlig überraschend den Zuschlag für gleich vier „international wettbewerbsfähige Forschungsfelder“ bekommen hat. Denn mit der Entscheidung für diese sogenannten Exzellenzcluster einher ging ein weiteres Privileg im Zuge der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder: Bis zum 10. Dezember durfte sich die Hochschule um eine zusätzliche Förderung als Exzellenz-Universität bewerben.
Seit der Abgabe des Antrags konnte sich das Team um Uni-Präsident Dieter Lenzen aber noch nicht zurücklehnen, steht doch bald hoher Besuch ins Haus: Ab dem 31. Januar wird eine 20-köpfige Gutachtergruppe zwei Tage lang Hamburgs größte Hochschule unter die Lupe nehmen und bei zwölf Treffen die Meinungen von bis zu 200 Menschen hören, unter ihnen etwa die Dekane der Uni, Personalräte, junge Forscher, Kooperationspartner aus der Wirtschaft und Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider.
Zu dem Terminmarathon gehört auch ein Gespräch der Gutachter mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Dieser erklärte kürzlich, die Universität sei im 100. Jahr ihres Bestehens „bestens aufgestellt“ und habe gute Chancen, auch in der zweiten Phase des Wettbewerbs zu punkten.
Im Rennen um Elite-Titel können nur elf Unis gewinnen
Für „sehr schwer vorhersagbar“ hält hingegen Hausherr Dieter Lenzen die Erfolgsaussichten. „Es ist ein harter Wettbewerb“, sagt der 71-Jährige, der seit acht Jahren daran arbeitet, die in ihrer Forschung teilweise exzellente Hochschule zu einer größtenteils glänzenden Universität zu machen. Im Rennen um Elite-Titel können nur elf Unis gewinnen. Aber 19 Unis – darunter zwei Universitätsverbünde – konkurrieren miteinander. Unter den Bewerbern sind zehn Unis, die schon von 2012 bis 2019 als Elite-Hochschulen gefördert worden sind und Reformen vorantreiben konnten.
Der neue Wettbewerb soll bewirken, dass die ausgewählten Unis dauerhaft auf Top-Niveau arbeiten. Dafür müssen sie nicht nur darlegen, wie sie ihre Spitzenforschung ausbauen wollen, sondern unter anderem ihre Pläne für die Weiterentwicklung der Forschungsinfrastruktur und der forschungsorientierten Lehre präsentieren sowie für den Wissenstransfer in die Gesellschaft.
Uni Hamburg würde sich gerne 22 neue Maßnahmen bezahlen lassen
Die Gewinner können jeweils bis zu 15 Millionen Euro pro Jahr erhalten, zunächst bis 2026. Dann findet eine Bewertung statt. Bei guten Noten gibt es das Fördergeld für mindestens weitere sieben Jahre.
Die Universität Hamburg würde sich gerne 22 neue Maßnahmen bezahlen lassen. Dazu zählen etwa Stipendien für Postdocs, also promovierte Forscher, die noch keine Juniorprofessur bekommen haben und wegen der womöglich langen Wartezeit der Wissenschaft ade sagen könnten. Den Entdeckergeist an der Uni fördern soll zudem ein Ideen- und Risikofonds für eher gewagte, aber vielversprechende Forschungsansätze.
Eine weitere Maßnahme beträfe die Lehre. Insbesondere infolge des Bologna-Prozesses seien die Studiengänge an der Universität Hamburg inzwischen stark spezialisiert, sagt Lenzen. Er würde gerne jeden Studiengang um einen allgemeinbildenden Teil erweitern. „Damit würden unsere Absolventen die Garantie bieten, dass sie über den Tellerrand hinausgeschaut haben“, sagt Lenzen.
Lenzen teilt Befürchtungen von Uni-Mitarbeitern nicht
Exzellenz-Fördergeld beantragt hat die Uni zudem für eine Transfer-Agentur. Diese soll etwa dafür sorgen, dass sich Unternehmen künftig besser über die Forschung an der Hochschule informieren können und dass Uni-Forscher besser Bescheid wissen, wer neue Entwicklungen vermarkten könnte.
Dass die Universität Hamburg nach Exzellenz streben soll, stimmt nicht alle Mitglieder der Hochschule optimistisch, wie aus einer internen Online-Befragung mit dem Titel „Gemeinsam exzellent“ hervorgeht. Häufig als Risiken genannt wurden höhere Belastungen, ein Zwei-Klassensystem in Bezug auf finanzielle Mittel und Ansehen sowie Forschung zu Lasten der Lehre.
Allerdings beteiligten sich nur 19 Prozent von 570 Professoren und gerade mal 0,9 Prozent von knapp 39.000 Studierenden und Doktoranden, wodurch die Antworten nicht repräsentativ waren. Uni-Chef Dieter Lenzen teilt die genannten Befürchtungen nicht, sondern erwartet vielmehr Vorteile etwa für die Lehre: „Gute Forscher zu haben, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es gute Vorlesungen und Seminare gibt“, sagt er.
Die Uni hatte 215 Millionen Euro Fördergeld beantragt
Ein wenig getrübt ist allerdings seine Freude über den Zuschlag für die vier Exzellenzcluster zu neuen Einblicken in die Materie, zu Klimawandel und Gesellschaft sowie zur Physik des Urknalls und zur Erforschung von alten Manuskripten. Beantragt hatte die Uni insgesamt 215 Millionen Euro Fördergeld, die sie in den kommenden sieben Jahren von Bund und Ländern hätte erhalten können. Weil aber bundesweit mehr Exzellenzcluster gefördert werden, als es ursprünglich vorgesehen war, soll das Fördergeld für alle Cluster bundesweit um durchschnittlich 26 Prozent gekürzt werden.
Einigten sich Bund und Länder nicht auf eine Aufstockung, gäbe es laut Behörde für die Hamburger Cluster 55,2 Millionen Euro weniger. Die Entscheidung über die Exzellenz-Universitäten fällt am 19. Juli. Hätte die Uni Hamburg das Nachsehen, bekäme sie ein zweite Chance: Ab 2026 sollen nämlich nicht mehr nur elf, sondern bis zu 15 Hochschulen den Elite-Titel führen dürfen.