Zum Jubiläum bieten auch Hamburger Designer neue Kreationen.
Thonet Freischwinger, Wagenfeld Leuchte, Barcelona Chair oder Corbusier Liege – auch 100 Jahre, nachdem sie entworfen wurden, sind Bauhaus-Klassiker begehrte Einrichtungsgegenstände. Zwar machen sie nur vier Prozent aller Möbel aus. Doch aus den Wohnungen von Designliebhabern oder repräsentativen Büroräumen sind sie nicht wegzudenken. Weil sie zwar als industriell gefertigte Möbel für alle gedacht waren, von Anfang an aber nur in geringen Stückzahlen produziert wurden, ist Bauhaus-Interieur entsprechend teuer.
Vieles gilt daher als Statussymbol, und wird zum Schutz vor Plagiaten signiert und nummeriert. „Lizenznehmer wie Thonet, Knoll oder Tecnolumen achten sehr darauf, dass keine Fälschungen in Umlauf kommen“, sagt Heyco Hoops vom Hamburger Einrichtungshaus Gärtner. Der Innenarchitekt beschäftigt sich seit fast 40 Jahren mit Klassikern der Bauhaus-Ära und bescheinigt ihnen hohe Materialqualität und hohen Gebrauchsnutzen.
Zu den innovativen Materialien zählte vernickeltes Stahlrohr
„Viele Bauhaus-Möbel wurden mit Materialien produziert, die seinerzeit erstmals im Möbelbau eingesetzt wurden“, weiß Hoops. Die Produktion von Stahlrohr oder Eisengarn übernahmen damals Fachwerkstätten im Bauhaus, etwa die Metall- und Textilwerkstatt oder die Weberei. Auch hier waren kreative Künstler am Werk. So entwarf Marianne Brandt, die Leiterin der Metallwerkstatt, unter anderem die Teekanne MBTK 24 (Tecnolumen, versilbert um 3500 Euro, in Sterlingsilber 8900 Euro).
Zu den innovativen Werkstoffen gehörte vernickeltes Stahlrohr, das heute ein typisches Merkmal von Bauhaus-Möbeln ist. Einen besonderen Stellenwert nehmen die Freischwinger ein, die nicht nur vernickeltes Stahlrohr als neuen Werkstoff, sondern auch eine innovative Form besaßen: Der Designer Mart Stam, der 1931 mit dem S 43 den ersten Freischwinger überhaupt entwickelte, nahm dem jahrhundertelang nach ähnlichen Prinzipien geformten Möbelstück einfach die Hinterbeine weg (Thonet, ab 309 Euro).
Zu den innovativen Materialien des Bauhauses gehörte auch das Flechtwerk aus Rotang-Palme für den Weissenhofstuhl D4 von Mies van der Rohe (Tecta, um 1500 Euro), das mundgeblasene Glas der Wagenfeld Leuchte (Tecnolumen, um 400 Euro) oder der Eisengarn-Bezugsstoff des Wassily Chairs (Knoll, ab 1500 Euro). Eine völlig neuartige Form hatte auch der quadratisch anmutende Sessel F51, den Bauhaus-Gründer Walter Gropius 1920 für sein Direktorenzimmer entwarf. „Voluminös und mit frei auskragenden Armlehnen brach er mit allem, was man sonst in der damaligen Zeit an Sesseln kannte“, sagt Innenarchitekt Hoops.
Als Beispiel für den hohen Gebrauchsnutzen, der den Bauhaus-Möbeln eigen ist, nennt er den würfelförmigen Klapptisch M10 (Tecta, um 2000 Euro), der durch hochklappbare Seitenteile zum multifunktionalen Esstisch wird, und den Hocker B9 aus der Bauhauskantine, der heute als Tischchen verwendet wird (Thonet, ab 550 Euro), Auch Teekanne und Geschirr von Walter Gropius (Rosenthal) oder die Stapelboxen von Wilhelm Wagenfeld (Jenaer Glas) waren nicht nur designschön, sondern sehr praktisch.
Das Jubiläum nehmen etliche Designer als Anlass, das Bauhaus mit neuen Kreationen zu würdigen. So schuf der britische Modeschöpfer Paul Smith eine limitierte Strickwaren-Kollektion, die die bunten, grafischen Muster der Teppiche von Anni Albers aufgreift. Die Exponate der Bauhaus-Künstlerin hatte Smith in der Tate Modern gesehen und sich davon inspirieren lassen. Auch das Hamburger Design-Duo Besau Marguerre, das unter anderem an der Innenraumgestaltung der Elbphilharmonie beteiligt war, ehrt das Bauhaus: Anlässlich des Jubiläums hat es den S533F Freischwinger von Thonet neu interpretiert (um 2300 Euro).