Hamburg. Andrang auf neue Briefmarke und Sonderstempel im Rathaus. Auch mit Geburtstagsandacht im Michel wurde an den Altkanzler erinnert.
Als „Vom Himmel hoch“ mit fulminanter Kraft durch den Michel hallte, fühlte sich nicht nur Hauptpastor Alexander Röder an ein Geburtstagsständchen erinnert. Diese Toccata war der musikalische Ausklang einer Mittagsandacht im Gedenken an den Staatsmann Helmut Schmidt. Es folgte Gottes Segen. Der Hanseat und Ehrenbürger hätte am 4. Advent seinen 100. Geburtstag gefeiert.
Diese Zeremonie und ein im Rathaus geöffnetes Postamt mit Schmidt-Sonderbriefmarke und Extrastempel waren die vorfestliche Ouvertüre. Genau zwei Monate später, am 23. Februar 2019, steht im Großen Saal der Elbphilharmonie ein Festakt zum 100. Geburtstag auf dem Programm. Schmidt hielt es zu Lebzeiten ebenso: Erst im kleineren Rahmen mehr privat feiern. Die offiziellen Festivitäten gingen später über die Bühne, nach Weihnachten und diversen Neujahrsempfängen.
Dem "preußischen Hanseaten" Schmidt hätte es gefallen
Die ersten Gratulanten in der Rathausdiele waren am gestrigen Sonntag zwei elf Jahre alte Hamburgerinnen: Lilian von Bandemer aus der sechsten Klasse des Helene-Lange-Gymnasiums und ihre Freundin Julie Flohr von der Max-Brauer-Schule standen ganz vorn in der Schlange vor dem Sonderpostamt Rathaus. Und wer bis jetzt noch an der Bedeutung des Altkanzlers in seiner Heimatstadt zweifelte, konnte am Sonntag um 10.45 Uhr dazulernen: Mehr als 200 Bürger warteten vor dem Portal auf Einlass – in Reih und Glied, so, wie es dem „preußischen Hanseaten“ Schmidt gefallen hätte. Ob des Nieselregens ließ Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) die Besucher vorzeitig ins Foyer. Das macht die „richtige“ Post nie.
Drinnen traten die Dienstleister der Post ihren mobilen Dienst hat. Christian Oldenburg, Matthias Schwarz und Dieter Stephan hatten alle Hände voll zu tun, die zum Nennwert von 70 Cent verkauften Schmidt-Marken mit dem Sonderstempel zum 100. Geburtstag zu versehen. Auch wegen des enormen Andrangs setzte sich Frau Veit kurzentschlossen daneben – und stempelte mit. Zuvor hatte sie das Amt mit einer kurzen Ansprache offiziell eröffnet. Wer wollte, konnte Geburtstagsbriefumschläge für zwei Euro, Ersttagsblätter für 90 Cent oder Jubiläumsbriefe (4,50 Euro) erwerben. Teuerstes Erinnerungsstück war ein mit Briefmarke plus Gedenkmünze ausgestatteter „Numisbrief“ für 9,80 Euro.
Die Lebenslinie von Helmut Schmidt
Im Michel wurde auf Tamtam bewusst verzichtet
Am Rande begutachteten Lilian von Bandemer und Julie Flohr ihre neuen, von väterlicher Seite gesponserten Schätze. Beide Mädchen trugen rote Polohemden mit der Aufschrift „Junge Briefmarkenfreunde Hamburg“. Jeden zweiten Dienstag trifft sich der philatelistische Nachwuchs. „Sammeln macht Spaß“, sagte Lilian unter zustimmendem Nicken von Julie. Stolz zeigten beide ihr gemeinsames Tauschalbum. Helmut Schmidt kommt zu Hause in die Alben mit den Raritäten.
Während der Andrang vor dem Sonderpostamt kaum abebbte, verabschiedete sich die Hausherrin: auf in den Michel! In der weihnachtlich geschmückten Hauptkirche hatten sich gut 400 Gäste versammelt, um ihres früheren Mitbürgers Helmut Schmidt zu gedenken. Auf Tamtam wurde bewusst verzichtet. Dafür standen feierliche, nicht allzu getragene Musik sowie drei kurze, gehaltvolle Reden auf dem Programm. „Schmidt und Bach, das passt musikalisch zusammen“, sagte Hauptpastor Alexander Röder. Dann intonierte Christoph Schoener an der Orgel Johann Sebastian Bachs Praeludium in G-Dur, bevor Kirchenmusikdirektor Manuel Gera Improvisationen präsentierte.
Im Februar folgt ein Festakt in der Elbphilharmonie
Carola Veit bezeichnete Schmidt als „klugen Mann mit unbestreitbaren Verdiensten und Fähigkeiten, der schnörkellos sagte, wo es langgeht“. Stefan Herms, Geschäftsführender Vorstand der Helmut und Loki Schmidt-Stiftung, bezeichnete den Weltbürger aus Langenhorn als „einen der wirkungsmächtigsten Publizisten“, dessen Stimme die Menschen Gehör schenkten.
„Helmut Schmidt kam wegen der Musik oft in den Michel“, erinnerte Pastor Röder vor dem gemeinsamen Vaterunser. Die Musik habe „die Zwiesprache mit Gott für ihn übernommen.“ An den Ausgängen suchte die Stiftung St. Michaelis weitere Spender für eine „Helmut-Schmidt-Tafel“ vor der Kirche. Da bisher schon 62 von 69 benötigten Unterstützern mit mindestens 300 Euro dabei sind, wird wohl eine zweite Erinnerungstafel in Angriff genommen. Es wäre das erste Mal.
Während das Sonderpostamt am Sonntag um 17 Uhr seinen Dienst einstellte, laufen die Vorbereitungen für den Festakt am 23. Februar 2019 mit 1500 geladenen Gästen weiter. Gastgeber in der Elbphilharmonie sind der Senat sowie die Schmidt-Stiftung. Neben dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und einem Redner aus dem Ausland werden frühere Weggefährten Schmidts erwartet. Auch die Big Band der Bundeswehr ist dabei. Sie wurde einst auf Initiative des Verteidigungsministers Helmut Schmidt gegründet.