Hamburg. Frank-Walter Steinmeier kam, um die Einrichtung bekannt zu machen, warb um Spenden und lernte, wer den Adventskranz erfand.
Als bei der Gesprächsrunde im Rahmen des Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Thema Fußball aufkommt, betont Peter Tschentscher (SPD), er hoffe, dass sowohl der HSV als auch St. Pauli noch diese Saison in die Erste Liga aufsteigen. Yannick Ludewig, der eine autistische Störung hat, schaut Tschentscher an und sagt: „Herr Bürgermeister, Sie müssen realistisch bleiben ...“ Der 26-Jährige lebt seit drei Jahren in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft, die zur Stiftung Das Rauhe Haus gehört.
Steinmeier besuchte am Montagmorgen das historische Stiftungsgelände im Stadtteil Horn. „Ich komme in der Adventszeit, um die Einrichtung bekannter zu machen“, sagte Steinmeier, der hofft, dass durch seinen Besuch Menschen in Betracht ziehen, solche Angebote in der Weihnachtszeit mit Spenden zu unterstützen. Tschentscher, der Steinmeier gemeinsam mit Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) begleitete, lobte das Engagement der Stiftung.
Das Rauhe Haus wurde 1833 gegründet
Das Rauhe Haus wurde 1833 von Johann Hinrich Wichern, einem evangelischen Sozialreformer und Kirchenvater des 19. Jahrhunderts, gegründet. Wicherns pädagogische, vor allem aber seine missionarischen und sozialpolitischen Aktivitäten zogen über Hamburg hinaus Kreise und gaben 1848 auf dem Wittenberger Kirchentag den Anstoß zur Gründung der „Inneren Mission“, dem Vorläufer all dessen, was heute als Diakonie bekannt ist.
Heute betreut das Rauhe Haus in verschiedenen Einrichtungen Kinder und Jugendliche, alte Menschen, geistig Behinderte und psychisch Kranke. Zur Stiftung gehören auch die Wichern-Schule, die Evangelische Berufsschule für Altenpflege und die Evangelische Hochschule für soziale Arbeit und Diakonie.
„Hamburg ist bekannt für seine wirtschaftliche Stärke und Deutschlands größten Seehafen“, sagte Tschentscher. Aber auch ein großer sozialer Zusammenhalt zeichne die Hansestadt aus. Der diakonische Gedanke wurde durch die Stiftung von Hamburg in die ganze Welt getragen. „Wenn der höchste Repräsentant des Staates das würdigt, kann man hoffen, dass es Nachahmer geben wird“, sagte Tschentscher.
Bei ihrem Besuch machten sich die Politiker zunächst ein Bild vom Stiftungsgelände und den Einrichtungen. Anschließend führten die Schauspieler des Klabauter Theaters einen Ausschnitt aus einem Stück auf. Das inklusive Ensemble besteht aus zwölf Menschen mit Behinderung, die alle eine Schauspielausbildung abgeschlossen haben und hauptberuflich als Darsteller arbeiten. „Viele Behindertenwerkstätten sind Sonderwelten, bei denen kein Kontakt nach außen stattfindet“, sagt die künstlerische Leiterin Dorothee de Place. Bei dem im Rauhen Haus gegründeten Theater handele es sich dagegen um einen Ort des kulturellen Austauschs.
Im Anschluss an das Schauspiel sprachen die drei Besucher an thematisch getrennten Tischen mit Beteiligten der drei Stiftungsbereiche Bildung, Teilhabe mit Assistenz sowie Kinder- und Jugendhilfe. Dabei lernten sie unter anderem, dass der Adventskranz vom Gründer des Rauhen Hauses erfunden wurde. Und, eben auch, dass der Bürgermeister beim Thema Fußball realistisch bleiben muss.