Hamburg. In Mitte und Nord ist Außengastronomie in den kalten Monaten verboten. Dehoga findet Regelung „nicht nachvollziehbar“.
Für Karl Schulz (Name geändert) ist es ein lieb gewordenes Ritual. Er verlässt sein Büro gern für eine Pause und geht an den Großen Bleichen einen Cappuccino trinken. Dazu setzt der Hamburger sich einen Moment hin. Weil es gemütlicher ist als ein Kaffee im Stehen oder Gehen. Seit Anfang November ist es aber vorbei mit der Gemütlichkeit. Nicht, weil etwa das Wetter plötzlich schlecht wäre, sondern weil der Bezirk Hamburg-Mitte in den Wintermonaten keine Außengastronomie gestattet. Karl Schulz hat dafür kein Verständnis: „Es ist doch Sache des Publikums, ob es an warmen Tagen, die es im Zuge der Klimaänderung auch und gerade in den Wintermonaten gibt, im Freien sitzen will“, sagt der Kaffeeliebhaber.
Doch das Bezirksamt Mitte hat ihm nach seiner schriftlichen Beschwerde die Regelung umfänglich erläutert. Der Genehmigungszeitraum vom 1. März bis 31. Oktober eines Jahres sei ja mit acht Monaten schon weit gefasst, heißt es darin. In den vier Wintermonaten von November bis Februar sei die Nachfrage nach außengastronomischen Angeboten zudem erfahrungsgemäß erheblich reduziert. „Insofern ist hier dem Interesse der Allgemeinheit nach uneingeschränkter Nutzung der betreffenden öffentlichen Wegeflächen Vorrang einzuräumen. Auch geht es weiter darum, eine verfestigte, ganzjährige Privatnutzung einer öffentlichen Wegefläche zu vermeiden und den unmittelbaren Anwohnern Entlastung von gastronomischer Betriebsamkeit unterhalb ihrer Fenster zu verschaffen.“
Gastro-Winterpause auch im Bezirk Nord
Wer Stühle und Tische im öffentlichen Raum aufstellen will, braucht gemäß Paragraf 19 Abs. 1 Hamburgisches Wegegesetz (HWG) eine Erlaubnis, deren Erteilung liegt im Ermessen des jeweiligen Bezirksamtes, einen Anspruch auf Erteilung gibt es nicht. Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirks Mitte, verteidigt die Praxis in Mitte und betont, wer jetzt immer noch seine Stühle und Tische draußen habe, betreibe unerlaubte Sondernutzung, die mit einem Bußgeld bestraft werden könne. Nur Stehtische seien im Winter genehmigungsfähig.
Auch im Bezirk Nord gibt es die zwangsweise Gastro-Winterpause. In den Bezirken Altona, Wandsbek, Harburg, Bergedorf und Eimsbüttel ist man deutlich großzügiger und hat offenbar keine Angst vor der gastronomischen Betriebsamkeit, denn in den fünf Bezirken gibt es keine Einschränkungen. Eine Sprecherin aus dem Bezirk Eimsbüttel sagte allerdings: „Die Antragsteller beantragen die Wintermonate zumeist von sich aus nicht mit. Vereinzelt werden für die Wintermonate zwei bis drei Stehtische für Raucher mitbeantragt.“
Ulrike von Albedyll, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, sagte dem Abendblatt, das Argument der Ruhestörung durch Außengastronomie sei schwer zu verstehen: „Gerade die Innenstadt ist eine Gegend, in der es viele Büros, aber nur wenige Wohnungen gibt.“ In Altona oder Ottensen, wo viele Menschen wohnten, sei das Sitzen im Freien dagegen erlaubt. „Ich kann diese Winterregelung überhaupt nicht nachvollziehen“, sagte von Albedyll.
Genehmigungsprozess hinterfragen
Jan-Peter Uentz-Kahn, Sprecher des Bezirks Nord, kündigte an: „Wir werden das zum Anlass nehmen, den Genehmigungsprozess zu hinterfragen.“ Bei einer der nächsten Runden mit den anderen Bezirken werde man die unterschiedliche Handhabung besprechen.
Eine Mitarbeiterin von Balzac Coffee an der Danziger Straße sagt, „wir hätten die Sitzplätze draußen auch im Winter eigentlich dringend nötig, da wir zu bestimmten Uhrzeiten sehr voll sind. So können wir den Leuten weniger Sitzplätze zur Verfügung stellen.“ Ein Kellner im Burger-Restaurant Peter Pane in der Langen Reihe hält die Winterregelung für Unsinn: „Auch im Winter gibt es Tage mit super Wetter, an denen die Leute gerne an der frischen Luft sitzen würden.“ In der nahe gelegenen Stadtbäckerei sagt eine Verkäuferin: „Bei uns wirkt sich die Vorschrift zum Glück nicht negativ auf das Geschäft aus, da wir viele Sitzmöglichkeiten innen haben und auch einen kleinen Hinterhof, der zum Grundstück gehört.“
Karl Schulz hat seinen Ärger in ein humorvolles Gedicht verpackt: „ ... es ist die Verfestigung, die uns bedroht. Ganz Hamburg-Mitte käme in Not, wenn winters der Gast draußen sitzen tät dürfen, nein stehend, nur stehend ist der Kaffee zu schlürfen ...“
(Mitarbeit: Leonore Heinemann)