Hamburg. Erste Studie: Mit dem Röntgenlaser European XFEL können Daten viel schneller aufgenommen werden als bisher

    Gut ein Jahr nach der Eröffnung des 3,4 Kilometer langen Röntgenlasers European XFEL, der unter der Erde zwischen Hamburg-Bahrenfeld und Schenefeld in Schleswig-Holstein verläuft, hat ein internationales Forscherteam die erste Studie zu Experimenten in der Anlage veröffentlicht. Dabei ging es in erster Linie um die Frage, ob das 1,5 Milliarden Euro teure Instrument technisch die hohen Erwartungen erfüllt und tatsächlich so rasant und präzise arbeiten kann wie geplant.

    Die Forscher antworten nun mit einem klaren Ja: „Wir konnten zeigen, dass mit den derzeitigen Messbedingungen mit dem European XFEL Daten sehr viel schneller aufgenommen werden können als bisher“, sagt Studienleiterin Prof. Ilme Schlichting vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg. „Schon in naher Zukunft werden viel mehr Forscher Experimente an Röntgenlasern mit hoher Pulsfrequenz durchführen können, da Kosten und Aufwand für die Messung stark sinken“, sagt Schlichting. Das biete Biologen, Medizinern, Physikern, Chemikern und anderen Forschern neue Möglichkeiten.

    Der European XFEL ist Supermi­kroskop und Hochleistungskamera in einem. Mit den Röntgenblitzen, die das Instrument erzeugt, wollen Forscher so genau wie nie zuvor biologische Strukturen sichtbar machen und ultraschnelle chemische Prozesse beobachten: bis auf die Ebene von Atomen – Teilchen, die zehn Millionen Mal kleiner sind als ein Millimeter. Die Erkenntnisse könnten etwa zu neuen Medikamenten, kleineren Datenspeichern und effizienteren Katalysatoren führen.

    Dass die Anlage so gut funktioniert wie geplant, ist nicht selbstverständlich, weil es um extreme Leistungen und Präzision geht: Die erzeugten Lichtblitze sind für den Bruchteil einer billionstel Sekunde heller als das gesamte Sonnenlicht, das im gleichen Zeitraum die Erde erreicht. 500 solcher Lichtblitze pro Sekunde erzeugte der XFEL bei den Experimenten für die nun vorgestellte Studie. Bis zu 27.000 Lichtpulse pro Sekunde soll das Gerät langfristig erreichen. Zum Vergleich: Der Röntgenlaser LCLS in den USA schafft 120 Lichtblitze pro Sekunde.

    Die Blitze werden in einer Probenkammer konzentriert auf einen Punkt, der zehnmal kleiner ist als der Durchmesser eines Haares. Jedes Mal, wenn ein Lichtblitz auf die winzigen Proben trifft, entsteht ein Streubild, das ein Detektor aufnimmt. Aus sehr vielen Streubildern lässt sich ein dreidimensionales Abbild der Probe errechnen – im Idealfall bis zum einzelnen Atom.

    Messzeit am Röntgenlaserist stark gefragt

    Atome sind die Bausteine aller Materie. Finden sich diese Teilchen bei chemischen Vorgängen zu Molekülen zusammen, geschieht das etwa eine Billion Mal schneller als der Flügelschlag des Kolibris. Nun sollen viele gute Aufnahmen von solchen Vorgängen gelingen – mit jenen kurzen Blitzen, die die Teilchen schneller ablichten, als sie sich bewegen. Aus vielen Aufnahmen sollen Filme entstehen.

    Ilme Schlichting vom Max-Planck-Institut in Heidelberg arbeitete für die Studie mit Kollegen vom Desy in Hamburg und von European XFEL in Schenefeld sowie mit Forschern aus den USA und Frankreich zusammen, um die dreidimensionale Struktur von Eiweißmolekülen im Strahl des Röntgenlasers zu untersuchen. Die genaue Strukturbestimmung solcher Biomoleküle ist wichtig, weil sich daraus etwa Hinweise für die Behandlung von Krankheiten ergeben können.

    Wie die Forscher im Fachjournal „Nature Communications“ beschreiben, untersuchten sie eine Mischung drei verschiedener Proteinmoleküle aus Pflanzen: des Enzyms Urease sowie der Proteine Concanavalin A und Concanavalin B. Während des Experiments seien Tausende von Bildern aufgenommen worden, die gut genug seien, um die drei verschiedenen Moleküle zu unterscheiden und dreidimensionale Modelle von Concanavalin A und B zu berechnen, sagen die Forscher.

    Derzeit gibt es weltweit nur fünf Röntgenlaser, die sogenanntes hartes, also kurzwelliges Röntgenlicht erzeugen. Die Messzeit am XFEL ist entsprechend stark gefragt. Auf Hamburger Seite ist das Desy für den Teilchenbeschleuniger der Anlage zuständig. Um den Betrieb des Lasers kümmert sich in Schenefeld die gemeinnützige European XFEL GmbH.