Hamburg. Erstmals sind Radfahrer Hauptverursacher. CDU legt ein Konzept für mehr Sicherheit vor. Zwei aktuelle Unfälle.
Neue Zahlen aus der polizeilichen Unfallstatistik haben eine Diskussion über die Frage ausgelöst, ob Senat und Polizei genug für den Schutz der jüngsten Verkehrsteilnehmer tun. Demnach stieg die Zahl der im Hamburger Verkehr verunglückten Kinder im ersten Halbjahr 2018 auf 367. Im ersten Halbjahr 2017 waren es noch 323. Bei diesen Zahlen werden auch Fälle mitgerechnet, in denen Kinder nicht aktiv beteiligt sind, sondern etwa als Mitfahrer in Autos verletzt werden.
Die Zahl der Unfälle, an denen Kinder aktiv beteiligt waren, ist bis 2014 zuletzt kontinuierlich gesunken. Jetzt aber gehen sie kaum noch zurück. Im ersten Halbjahr 2018 waren Kinder 294-mal als aktive Verkehrsteilnehmer an Unfällen beteiligt, in den ersten sechs Monaten 2017 waren es 295 Fälle. Die Zahlen legte der Senat jetzt in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Politikers Dennis Thering vor.
Interessant an den neuen Daten ist auch, dass Hauptverursacher der Kinderunfälle nun nicht mehr Autofahrer, sondern Radfahrer waren. In 124 Fällen registrierte die Polizei im ersten Halbjahr Radfahrer als Hauptverantwortliche für Unfälle mit den Jüngsten, 105-mal waren es Pkw-Fahrer. Im Vergleichzeitraum 2017 war das Verhältnis noch umgekehrt. Allerdings können hierbei auch Kinder selbst als Radfahrer einen Teil der Unfälle verschuldet haben.
Polizei und Innenbehörde interpretieren die Zahlen auch als eine Folge des guten Wetters, das mehr Menschen zum Radfahren animiert habe. Als häufigste Ursache von Kinderunfällen nennt die Polizei die „Fahrbahnüberquerung durch Fußgänger“ (worunter auch unachtsames Laufen auf die Straße gehört), gefolgt von Ein-/Ausfahren aus Haus- oder Parkplatzeinfahrten und Fehlern beim Abbiegen.
CDU fordert mehr Verkehrslehrerstellen bei der Polizei
Die CDU wirft dem Senat vor, er tue zu wenig für die Sicherheit der Kinder. „Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Kindern ist weiterhin erschreckend hoch“, sagte ihr Verkehrspolitiker Thering. Dennoch ließen SPD und Grüne „das Thema schleifen“. So gebe es bei der „Planung und Durchführung von Verkehrsgroßkontrollen ein krasses Missverhältnis“, so Thering. „Es ist völlig inakzeptabel, dass von 43 Verkehrsgroßkontrollen im Jahr 2017 nur drei im Bereich von Kindergärten und Schulen stattgefunden haben. Im Jahr 2018 gab es so eine Kontrolle bisher gar nicht.“ Die CDU moniert auch, dass von 26 sogenannten „Dialogdisplays“, die Autofahrer auf ihre Geschwindigkeit hinweisen, nur fünf in der Nähe von Kitas oder Schulen stünden.
Die CDU-Fraktion hat nun einen Bürgerschaftsantrag mit dem Ziel vorgelegt, Kinder besser zu schützen. Darin stellt sie fünf Forderungen auf. Erstens soll die Zahl der Verkehrslehrerstellen bei der Polizei bis Ende 2019 von aktuell 71 auf 90 angehoben werden. Zweitens soll das „Forum Verkehrssicherheit Hamburg“, in dem sich zahlreiche Organisationen gemeinsam Gedanken für eine Verbesserung der Verkehrssicherheit machen, bis Ende 2018 „zusätzliche und zeitgemäße Lerninhalte für die Verkehrserziehung in Kitas und Schulen“ erarbeiten.
Drittens soll die Polizei „jährlich mindestens 6000 Messeinheiten der mobilen Geschwindigkeitsmessung durchführen“, und zwar schwerpunktmäßig vor Kitas und Schulen. Viertens fordert die CDU mehr Verkehrsgroßkontrollen im „unmittelbaren Umfeld von Kitas und Schulen“. Und fünftens schließlich sollen bis Jahresende 20 neue Dialogdisplays in der Nähe von Schulen und Kitas aufgestellt werden. „Durch dieses Maßnahmenpaket wird der Straßenverkehr für unsere Kleinsten deutlich sicherer“, so Thering.
Senat verweist auf steigende Zahl von Radarkontrollen
In der Innenbehörde hat man eine etwas andere Sicht auf die Lage. „Die Anzahl der Kinderunfälle hat in der Langzeitentwicklung mit Schwankungen stetig abgenommen“, sagt Behördensprecher Daniel Schaefer. Derzeit stagniere die Zahl auf dem niedrigsten Niveau seit den 90er-Jahren. Zudem ereigne sich nur ein kleiner Teil der Kinderunfälle im Umfeld von Kitas oder Schulen – und Senat und Polizei hätten bereits selbst für mehr Geschwindigkeitskontrollen gesorgt. Das zeige sich an der Zahl der Anzeigen. Während es im ersten Halbjahr 2017 noch 97.788 Anzeigen nach mobilen Radarkontrollen gegeben habe, sei diese Zahl im ersten Halbjahr dieses Jahres auf 132.306 gestiegen. Zudem stärke der Senat die Verkehrssicherheit zusätzlich etwa durch die Ausweitung von Tempo 30 oder durch Aktionen der Polizei für Kinder.
Während die Politik diskutierte, meldete die Polizei am Donnerstag wieder zwei Kinderunfälle. In Harburg war am Mittwoch ein sechsjähriges Mädchen auf die Straße gelaufen, von einem Skoda erfasst und am Bein verletzt worden. In Neuenfelde lief ein Dreijähriger zwischen parkenden Pkw auf den Domänenweg und wurde von einem Transporter überfahren. Der Junge erlitt Knochenbrüche und wurde am Kopf verletzt.