Hamburg. Die Vergabe städtischer Grundstücke erfolgt künftig fast nur noch in Erbbaupacht. Der Senat soll neue Leitlinien erarbeiten.

Die Stadt plant einen weitreichenden Wechsel in ihrer Bodenpolitik. Künftig sollen städtische Grundstücke in der Regel im Erbbaurecht vergeben und nur noch in Ausnahmefällen an Investoren verkauft werden. In einem Bürgerschaftsantrag, der dem Abendblatt vorliegt, fordern SPD und Grüne vom Senat ein neues „bodenpolitisches Grundsatzkonzept“ – und legen dafür Eckpunkte fest. Diese gehen deutlich über die Ankündigung von Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) aus dem November hinaus, den Anteil der Vergaben im Erbbaurecht zu erhöhen.

Das neue Konzept soll sich laut SPD und Grünen an „Möglichkeiten einer gemeinwohlorientierten aktiven Liegenschaftspolitik“ orientieren. „Hierbei ist vorrangig die Leitlinie zugrunde zu legen, Grundstücksvergaben nach Erbbaurecht Grundstücksverkäufen vorzuziehen“, heißt es in dem Antrag. Das bedeutet: Städtische Grundstücke sollen nicht nur etwas häufiger als bisher verpachtet statt verkauft werden – sondern die Verpachtung soll künftig grundsätzlich Vorrang vor dem Verkauf haben.

Beim Erbbaurecht werden Grundstücke für lange Zeiträume, oft 75 Jahre, vergeben. In Hamburg sind laut dem Antrag bisher lediglich 4,3 Prozent (rund 1250 Hektar) der städtischen Fläche auf diese Weise vergeben. Der vom Nutzer zu zahlende Erbbauzins beträgt aktuell jährlich zwei Prozent des Bodenwerts.

Vor allem Mehrfamilienhäuser betroffen

Nach Vorstellung der Koalitionspartner soll die Stadt bei der Grundstücksvergabe an Investoren des Wohnungsbaus fortan auch stärker auf die Höhe der künftigen Mieten Einfluss nehmen. „Der Senat wird ersucht, zukünftige neue Erbbaurechtsverträge oder Erbbaurechtsverlängerungen bei bestehenden, nach Erbbaurecht vergebenen Grundstücken nur mit einer festgelegten Miethöhe und Bindungsfrist zu vergeben“, heißt es in dem Antrag. „Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob eine Obergrenze von maximal zehn Euro pro Quadratmeter auf mindestens zehn Jahre umsetzbar ist. Eine dynamische und angemessene Mietpreiserhöhung für weitere zehn Jahre nach Ablauf der Bindungsfrist ist zu prüfen und darzustellen.“

Kommentar: Boden ist keine normale Ware

Zudem soll Hamburg eng mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zusammenarbeiten, die jetzt vom früheren Chef der Hamburger Senatskanzlei, Christoph Krupp (SPD), geführt wird. Dieser hatte kürzlich in Aussicht gestellt, den Kommunen Grundstücke des Bundes für den Wohnungsbau zu verkaufen. Dieses Potenzial müsse auch Hamburg „im Sinne einer gemeinwohlorientierten Grundstücksverwaltung“ nutzen, heißt es im Antrag der Koalition.

„Mit unserem neuen Grundsatzkonzept werden wir den bevorzugten Gebrauch von Erbpacht festschreiben“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt. „Das bedeutet auch, dass die bisherige Praxis der Stadt, aktiv Erbbaurechtnehmern Grundstücke zum Kauf anzubieten, beendet wird. Hier wird nun die Verlängerung solcher Rechte im Vordergrund stehen. Alle Maßnahmen betreffen vor allem Grundstücke für beziehungsweise mit Mehrfamilienhäusern. Einzelne Ausnahmen kann es weiterhin geben.“

Maßnahme soll bezahlbaren Wohraum schaffen

Die SPD habe bereits mit Regierungsantritt 2011 „das Geschacher des CDU-geführten Vorgängersenats um Höchstpreise für Hamburgs Böden“ beendet, so Kienscherf. „Mit unserem Verfahren der Konzeptausschreibungen setzen wir auf eine nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung mit einer Mischung unterschiedlicher Wohnungsangebote.“ Seit 2011 seien bereits 50.000 neue Wohnungen in Hamburg entstanden, sagte SPD-Stadtentwicklungspolitikerin Martina Koeppen. „Diese Zahl wollen wir ausbauen.“

Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen sei „eine unserer wichtigsten politischen Aufgaben“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. „Dafür haben wir die Gangart im letzten Jahr deutlich verschärft: Wir erlassen soziale Erhaltungssatzungen und kaufen als Stadt Wohngebäude, bei denen Vermieter sich nicht an die entsprechenden Auflagen halten. Wir haben die Bindungsfristen für Sozialwohnungen deutlich verlängert und das Zweckentfremdungsverbot verschärft. Jetzt machen wir uns auf den Weg, die Bodenpolitik in Hamburg zu verändern. Wir wollen, dass die Stadt Hamburg eine gemeinwohlorientierte und aktive Bodenpolitik betreibt.“

Hamburg müsse wieder „zunehmend den Hamburgerinnen und Hamburgern gehören“, so Tjarks. „Deswegen nehmen wir nach und nach Abstand vom Verkauf städtischer Grundstücke und machen mit diesem Antrag die Vorgabe, städtische Grundstücke vorrangig im Erbbaurecht zu vergeben. Das ist ein deutliches Signal und ein klarer Auftrag: Wir wollen damit die Stadtentwicklung sozialer gestalten und zukünftigen Generationen mehr Möglichkeiten an die Hand geben, Hamburg im Sinne seiner Bürgerinnen und Bürger zu gestalten.“

Konzept soll bis September stehen

Grünen-Stadtentwicklungspolitiker Olaf Duge sagte, die „grundsätzliche Vergabe städtischer Flächen im Erbbaurecht anstelle des Verkaufs“ sei „eine der nachhaltigsten Maßnahmen, um Grund und Boden vor Spekulation zu schützen und den schleichenden Ausverkauf städtischer Handlungsfähigkeit zu beenden“. Auch „junge Wohnprojekte und Genossenschaften“ bekämen so die Chance, über die Erbpacht Wohnraum zu finanzieren.

Der Antrag soll im Januar in der Bürgerschaft beschlossen werden. Bis Ende September soll der Senat das neue Grundsatzkonzept vorlegen.