Hamburg. Techniker Krankenkasse (TK) untersucht Gesundheit von Berufstätigen: Hamburger Pendler sind häufiger psychisch krank.
Berufspendler sind weniger krank als Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz in Wohnortnähe haben. Allerdings sind sie häufiger von psychisch bedingten Krankschreibungen betroffen. Das geht aus dem bundesweiten Report „Mobilität in der Arbeitswelt“ hervor, den die Techniker Krankenkasse (TK) am Dienstag veröffentlicht hat. Als Berufspendler werden dabei Beschäftige bezeichnet, deren Arbeitsplatz in einem anderen Kreis liegt als ihr Zuhause.
In Hamburg hatten Pendler 12,8 Fehltage
8,7 Prozent der Hamburger haben nach Angaben von TK-Sprecherin Michaela Hombrecher einen Arbeitsweg von weniger als 50 Kilometern zu ihrem Arbeitsplatz, 2,9 Prozent pendeln zwischen 50 und 200 Kilometer und 5,9 Prozent nehmen jeden Tag einen Arbeitsweg von mehr als 200 Kilometern auf sich, pro Richtung. Wie bereits die Vorläuferstudie der TK 2012 zeigt auch die aktuelle Auswertung, dass Berufspendler bundesweit statistisch gesehen mit 13,7 Fehltagen (in 2017) einen halben Tag weniger krankgeschrieben waren als Berufstätige mit kurzem Arbeitsweg (14,2 Fehltage). In Hamburg hatten Pendler 12,8 Fehltage, wer wohnortnah arbeitet, dagegen 14,1 Fehltage.
Kasse nennt Healthy-Worker-Effekt
Die psychisch bedingten Fehltage liegen bei Pendlern in Deutschland fast elf Prozent höher als bei den Beschäftigten mit Nah-Berufsverkehr. Bei den Frauen liegt die Differenz sogar bei rund 15 Prozent. In Hamburg unterscheiden sich die Zahlen jedoch. Demnach liegen die Fehltage wegen psychischer Störungen bei Hamburger Pendlern mit 2,6 Fehltagen etwas niedriger, aber fast gleichauf mit 2,7 Fehltagen bei jenen mit kurzen Arbeitswegen. Von den Beschäftigten bundesweit, die wohnortnah arbeiten, waren 52,3 Prozent mindestens einmal krankgeschrieben, bei den Pendlern fiel mit 49,4 Prozent nur knapp die Hälfte im vergangenen Jahr zumindest einmal aus. Albrecht Wehner, bei der TK verantwortlich für die Gesundheitsberichte: „Wir gehen hier von dem sogenannten Healthy-Worker-Effekt aus, das bedeutet, dass weitere Arbeitswege eher von Menschen mit guter Gesundheit in Kauf genommen werden.“
242 Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen
Weil die Berufe, die überdurchschnittlich mit Pendeln verbunden sind, sonst eher durch geringere psychische Belastungen gekennzeichnet seien, gehe man davon aus, „dass die höheren psychisch bedingten Fehlzeiten durch das Pendeln selbst entstehen“, so der TK-Experte. Laut der Studie entfielen 2017 auf 100 Pendler 242 Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen etc. Bei den Beschäftigten mit kurzer Anreise waren es nur 219 Tage. Der Anteil der Pendler variiert deutlich zwischen den einzelnen Berufsfeldern.
Viele Vertriebsmitarbeiter pendeln
Abgesehen von Beschäftigten im Luftverkehr wie Piloten und Servicefachkräfte pendeln viele Vertriebsmitarbeiter. Auch in vielen IT-Berufen nehmen die Angestellten weite Wege auf sich. Die wenigsten Pendler gibt es in Agrar- und Ernährungsberufen sowie bei Angestellten in privaten Haushalten wie Hauswirtschaftern und Reinigungskräften. „Viele soziale und Dienstleistungsberufe gibt es fast in jedem Ort. Deshalb gibt es hier weniger Pendler. Je spezialisierter der Beruf, desto weniger Einsatzorte gibt es und umso längere Strecken müssen die Beschäftigten oft zurücklegen. Zudem rechnet sich der zeitliche Aufwand des Pendelns auch nur, wenn es sich finanziell lohnt“, sagt Wehner.
Pendler höher gebildet
Die Studie zeigt auch, dass der Pendleranteil umso größer ist, je höher der Ausbildungsabschluss der Beschäftigen ist. Beschäftigte ohne oder in Ausbildung arbeiten seltener außerhalb ihres Wohnkreises (38 Prozent Pendler), besonders weite Strecken pendeln Beschäftigte mit Promotion und anderen Hochschulabschlüssen – von ihnen pendelt fast jeder Zweite. 7,5 Prozent der Männer und 5,4 Prozent der Frauen legen dabei 200 km und mehr je Strecke zurück. Als eine der Stressursachsen gilt dabei der Straßenverkehr. Ein Drittel, Männer wie Frauen, gab 2016 in einer Stress-Studie der TK an, sich durch den Straßenverkehr gestresst zu fühlen.
Autofahrer gestresst
Studien zeigen auch, dass die psychische Belastung beim Autofahren größer ist als beim Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Zudem nehmen Belastungen und Fehltage mit steigender Entfernung und Fahrzeit zu. Bei Männern liegt der Anteil der Pendler ingesamt höher als bei Frauen. „Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass Frauen immer noch mehr Aufgaben Zuhause übernehmen und die Mehrfachbelastung mit Haushalt und Kinderbetreuung weites Pendeln nicht zulässt. Zudem arbeiten Frauen häufiger Teilzeit, so dass lange Wegzeiten bei kürzerer Arbeitszeit nicht lohnen“, erklärt Wehner. Durch das Pendeln können ihm zufolge Magen- und Verdauungsbeschwerden zunehmen, Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Beschwerden wie der Körperfettanteil und der BMI (Body-Mass-Index) steigen, auch der Schlaf sowie soziale Beziehungen und Partnerschaften leiden.
Pendler essen mehr Fastfood
Deshalb sei es wichtig, mit der Studie auch für ein modernes Betriebliches Gesundheitsmanagement zu werben, sagt Wehner: „Vielen Unternehmen ist oft nicht klar, dass sie mit intelligenten Schichtplänen, guter Arbeitsorganisation und Digitalisierung großen Einfluss darauf haben, wie sehr Pendeln belastet. Ebenso wichtig ist aber, dass wir das Thema über das Gesundheitswesen hinaus angehen. Auch die Verkehrspolitik hat großen Einfluss darauf, wie sehr das Pendeln für die Beschäftigten zur Belastung wird“, erklärt der TK-Experte.
Aber auch die Pendler selbst seien gefordert. Einige Studien zeigen, dass Pendler mehr Fastfood essen, häufiger zu übermäßigem Medienkonsum neigen und insbesondere bei Männern ein erhöhter Alkoholmissbrauch erkennbar ist. Gesundheitsexperte Wehner: „Die Beschäftigten haben mit ihrem Verhalten auch Einfluss darauf, wie belastend das Pendeln ist.