Hamburg. Dieselskandal setzt dem Traditionsunternehmen zu. Rund 300 Mitarbeiter sind betroffen. Gespräche mit Investoren laufen bereits.

Der VW-Dieselskandal fordert sein erstes prominentes Opfer unter Hamburgs Autohändlern. Das traditionsreiche Autohaus Willy Tiedtke hat am Dienstag beim Amtsgericht Hamburg einen Insolvenzantrag stellen müssen. Dieser Schritt sei erforderlich geworden, „nachdem trotz intensiven Bemühens in den vergangenen Monaten die weitere Finanzierung der Gesellschaft nicht mehr gesichert werden konnte“, teilte das Unternehmen mit. Die 1935 gegründete Firma ist die Nummer 3 unter den VW-Händlern in Hamburg und vertreibt auch die Marken Audi und Skoda. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 300 Mitarbeiter an sechs Standorten. Diese wurden am Dienstagabend auf einer Betriebsversammlung in der Niederlassung am Friedrich-Ebert-Damm über die Krise informiert.

Investor gesucht

Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde vom Amtsgericht der Rechtsanwalt Nils Krause eingesetzt. Geschäftsführer Alexander Tiedtke bleibt aber ebenfalls im Amt, da das Autohaus eine Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt hat. Ihm zur Seite gestellt werden die Sanierungsexperten Gerrit Hölzle und Thorsten Bieg aus der Kanzlei Görg, die bereits über Erfahrung mit Krisenfällen in der Autobranche verfügen. Ziel der Eigenverwaltung ist es nach Unternehmensangaben, das Autohaus „kurzfristig“ an einen Investor zu veräußern, um ein „bestmögliches Ergebnis für die Arbeitnehmer und Gläubiger“ der Gesellschaft zu erzielen. Man befinde sich bereits in Gesprächen mit namhaften Investoren aus dem Autohandel, hieß es. Wie es jetzt für konkret für Kunden und Mitarbeiter weitergehen soll, dazu wollte sich das Unternehmen auf Nachfrage des Abendblatts aber nicht äußern.

Hohe Verluste bei Rücknahme verleaster Diesel-Autos

Insidern zufolge hat sich die Insolvenz von Willy Tiedtke schon seit längerem abgezeichnet. So habe sich das Unternehmen zu sehr auf das Geschäft mit Firmenkunden konzentriert und Strukturen aufgebaut, die nicht zur tatsächlichen Unternehmensgröße passen. Der Hauptgrund für das Aus ist nach Ansicht von Experten allerdings der VW-Dieselskandal, verbunden mit Lieferproblemen des Werks, die im Zuge neuer Anforderungen für die Zulassung stehen. Beides habe dazu geführt, dass das Unternehmen weniger Fahrzeuge absetzen konnte.

Probleme mit Leasingfahrzeugen

Probleme haben die Hamburger – wie viele andere Händler auch – zudem vor allem mit dem aktuellen Rückkaufswert von Leasingfahrzeugen bekommen. Hintergrund: Wenn ein Händler einen Wagen verleast, legt er bereits am Anfang den garantierten Rückkaufswert fest. Auf dieser Basis wird dann die Leasingrate kalkuliert. Kommt das Auto nach einigen Jahren zurück, ist es eventuell deutlich weniger wert als vorher berechnet, bei typischen Diesel-Dienstwagen können das 4000 bis 7000 Euro pro Fahrzeug sein. Dieser Verlust bleibt letztlich beim Händler hängen.

1935 gegründet

Mit der Wandsbeker Firma ist eines der ältesten Hamburger Autohäuser in die Krise geraten. Der Kfz-Meister Willy Tiedtke hatte sich am 1. März 1935 in der Dorotheenstraße in Winterhude selbstständig gemacht. Damals verdiente er sein Geld allerdings noch mit der Reparatur von Treckern. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es für Tiedtke zunächst steil bergauf. 1954 unterzeichnete der Gründer einen Vertrag mit VW. Eine neue Filiale entstand an der Wandsbeker Zollstraße, es folgten weitere in Jenfeld, am Friedrich-Ebert-Damm und in Eilbek. Mitte der 70er-Jahre kam der Vertrieb von Audi hinzu. Der heutige Chef Alexander Tiedtke gilt als Fachmann im Autohandel. Der promovierte Betriebswirt hat neben Ökonomie auch Psychologie und Informatik studiert und sich viele Jahre auch auf Verbandsebene stark engagiert.