Hamburg . Elf Jahre alter Sohn findet die Leiche nach schrecklicher Tat in der Wohnung. 49-Jähriger hatte die Frau zuvor bereits angegriffen.

Zuerst glaubt der Elfjährige noch, seine Mutter schlafe nur. Er kommt am Mittwoch gegen 13 Uhr von der Schule nach Hause an die Eckernförder Straße, geht durch die Wohnung. Der Anblick im Schlafzimmer zerstört seine gesamte Welt. Der leblose und blutüberströmte Körper der 42-jährigen Juliete H. liegt auf dem Boden. Sie wurde bestialisch getötet – offenbar vom Vater des Jungen.

Die Polizei stellt mehrere Messereinstiche am Körper und einen Schnitt am Hals der Frau fest. An der Wohnungstür gibt es keine Spuren von Gewalteinwirkung. Schnell gerät Marc H. in Verdacht, der getrennt lebende Ehemann der Frau. Die Fahnder können ihn noch am Mittwochnachmittag in seiner Wohnung an der Elsässer Straße in Dulsberg festnehmen. „Es ist Haftbefehl wegen dringenden Tatverdachts gegen den Mann erlassen worden“, bestätigte die Oberstaatsanwältin Nana Frombach am Donnerstag. Der Vorwurf: Totschlag.

Kinder der getöteten Frau sind 7, 11, 14 und 18 Jahre alt

Juliete H. hinterlässt vier Kinder im Alter von sieben, elf, 14 und 18 Jahren. Sie werden vom Kinderjugendnotdienst (KJND) und dem Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes betreut. Ob die minderjährigen Kinder dauerhaft in staatliche Obhut genommen werden, steht noch nicht fest. Die Getötete kommt aus Ghana, wird als sehr fröhlich, freundlich und hilfsbereit beschrieben. „Sie engagierte sich mit ihren Kindern in der katholischen Kirchengemeinde“, sagt ein Nachbar.

Auch ihr neuer Lebensgefährte war demnach häufig in dem Hochhaus zu Besuch. Der leibliche Vater der beiden jüngsten Söhne wurde dort jedoch zuvor nicht gesehen. Juliete H. schien ihr Glück ohne Marc H. gefunden zu haben, der bereits zuvor starke Aggressionen gezeigt hatte. Die Hilfe der staatlichen Stellen dagegen reichte offenbar nicht aus.

Vater hatte die Frau voher schon auf brutalste Weise attackiert

Wie es aus Behördenkreisen heißt, hatten sich Vater und Mutter getrennt, nachdem er sie am 6. September 2017 auf brutale Weise attackiert hatte. Laut Staatsanwaltschaft schlug Marc H. der Frau damals ins Gesicht, traktierte sie mit einem Elektroschocker am Oberkörper und drohte ihr, er werde sie umbringen. Außerdem habe er sie gewürgt. Erst vor 14 Tagen erhob die Staatsanwaltschaft deshalb Anklage gegen Marc H. – ein entsprechendes Schreiben sei bislang aber nicht zugestellt worden. „Entsprechend scheidet dies als Auslöser für die jetzige Tat aus“, heißt es aus Behördenkreisen.

Nach Abendblatt-Informationen wurde Juliete H. nach dem ersten Vorfall vom Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) für Frauenhäuser betreut. Erst vor wenigen Monaten zog sie mit ihren Kindern in die neue Wohnung an der Eckernförder Straße, sagen Nachbarn. Ihre beiden älteren Kinder stammen aus einer früheren Beziehung in Ghana.

Marc H. durfte sich nur auf maximal 50 Meter Entfernung nähern

Nach den Akten bei Gericht schien sich auch das Verhältnis zwischen Juliete H. und ihrem Mann entspannt zu haben. Bis März galt noch eine einstweilige Verfügung, nach der sich Marc H. der Frau nur auf maximal 50 Meter Entfernung nähern durfte. Auch eine Kontaktaufnahme war verboten. „Es ist kein Antrag der Frau eingegangen, um die Anordnung zu verlängern“, so ein Gerichtssprecher.

Bereits im Herbst 2017 hatten sich beide außerdem im Streit um das Sorgerecht für die gemeinsamen Söhne geeinigt. Nach Abendblatt-Informationen erklärte sich Marc H. bereit, auf regelmäßigen Umgang mit den Kindern zu verzichten. Auch bekam sie vorläufig das alleinige Sorgerecht.

In Behördenkreisen wurde vor der Tat davon ausgegangen, dass Marc H. nicht einmal genau wisse, wo Juliete H. inzwischen mit ihren Kindern lebte. Anhand der Spuren ist wahrscheinlich, dass sie ihm am Mittwoch zwischen 7.50 Uhr und 13 Uhr selbst die Tür zur Wohnung öffnete. Nach unbestätigten Angaben soll es einen länger andauernden Streit um das Kindergeld für die Söhne gegeben haben. Ob Marc H. seine Ehefrau mit einem Messer aus ihrer Wohnung tötete oder die Tatwaffe mitbrachte, ist noch nicht bekannt.

Bereits die zwölfte schwere Beziehungstat in diesem Jahr

In Hamburg wurden seit Januar bereits zwölf schwere Beziehungstaten öffentlich. Erst im Oktober hatte ein 29-Jähriger im Studentenwohnheim an der Borgender Straße seine Freundin (23) im Streit erwürgt. Anschließend sprang er aus der Wohnung in den Tod. Derzeit steht der 33-jährige Mado M. vor Gericht, weil er im April seine Tochter und seine Ex-Freundin am Jungfernstieg getötet hatte. Ihr dreijähriger Sohn musste die Tat mit ansehen.

Laut dem Traumaexperten An­dreas Krüger vom Therapiezentrum Ankerland wird der Junge, der im aktuellen Fall die Leiche fand, nahezu sicher eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. „In seinem Alter besteht aber bereits ein ausgeprägtes Verständnis für die Welt und Zusammenhänge. Das ist bei der Verarbeitung prognostisch besser als bei einem Kleinkind.“ Auch wenn ein Trauma überwunden würde, blieben jedoch die Eindrücke. „Die Bilder werden ihn bei erfolgreicher Behandlung nicht immer wieder wie Hammerschläge treffen. Aber sie werden bleiben und ihn belasten, bis zum Lebensende.“