Horn. Am Mittwoch zieht die islamische Al-Nour-Gemeinde in die frühere Kapernaumkirche – allen Widerständen zum Trotz.
Schöner Teppich. „Ja, war teuer“, sagt Daniel Abdin, während er über das fest-flauschige, weinrote Geläuf des großen Gebetsraums schreitet. Und das gilt für den gesamten Umbau der ehemaligen evangelischen Kapernaumkirche zur Moschee. Der Wandel vom Kreuz zum Mihrab war nicht günstig. Fußbodenheizung, Sanitäranlagen, Denkmalschutz – das kostet.
Am Mittwoch wird das denkmalgeschützte, ausgediente christliche Gotteshaus bei einem Festakt offiziell zur neuen Heimat der islamischen Al-Nour-Gemeinde. Auch wenn die Umwidmung unter dem Titel „Außen Kirche, innen Moschee“ noch nicht ganz abgeschlossen ist – ein Rohrbruch hat den Zeitplan nochmals zurückgeworfen.
Als die arabisch-sunnitische Al-Nour-Gemeinde die Kirche im Stadtteil Horn vor sechs Jahren gekauft hat, war aus islamkritischen Kreisen nicht nur von einem „Fanal“ die Rede. Die neuen Besitzer rechneten auch mit Umbaukosten von nur einer Million Euro. Mittlerweile sind daraus fünf Millionen Euro geworden. „Dafür gab’s auf den Teppich 20 Jahre Garantie“, sagt Abdin, Vorstandsvorsitzender und treibende Kraft des Projekts. „Insgesamt ist es ein teures Objekt, aber ich glaube, es hat sich gelohnt und ist besser als ein Moschee-Neubau.“
Wir wollen endlich weg vom Tiefgaragenimage
Deshalb zeigt Abdin, der trotz aller Widerstände im Stadtteil und der zuletzt aufgetauchten rechtsextremistischen Schmierereien am Haus ein sehr zugewandter, moderater Mann ist, das Ergebnis gern. Endlich habe seine Gemeinde als Teil der Gesellschaft mit der umgebauten Kirche auch ein sichtbares Zeichen in der Stadt. „Wir wollen endlich weg vom Tiefgaragenimage.“ Bisher nutzen die Gläubigen des islamischen Zentrums Al-Nour eine Garage in St. Georg als Gebetsraum. Freitags müssen die 2500 Muslime in zwei Schichten beten. Viele sind arabischer Herkunft, aber Asiaten und Afrikaner kommen auch.
Dagegen ist die modernisierte Kapernaumkirche natürlich ein Schmuckstück. Schon der neu gebaute Eingang, der Turm und Kirchenschiff verbindet, ist gläsern und hell verkleidet. Später sollen die historischen Bleiglasfenster als Reminiszenz an die Kirchengeschichte davorgesetzt werden.
Neben dem Büro des Imams haben die Sanitäranlagen im eine Million Euro teuren Anbau ihren Platz gefunden. „Die Kacheln sind aus Marokko“, sagt Abdin. Fast wirkt es wie in einem Hamam, an den sich der Waschraum anschließt. Die Becken mit 16 Wasserhähnen wurden im sechseckigen Fuß des ehemaligen Kirchturms untergebracht.
Kuwait finanzierte den Neubau
Bezahlt wurde der Neubau vom Staat Kuwait. Dessen Botschafter Najeeb Al-Bader ist ebenso Gast der heutigen Einweihungsfeier wie Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, und Klaus Schäfer als Vertreter der evangelischen Nordkirche.
Prunkstück des 1961 erbauten, islamisch sanierten Hauses ist der Gebetssaal im früheren Kirchenschiff. Die Strenge des norddeutschen Backsteins wurde durch eierschalenweiße Wände ersetzt, der Raum wirkt offener und heller. Kalligrafien verehren Allah, die Gebetsnische mit erhöhter Kanzel ist gen Mekka ausgerichtet. Die bunten Glasfenster kommen noch immer prächtig zur Geltung, „wenn die Sonne hereinbricht, ist das ein wunderbares Bild“, schwärmt Abdin. Al-Nour bedeutet nicht grundlos „Licht“.
Zudem ist eine mächtige, weiße Empore eingezogen worden (mit einem Koran-Zitat, das sich auf Maria bezieht). Dort sollen wie in Moscheen üblich die Frauen getrennt von den Männern beten können. „Man kann es aber auch so sehen, dass unsere Männer zu ihnen hinaufschauen“, sagt Abdin. In dieser Zwischenebene sind außerdem zwei Seminarräume vorgesehen, sogar ein Fahrstuhl hält dort. Zum ersten Freitagsgebet, das wegen des Wasserschadens wohl erst in zwei Monaten stattfinden kann, werden 400 bis 500 Gläubige auf dem neuen Teppich im alten Kirchenschiff erwartet.
Tag der offenen Moschee am 3. Oktober
„Wir sind ein offenes Haus, wollen Berührungsängste und Hemmschwellen abbauen“, sagt Abdin. Deshalb mache die Moschee allen interessierten Hamburgern gern die Tür auf, und zwar nicht nur am Tag der offenen Moschee am 3. Oktober. Die Al-Nour-Gemeinde bringt sich seit Jahren aktiv in den interreligiösen Dialog ein.
Weil ein privater Investor das Haus an die Al-Nour-Gemeinde verkaufte, konnte die 2002 entwidmete Kapernaumkirche überhaupt zur Moschee werden. Die Leitlinien der Evangelischen Kirche Deutschlands verbieten diese Nutzung eigentlich, durch den Zwischenbesitzer hatte die Kirche aber keinen Einfluss mehr auf ihr ehemaliges Haus, das in den 60er-Jahren bereits als „Rockerkirche“ in den Schlagzeilen war. Einschließlich des Kaufs („eine hohe sechsstellige Summe“) wird die neue Moschee mit Spenden finanziert.