Hamburg. Mehr als 770.000 Temposünder erwischt. Stadt baut Geschwindigkeitskontrollen weiter aus – mit mobilen Blitzanhängern.

Schlechte Zeiten für Raser: Noch nie wurden auf Hamburgs Straßen so viele Auto- und Lkw-Fahrer geblitzt wie 2018. Nach Angaben der Innenbehörde lösten die stationären und mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen exakt 773.499-mal aus. Ein Anstieg von 21 Prozent gegenüber 2017, als 639.524 Tempoverstöße ermittelt wurden.

Auch die Einnahmen sprudeln: Insgesamt nahm die Stadt durch Verwarnungs- und Bußgelder 20,37 Millionen Euro ein – ein Plus von 29 Prozent gegenüber 2017.

Immer mehr Radarfallen gegen Raser in Hamburg

Der kräftige Anstieg hat einen Grund: Die Stadt hat in den vergangenen Jahren immer mehr Blitzer aufgestellt. Zu schnelles Fahren sei „eine der Top-Unfallursachen“, sagt der Leiter der Verkehrsdirektion der Polizei, Ulf Schröder. „Raserei führt jedes Jahr zu Verkehrstoten, Schwerst- und Leichtverletzten“. Überhöhte Geschwindigkeit ist tatsächlich die zweithäufigste Ursache für Unfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Mehr Menschen wurden in Hamburg nur bei Unfällen verletzt, die beim Rückwärtsfahren, Abbiegen oder Wenden passierten.

Im Kampf gegen Raser setzt der Senat deshalb verstärkt auf repressive Maßnahmen, sprich: mehr Geschwindigkeitsüberwachung. „Unser Ziel ist es, alle Verkehrsteilnehmer zur Rücksichtnahme anzuhalten und damit die Unfallgefahr weiter zu senken“, sagte Daniel Schaefer, Sprecher der Innenbehörde. Das gelte auch für die zuletzt verstärkten Fahrrad-Großkontrollen. „All diese Maßnahmen dienen am Ende nur einem Zweck: Dass wir alle unbeschadet von A nach B kommen“, so Schaefer.

Starenkästen werden 2019 modernisiert

Seit Jahren stockt die Stadt die Zahl der Blitzer auf. Allein 2018 wurden sechs neue stationäre Messgeräte aufgestellt – an den Standorten Theodor-Heuss-Platz, Nordkanalstraße/Anckelmannsplatz, Saarlandstraße 69, Sievekings­allee/Hammer Straße, Tarpenbekstraße und Willy-Brandt-Straße/Rödingsmarkt.

Die Stadt verfügt damit über 30 stationäre Blitzer, die allein zur Tempo-Kontrolle eingesetzt werden. Vier weitere Kombi-Messgeräte lösen auch bei Rotlichtverstößen aus. Hinzu kommen sechs Anlagen, die nur Rotlichtverstöße überwachen. Macht insgesamt 40 stationäre Anlagen.

Die alten „Starenkästen“, wie sie an der Stresemannstraße und der Wallstraße stehen, werden noch dieses Jahr durch die laserbasierten, säulenartigen Geräte ersetzt, die pro Stück mehr als 100.000 Euro kosten.

Sechs neue Blitzanhänger schafft Hamburg an

Zudem hat die Polizei im vergangenen Jahr die mobile Geschwindigkeitsüberwachung deutlich ausgeweitet. Hier stieg die Zahl der Anzeigen von 181.225 (2017) auf 260.371 im Jahr 2018 – ein Plus von fast 44 Prozent.

„Überhöhte Geschwindigkeit und die damit verbundene Aggressivität zerstört das rücksichtsvolle Miteinander von Fußgängern, Radfahrern und Autoverkehr“, sagt Schröder. Blitzer seien eine „wichtige Säule im Rahmen einer Gesamtstrategie, um die Sicherheit im Straßenverkehr weiter zu erhöhen.“

Dieses Jahr wird es zwar keine neuen stationären Blitzer geben, dafür erhält die Polizei sechs flexibel einsetzbare Blitzanhänger der Firmen Jenoptik und Vitronic. Zwei sollen noch im ersten Quartal zum Einsatz kommen. Mitte 2018 wurden zwei der Blitzanhänger getestet, sie lösten in nur sechs Wochen rund 28.000-mal aus. Die Anhänger sollen, so die Innenbehörde, flexibel an Unfallschwerpunkten, aber auch im Bereich von Schulen und Kindergärten eingesetzt werden.

Tempokontrolle mit positivem Effekt auf Unfallzahlen

Der Ausbau der Tempokontrolle habe bereits einen positiven Effekt, so die Behörde. An der Finkenwerder Straße zum Beispiel sei die Zahl der Verkehrsunfälle von 19 auf sechs zurückgegangen. Dort hatte die Stadt erst im Mai 2017 einen Blitzer aufgestellt – er avancierte mit Einnahmen von rund 1,2 Millionen Euro in nur sechs Monaten zum einträglichsten Messgerät in Hamburg überhaupt, noch vor dem Blitzer an der Stresemannstraße.

„Wir werden weiterhin mit aller Konsequenz gegen Temposünder vorgehen und legen mit den neuen mobilen Blitzanhängern noch einen drauf. Das ist ein klares Signal an Raser in unserer Stadt“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD). Wenige Rücksichtslose dürften nicht zur Gefahr für alle werden.

ADAC will Warnung vor Blitzern – aus "Fairness"

Der ADAC befürwortet die Überwachung mit Blitzern, wenn sie der Unfallverhütung dient. Blitzer sollten, so der ADAC, durch Schilder rechtzeitig angekündigt werden, etwa mit dem Warnhinweis „Achtung, Radarkontrolle“ – auch weil es die Fairness gegenüber Ortsfremden gebiete. „Autofahrer würden dann angepasst fahren, und die Stadt entginge dem Abzock-Vorwurf“, sagt ADAC-Hansa-Sprecher Christian Hieff.

Blitzen dürfe nur der Verkehrssicherheit dienen, sei aber keine Lizenz zum Abkassieren, sagt Dennis Thering von der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Die Einnahmen müssen zwingend in den Ausbau der Unfallprävention und in die Verkehrserziehung in Kindergärten und Schulen reinvestiert werden.“

Vor allem müsse die mobile Verkehrsüberwachung, gerade in den Nachtstunden, „massiv ausgeweitet“ werden. So könnten auch mehr Drängler und Rotlichtsünder überführt werden. Zudem ließen sich „Hardcore-Raser“ nur punktuell von stationären Anlagen bremsen. Thering: „In den letzten Jahren wurde fatalerweise nur ein Bruchteil der Einsatzstunden zwischen 22 und 6 Uhr abgeleistet. Hier ist die Innenbehörde am Zug. Sie muss die Polizei personell wie finanziell in die Lage versetzen, den Druck durch mobile Kontrollen noch weiter zu erhöhen.“