Hamburg. Teil 15: Die 42 Kilometer lange Veloroute 14 bleibt als äußerer Ring wohl noch länger ohne durchgängig erkennbare Infrastruktur.

Den Umweg nehmen, einmal außen herum: Wer so Fahrrad fährt, ist selbst schuld – oder Genussfahrer. Wobei von Genuss keine Rede sein kann auf der Veloroute 14, die schon auf dem Papier einen recht umständlichen Halbkreis beschreibt. Die kürzeste Verbindung von Ost nach West und umgekehrt? Ist dieser Radweg nicht. Dafür streift er schön viele Hamburg-Klischees – vom tiefsten Othmarschen mit hoher Land-Rover-Dichte über die neuen Sozialbauten in Eidelstedt, die fast schon amerikanische Vorstadtidylle Niendorfs bis zum kleinen Orient in Billstedt.

Noch ist diese Route, die in Zukunft fast alle anderen Velorouten vernetzen soll, vor allem eines: ein großes Abenteuer. Sie ist auf kompletter Länge nur Radfahrern zu empfehlen, die Pionierarbeit leisten wollen, sich gern an Hauptstraßen aufhalten, in ständiger Hab-Acht-Stellung unterwegs sein möchten, Schnitzeljagden mögen oder keine komfortable Radinfrastruktur brauchen, um glücklich in Stadtteile zu gelangen, die man nur vom Namen kannte. Die Wege stammen aus dem 20. Jahrhundert und – wo nicht – ist fast alles dabei außer Asphalt neuester Bauart: Schotter, Wurzelberge, grobes Pflaster, feines Pflaster, kratergroße Bodenwellen, viel Hauptverkehrsstraße. Von den 42 Kilometern Strecke sind bisher 365 Meter neu ausgebaut. Folglich ist die Veloroute 14 momentan noch ein hartes Stück Arbeit, wird nicht bis 2020 fertig und insofern nur ein Fall für besonders masochistisch veranlagte Radfahrer.

Außer Asphalt ist alles dabei

In Othmarschen, am offiziellen, relativ willkürlich festgelegten Startpunkt (Parkstraße), ist die Welt aber noch in Ordnung. Auf wohlklingenden Wohnstraßen (Seestraße, Windmühlenweg) geht es auch ohne Radwege an der Flottbeker Kirche und dem Tennisclub Vier Jahreszeiten vorbei. Hier ist nichts (außer Villen), hier stört nichts (außer Vogelgezwitscher), Radfahrer und (zahlenmäßig überlegene) Land Rover pflegen eine friedliche Koexistenz. Es wird sogar gegrüßt.

Wer es unfallfrei über die Osdorfer Landstraße geschafft hat, bekommt jedoch schon am Eisenkrautweg nicht nur verbal die Stoßrichtung aufgezeigt: Die Rüttelpassage auf alten Steinen endet im Schotterweglabyrinth des Lise-Meitner-Parks hinter dem Desy-Gelände. Ein Baumstamm da, Fußgänger hier, Glas zwischen dem Schotter. „Das ist alles, aber nicht veloroutenwürdig“, sagt Dirk Lau, ADFC-Experte. Gut, dass es auf den (asphaltierten) Rest des Blomkamps und dann in Schlängellinien auf Wohnstraßen bis zur Elbgaustraße geht. Zwar alles ohne Radwege, aber man wird auf der „14“ schnell bescheiden.

„Im Bezirk Altona existiert die Veloroute noch nicht mal auf dem Papier. Außer für die Elbgaustraße, die laut Behörde erst nach 2020 dran ist, sind keine Planungen bekannt“, sagt Lau. Über diese Elbgaustraße, ein vierspuriger Hauptverkehrsweg, können Radfahrer – Stand heute – auch nur den Mantel des Schweigens legen. Sie ist kein guter Ort. Radler haben die Wahl zwischen miserablen Hochbordwegen oder viel befahrener, anstrengender, gefährlicher Straße. Vor lauter Anstrengung kann man da leicht die Abfahrt in den Niekampsweg verpassen. Kurz vorher, am S-Bahnhof Elbgaustraße, beginnt Eimsbüttel – und damit die Hoffnung des ADFC.

Am Heidlohweg wird es anstrengend

„Auf der Pinneberger Chaussee – von Jaarsmoor bis Baumacker – sind immerhin 140 Meter Radfahrstreifen in Planung“, sagt Lau. Bisher ist die Linienführung aber Kraut und Rüben. Ohne Navigationshilfe, die etwa an die hübsche Passage durchs Jaarsmoor erinnert, wären Radfahrer verloren. Im Mischverkehr geht es in der Tempo-30-Zone Baumacker und dem Pflugacker vorbei an den neuen Bauten des Hörgenswegs und über die A 23 relativ entspannt voran. Die abrupt rechts abknickende Abfahrt in den Brummerskamp ist dann wieder nur etwas für Furcht­lose mit Gottvertrauen. Wer’s schafft, wird mit der Vorbeifahrt am Jugendzentrum des magischen FC St. Pauli und einer längeren Geradeauspassage (ohne Radwege) auf dem Graf-Johann-Weg belohnt.

Anstrengend wird es am Heidlohweg, der Frohmestraße und der Querung der Friedrich-Ebert-Straße. Viel Verkehr, wenig Radweg. Als Kontrast wartet das Vorstadtidyll Niendorf. In Jägerdamm, Andreasberger Weg, Nordalbinger Weg und Emmy-Beckmann-Weg ist der Radfahrer (fast) allein. Den Zickzackschwenk vom Ohmoor in den König-Heinrich-Weg hätte man sich sparen können, aber irgendwie muss man wahrscheinlich auf den unangenehmen Garstedter Weg kommen. „Was an Frohmestraße (420 m), Garstedter Weg (400 m) und Quedlinburger Weg (1200 m) passieren soll, weiß die Behörde noch nicht“, konstatiert Lau. Der geplante 1,6 Kilometer lange Mischverkehr zwischen Spanischer Furt und Sellhopsweg sei aber besser als nichts.

Bitte fahren Sie weiter

Außergewöhnlich wird’s am KrohnstiegTunnel nebst autobahnähnlicher Schneckenauffahrt dahinter. Unter die Landebahn des Flughafens muss man sich trauen, der Radweg in das dunkle Loch ist – immerhin vorhanden. Was folgt, ist schnell erzählt: der Ring 3. Bis zum Saseler Markt holpert man zehn Kilometer über Hauptverkehrsstraßen. Das heißt: Autos nutzen die Fahrbahn, Räder das, was sonst da ist. Meist handtuchbreite, verknotete Rad- und Gehwege. Prädikat: nur bedingt empfehlenswert.

„Im Bezirk Nord gibt es dann eine echte Veloroutenplanung zu feiern“, sagt Lau. „Nämlich für einen ganzen Kilometer im Abschnitt Gehlengraben, Poppenbütteler Weg, Tangstedter Landstraße und Lademannbogen.“ Leider verdiene die Planung nicht den Namen Veloroute. Der Radverkehr soll größtenteils weiter auf Nebenflächen mit Fußgängern und durch Wartebereiche von Bushaltestellen geführt werden. „Das torpediert das Konzept der Velorouten“, meint Lau. „Denn auf Velorouten sollen Radfahrer die Erfahrung machen, dass nicht nur Minimalstandard gebaut wird, sondern echte Verbesserungen. Das Gegenteil erreicht die Stadt mit dieser Planung.“ Wie es auch geht, zeigt die Stadt mit den Radfahrstreifen in einem Abschnitt der Stadtbahnstraße – aber nach 320 Metern endet das Vergnügen östlich der Saseler Chaussee.

Vom Saseler Markt (Kilometer 27) geht es auf Dweerblöcken und Alter Berner Weg südwärts. Fundstück des Tages: Veloroutenschilder mit Ring und 2, quasi die erste Veloroute Hamburgs. Sie wurde im Bezirk Wandsbek in den 90er-Jahren auf Initiative eines Lokalpolitikers eröffnet – und ist heute noch wegweisend. Denn dementsprechend stringent (und verkehrsberuhigt) führt sie auf der heutigen Veloroute 14 durch Wohngebiete im Mischverkehr, kurz über den Berner Heerweg und wieder durch Wohngebiete Am Knill, bevor sie auf den viel befahrenen Rahlstedter Weg mündet und dort bleibt. In Wandsbek sind insgesamt einige Kilometer in Planung – etwa auf dem Saseler Damm oder auf dem Öjendorfer Damm. „Was genau da für Radfahrer gemacht werden soll, steht noch in den Sternen“, sagt Dirk Lau. „Immerhin dürfen sie sich am Poppenbütteler Weg/Bereich Tegelsbarg über 200 Meter Radfahrstreifen freuen.“

Am Pulverhof gehen die Schranken runter. Für alle. Autos und Radfahrer stehen am Bahnübergang und warten auf die Regionalbahn. Auch das ist Veloroutenrealität im Jahr 2018. Im Auerhahnweg gibt es Radstreifen, aber nur in die entgegengesetzte Richtung. Nach einer kurzen Wohngebietsbefahrung landen Radler dann auf der Charlottenburger Straße und dem Öjendorfer Damm – Hauptverkehrsstraßen. Vom Fuchsbergredder an geht es wieder durch: Wohngebiet. Im: Mischverkehr. Die Umfahrung des Friedhofs Schiffbek ist hübsch, aber unbefestigt. Der Öjendorfer Weg führt schließlich relativ gemütlich nach Billstedt und ans Ende der Route, das ähnlich willkürlich wie der Anfang gesetzt ist, an der Billstedter Hauptstraße.

„Flickenteppich“ wäre noch geprahlt

„Auch im Bezirk Mitte sind auf dem Öjendorfer Weg von Maukestieg bis Reclamstraße ganze 100 Meter Radfahrstreifen fertig, und am Knoten Reclam­straße/Öjendorfer Brücke 65 Meter“, sagt Dirk Lau. Entsprechend niederschmetternd resümiert der ADFC-Experte die Marathontour, die nur wenige vorher und wohl ebenso wenige hinterher selbst einmal fahren werden.

„Den aktuellen Ausbauzustand einen ,Flickenteppich‘ zu nennen wäre noch hoch gegriffen. Die bislang bekannten Planungen werden wenig daran ändern, dass bis Ende 2020 nur ein Bruchteil fertig sein wird.“ Zumal vieles von dem, was geplant werde, nicht den Standard einer Veloroute erfülle. Gemeinsame Geh- und Radwege etwa sollten laut ADFC nur in Ausnahmefällen eingerichtet werden. Mit dem qualitativ hochwertig angedachten Ausbau der Velorouten habe diese Planung jedenfalls nichts zu tun.