Hamburg. Viele Hamburger begrüßen die EU-Initiative zur Zeitumstellung. Was Politiker und Verbände zu dem Vorhaben sagen.
Am Sonntag endet die Sommerzeit, und die Uhren werden um eine Stunde zurückgestellt – vielleicht zum letzten Mal. Denn die EU-Kommission hat vor Kurzem die Abschaffung der Zeitumstellung vorgeschlagen. Damit zog sie die Konsequenzen aus einer Onlineumfrage, an der sich 4,6 Millionen Europäer beteiligt hatten. Von ihnen hatten sich 84 Prozent für ein Ende der seit Jahrzehnten umstrittenen Praxis ausgesprochen. Die meisten Teilnehmer waren für die Beibehaltung der Sommerzeit.
In Hamburg ergibt sich ein ähnliches Stimmungsbild, wenn man sich bei Politikern, Vertretern von Unternehmen, Landwirten und Sportvereinen erkundigt. „Es ist gut, dass die halbjährliche Zeitumstellung in Europa hinterfragt wird“, sagt Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion. „Im Frühjahr und im Herbst ist die Zeitumstellung für viele Menschen eine Belastung, die den Biorhythmus stört und die innere Uhr aus dem Gleichgewicht bringt. Mit einer dauerhaften Sommerzeit könnten wir uns die langen Sommertage erhalten und gleichzeitig im Winter hellere Nachmittage genießen.“
Die meisten wollen die Sommerzeit für immer
Der grüne Koalitionspartner sieht das genauso: „Die ursprüngliche Idee war, durch die Zeitumstellung Energie zu sparen. Inzwischen ist aber aus zahlreichen Studien deutlich geworden, dass dieser Effekt nicht erreicht wird“, sagt Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. „Es gibt also keine stichhaltigen Gründe für die Zeitumstellung.“ Viele Menschen litten allerdings unter der zweimaligen Umstellung im Jahr. „Dieses Herumgedrehe an der Zeit sollte meiner Ansicht nach aufhören“, sagt Tjarks. „Ich persönlich würde mich für eine dauerhafte Sommerzeit aussprechen – vor allem mit Blick auf die verlängerten lauen Sommernächte, die wir hier in Hamburg wunderbar draußen verbringen können.“
Nicht festlegen möchte sich der Oppositionsführer, CDU-Fraktionschef André Trepoll. „Entscheidend ist, dass nicht ein Zeitzonen-Flickenteppich innerhalb der EU entsteht“, sagt er. „Es muss in Europa eine einheitliche Lösung gefunden oder die bisherige Regelung beibehalten werden.“ Beide nun diskutierten Varianten hätten deutliche Nachteile, so Trepoll. Einerseits würde eine dauerhafte Winterzeit dazu führen, dass es auch im Sommer früher dunkel wird. Dabei bedeute doch „ein langer, lauer Sommerabend an Alster oder Elbe für viele ein gutes Stück Lebensqualität“. Selbst in Hamburg entwickele sich dann mediterranes Flair. „Anderseits sind Forscher davon überzeugt, dass eine dauerhafte Sommerzeit durchaus negative Auswirkungen auf den Biorhythmus hätte“, sagt Trepoll. „Für Schüler und Studenten und Arbeitnehmer werden unter anderem Konzentrationsprobleme erwartet, da es im Winter künftig erst deutlich später hell werden würde.“ Auch diese Argumente müssten berücksichtigt werden.
FDP für Abschaffung der Zeitumstellung
Leicht genervt reagiert die Vorsitzende der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus, auf die Debatte. „Mit dieser Frage haben wir uns in der Fraktion nicht befasst, da fehlt uns die gewohnte Leidenschaft“, teilt Boeddinghaus mit. „Hand auf’s Herz: Hat Hamburg keine drängenderen Probleme? Und gibt es keine wichtigeren Fragen, die eine europaweite Volksbefragung wert wären?“
Unterstützung für das Ansinnen der EU-Kommission kommt hingegen von der FDP. „Das wiederkehrende Vor- und Zurückstellen der Uhren im Frühjahr und Herbst gehört endlich abgeschafft“, sagt Jennyfer Dutschke, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. „Die mit der Einführung der Regelung erhofften positiven Effekte sind ausgeblieben, viele Menschen fühlen sich im Gegenteil durch die Umstellung gestresst und zeigen Symptome wie bei einem Jetlag.“ Wie CDU-Politiker André Trepoll spricht auch Dutschke davon, es dürfe „keinen Flickenteppich in den Mitgliedsländern bei der Frage geben, ob künftig dauerhaft die Sommer- oder die Winterzeit gilt“. Hier sei ein möglichst großer Konsens anzustreben.
Morgens würde es im Winter lange dunkel bleiben
Die AfD-Fraktion verweist darauf, sie habe bereits im November 2017 in einem Bürgerschaftsantrag gefordert, der Senat möge sich im Bundesrat und auf Bundesebene für die Abschaffung der Zeitumstellung einsetzen. Die AfD-Abgeordnete Andrea Oelschläger argumentiert ähnlich wie Grüne und FDP: „Ursprünglich führte die Einführung der Sommerzeit zu einem Energiespareffekt. Das ist heute nachweislich nicht mehr so“, sagt Oelschläger. „Dafür bringt die Umstellung viele Nachteile mit sich, so wird der menschliche Biorhythmus zweimal jährlich massiv aus dem Takt gebracht. Dies führt vermehrt zu Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder gar depressiven Verstimmungen.“
Nicht an der Debatte beteiligen möchte sich die Schulbehörde. „Wir sehen keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Schulbetrieb“, sagt Sprecher Peter Albrecht.
Der Unternehmerverband UVNord begrüßt den Vorstoß der EU-Kommission. „Die seinerzeit beschlossene Zeitumstellung hat viel Unruhe in die Arbeitszeitkonzepte und Logistikabläufe gebracht“, sagt Geschäftsführer Sebastian Schulze. „Wichtig aber wird eine europaeinheitliche Lösung.“
"Tierhaltende Höfe bevorzugen die Winterzeit"
Auch der Bauernverband Hamburg ist dafür, dass der Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit abgeschafft wird. „Dabei ist es unserem Obst im Alten Land, den Blumen und dem Gemüse in den Vier- und Marschlanden sowie den Ackerpflanzen und Wiesengräsern egal, ob nun die Sommer- oder die Winterzeit beibehalten wird“, sagt Geschäftsführer Carsten Bargmann. „Tierhaltende Höfe und dabei vor allem die Milchviehbetriebe bevorzugen allerdings eindeutig die Winterzeit, da sie morgens nicht die meiste Zeit des Jahres im Dunkeln arbeiten möchten.“
Vorteilhaft wäre die Abschaffung der Zeitumstellung auch aus Sicht des Hamburger Sportbundes. „Vereinssport findet hauptsächlich am späten Nachmittag oder in den Abendstunden statt. Der Sport in Deutschland hat sich daher für eine Beibehaltung der Sommerzeit ausgesprochen“, sagt Sprecher Maarten Malczak. „Ein positiver Einfluss auf die nutzbaren Trainings- und Wettkampfzeiten insbesondere im Freien ist zu erwarten, wenn es im Winter länger hell wäre. Sportangebote wären dadurch weniger auf Flutlicht und andere Beleuchtungen angewiesen.“
Zeitumstellung: Wie geht es jetzt weiter?
Wird die Zeitumstellung 2019 abgeschafft? Ganz so einfach ist es nicht. In manchen Hauptstädten herrscht erhebliche Verärgerung über den Vorschlag der EU-Kommission, die Uhren in der EU am 31. März zum letzten Mal um eine Stunde auf Sommerzeit vorzustellen. „Ein Flickenteppich an Zeitregelungen muss unbedingt vermieden werden“, fordert ein ranghoher Repräsentant eines Mitgliedsstaates. Schon kursiert im EU-Ministerrat nach Informationen des Abendblatts ein Kompromissvorschlag, die Abschaffung auf 2021 zu verschieben.
Was ist die deutsche Position? Die Bundesregierung ist vor dem Treffen der EU-Verkehrsminister in der kommenden Woche damit beschäftigt, eine gemeinsame Haltung zu finden. Das Wirtschaftsministerium: „Die Abstimmung ist noch nicht abgeschlossen.“
Was würde eine Abschaffung für die Wirtschaft bedeuten? Die Arbeitgeber würden es begrüßen. Der Wechsel habe „Jahr für Jahr in viele Arbeitszeitkonzepte und Logistikabläufe Unruhe gebracht“, so die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände.
Wie geht es weiter? Ausgeschlossen ist es nicht, dass die nationalen Regierungen schnell entscheiden. Die Zustimmung des EU-Parlaments, das die Abschaffung ebenfalls absegnen muss, gilt als sicher. (ck/ast/tma)