Hamburg. Ausgestopfte Overalls baumelten an Seilen. Fundorte von Harburg bis zur City Nord. Polizei ermittelt und stellt sich auf Krawalle ein.

Es ist eine makabere und geschmacklose Aktion vor dem Derby zwischen dem HSV und St. Pauli: Unbekannte haben in der Nacht an mindestens acht Brücken in Hamburg und Niedersachsen lebensgroße Puppen an Seilen aufgehängt – offenbar eine Todesdrohung an Anhänger des Kiezclubs. "Es handelte sich jeweils um Overalls, die mit Stroh ausgestopft waren", bestätigte der Polizeisprecher René Schönhardt auf Anfrage. Die Täter hatten sie teilweise mit braun-weißer Farbe besprüht oder bemalt.

Den bisherigen Erkenntnissen zufolge waren die Puppen sehr weit verstreut angebracht: Sie wurden unter anderem Allermöher Deich im Bereich der Bundesautobahn 25, an der A7 in Harburg, Othmarschen, Bahrenfeld und Eidelstedt und an der A1 bei Seevetal in Niedersachsen entdeckt. Selbst am Überseering in der City Nord, in direkter Nähe des Polizeipräsidiums, hing am frühen Morgen eine der Puppen.

Polizei hat Ermittlungen gegen mutmaßliche HSV-Ultras aufgenommen

Obwohl die Aktion als eindeutige Kampfansage vor dem Fußball-Derby zu verstehen ist, gilt sie rechtlich offenbar nicht als Anstiftung zur Körperverletzung. "Wir ermitteln zunächst wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr", sagte Schönhardt. Polizeisprecher Timo Zill sprach von einer "ziemlich geschmacklosen, hirnlosen Aktion".

Gewaltbereite HSV-Fans hatten bereits beim Zweitliga-Heimspiel gegen Arminia Bielefeld im August auf einem Plakat klar gemacht, dass sie offenbar eine weitere körperliche Auseinandersetzung mit den St.-Pauli-Ultras herbeisehnen: "Stellt euch endlich unsrer Gier, 100 IHR : 100 WIR" stand auf einem größeren Transparent auf der Nordtribüne des Volksparkstadions geschrieben.

Die Polizei stellt sich vor dem ersten Aufeinandertreffen beider Clubs in der Zweiten Bundesliga auf insgesamt rund 700 bis 1000 gewaltbereite Fans ein. Beide Seiten würden dabei voraussichtlich von Gruppierungen aus dem Ausland, etwa aus Tschechien und Schottland, unterstützt. "Aber das werden Zahlen sein, mit denen wir umgehen können", sagte Zill.

Fangruppen werden getrennt

Bundespolizeisprecher Ronny von Bresinski erläuterte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch das Verkehrskonzept für Sonntag, um ein Aufeinandertreffen der rivalisierenden Fangruppen zu verhindern. So würden die St.-Pauli-Fans mit drei Sonder-S-Bahnen vom Bahnhof Landungsbrücken nach Bahrenfeld gefahren. Dort stünden elf Shuttlebusse bereit. Die HSV-Fans sollten die Linien S3 und S21 nutzen und von den Bahnhöfen Stellingen und Eidelstedt aus das Stadion erreichen. Entsprechend soll auch die Rückreise erfolgen. "Relevante Fangruppen" würden "gegebenenfalls begleitet".

"Wir appellieren, dass die Wege auch nach Abfahrt der Sonder-S-Bahnen genutzt werden", sagte von Bresinski. Eine Anfahrt über Othmarschen werde diesmal nicht angeboten. Die Bundespolizei werde auf allen Bahnhöfen und entlang der Strecken präsent sein und bekomme dafür Unterstützung der Bundesbereitschaftspolizei. Sollte es zu Auseinandersetzungen kommen, gebe es sogar die Möglichkeit, auf Hubschrauber zurückzugreifen. Auch seien mobile Videoteams im Einsatz.

Es gebe bei ausländischen Straftätern die Möglichkeit, die Einreise zu untersagen. Dies gelte aber nur für den Fall, dass die Absicht einer Straftat einwandfrei erkennbar sei, etwa weil entsprechende Gegenstände mitgeführt werden. Man wisse um die bestehenden Fanfreundschaften und setze an den relevanten Orten szenekundige Beamte auch aus dem Ausland ein, die die Kollegen frühzeitig über Störungen informierten. Es gelte der Grundsatz: Wer randaliert, sieht das Spiel nicht. "Wenn wir Erkenntnisse haben, werden wir frühzeitig Maßnahmen ergreifen", sagte von Bresinski.

Hohe Sicherheitsvorkehrungen auch beim Public Viewing

Der FC St. Pauli ruft seine Fans dazu auf, geschlossen zum Stadion zu fahren. Treffpunkt ist am Sonntag um 9 Uhr am Millerntorstadion/Heiligengeistfeld. Von dort geht es zu den Landungsbrücken und weiter mit der S-Bahn nach Bahrenfeld. Wer nicht im Pulk anreisen könne oder wolle, solle die Shuttlebusse von Bahrenfeld nutzen. "Wir raten dringend davon ab, in Kleingruppen andere Wege zu nehmen, weil das zu Konflikten führen könnte", sagte Pressesprecher Christoph Pieper.

Für das ebenfalls ausverkaufte Public Viewing im Millerntorstadion, zu dem am Sonntagmittag 15.000 Zuschauer erwartet werden, gelten die gleichen Sicherheitsregeln wie für Heimspiele gegen rivalisierende Gegner. HSV-Farben sind überhaupt nicht gestattet. "Damit soll niemand ausgegrenzt werden, es dient vielmehr der Sicherheit", sagte Pieper. Es sei ein positives Signal, dass in der St.-Pauli-Fanszene eine klare Haltung gegen Gewalt propagiert werde.

Verstärkt Zivilfahnder im Einsatz

Die Hamburger Polizei hatte das Public Viewing mit Blick auf die Sicherheitslage am Volkspark dringend empfohlen. „Das Public Viewing hilft uns sehr, weil es uns den Einsatzraum ein Stück weit sortiert“, sagte Polizeisprecher Zill zu der Maßnahme. Aus polizeilicher Sicht sein das Public Viewing "völlig unproblematisch". Dennoch werde die Polizei auch in den kommenden Tagen auf St. Pauli sehr präsent sein.

"Auch die Polizei Hamburg freut sich auf das Derby. Die Masse der Fans wird für uns völlig unproblematisch sein", versicherte Zill. Sollte es aber zu Gewaltanwendung kommen, werde konsequent eingeschritten. Erstmals sei die Polizei rund um das Volksparkstadion in verstärktem Umfang auch mit Zivilfahndern im Einsatz.

FC St. Pauli kritisiert eine Polizeimaßnahme

Zill verwies darauf, dass von Sonnabend, 18 Uhr an auf der Homepage der Polizei Hamburg Videos und Bilder vermeintlicher Straftaten hochgeladen werden können. Eine solche Möglichkeit hatte die Polizei bereits im Zusammenhang mit den Krawallen beim G-20-Gipfel geschaffen. „Wir bitten darum, uns entsprechende Aufnahmen zur Verfügung zu stellen“, kündigte Zill an, "und wir werden auch hinterher einen langen Atem haben, wenn es um die Identifizierung der Täter geht."

Der FC St. Pauli kritisierte diese Maßnahme. „Für das Umfeld des Fußballs geht uns das zu weit“, sagte Vereinssprecher Pieper. Wenn man sich überlege, dass am vergangenen Wochenende Neonazis verhältnismäßig unbehelligt durch Dortmund ziehen und antisemitische Parolen skandieren konnten, dann sei das "ein falsches Signal. Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist hervorragend. Aber bei der Betrachtung dieser Maßnahme liegen wir auseinander."