Hamburg . Kultursenator Carsten Brosda im Interview über den Wert von Denkmälern und den umstrittenen Abriss in der Stadt.
Am Donnerstag besuchen zwei Experten der Icomos, eines Beratergremiums der Unesco, Hamburg. Es geht um das Welterbe Kontorhausviertel. Zuletzt waren Zweifel laut geworden, ob ein Abriss des City-Hofs den Status möglicherweise gefährden könnte.
Hamburg streitet so leidenschaftlich über den Denkmalschutz wie lange nicht mehr – das müsste Sie als Kultursenator doch freuen, oder?
Carsten Brosda: Das ja, denn es ist in jedem Fall sinnvoll, dass wir uns darüber verständigen, welchen Wert Denkmäler für uns haben – gerade in einer Stadt, die sich schon immer rasant verändert. Wir haben rund 12.000 Denkmäler, die uns viel über unsere Geschichte erzählen und die Identität der Stadt prägen.
Besonders heftig tobt der Streit um den City-Hof. Können Sie die Argumente der Abrissgegner nachvollziehen?
Brosda: Ich verstehe jede Debatte über den Wert eines Denkmals. Und ich finde es richtig, dass sich Denkmalpfleger leidenschaftlich für den Erhalt starkmachen. In diesem Fall aber muss man differenzieren: Der Senat ist in einem langen und öffentlich über Jahre begleiteten Prozess zu der Erkenntnis gekommen, dass es aus städtebaulichen Gründen ein übergeordnetes öffentliches Interesse gibt. Solche Abwägungen sieht das Denkmalschutzgesetz als Ausnahme ausdrücklich vor.
Noch kann man die Entscheidung revidieren ...
Brosda: Es geht auch um Verlässlichkeit. Ich finde es im Übrigen sehr bedenklich, wie die Debatte über die Abrissentscheidung derzeit mit einer zweiten Diskussion über das Welterbe verknüpft wird. Hier wird die Nachbarschaft des Welterbes als Argument missbraucht. Da geht vieles durcheinander. Schon in der Bewerbung für das Welterbe war klar, dass es am Klosterwall stadtplanerische Änderungen geben wird. Das steht auch in den Dokumenten, die der Eintragung zugrunde lagen. Die Signale lauteten damals: Das ist eine Entscheidung der Stadt und des Denkmalschutzes. Entscheidend ist die Frage nach dem Neubau: Ändert sich der Wert des Welterbes, wenn in der sogenannten Pufferzone bauliche Veränderungen vorgenommen werden? Werden Blickachsen zerstört? Das haben wir in einem Gutachten geprüft, und darüber reden wir jetzt. Um es plakativ zu sagen: Wäre die Fläche am Klosterwall noch leer und wir wollten so etwas wie den City-Hof dort bauen, hätte die Unesco sicher gerechtfertigte Einwände.
Am kommenden Donnerstag bekommen Sie Besuch von Vertretern von Icomos. Machen Sie sich Sorgen um den Status Welterbe?
Brosda: Nein, wir schauen uns die konkrete Situation vor Ort an. Das Angebot dazu haben wir mit unserem Gutachten bereits im März gemacht. Dabei geht es wie gesagt nicht nur um den City-Hof und die Funktion der Pufferzone, sondern auch um den Neubau, der dort geplant ist. Daraufhin schreiben die Experten einen Bericht, den sie an Icomos International weiterleiten und der dort gemeinsam mit der Unesco geprüft wird. Ein paar Wochen danach bekommen wir eine Stellungnahme. Ich denke, dann sind alle Zweifel über die Welterbe-Verträglichkeit ausgeräumt.
Überrascht es Sie, dass die Debatte nun noch einmal so hochkocht?
Brosda: Auch wenn ich vermute, dass eine große Mehrheit in der Stadt für den Abriss ist, emotionalisiert die Entscheidung. Allerdings verwundert mich die Instrumentalisierung des Welterbes, um eine generelle Denkmalschutzdebatte durchzusetzen. Ich habe die Sorge, dass das auch der Idee des Welterbes schadet. Das Kontorhausviertel ist wegen seiner Backsteinarchitektur, seiner Klarheit und seiner Geschlossenheit eingetragen und damals sogar noch um einen 50er-Jahre-Bau erweitert worden. Der City-Hof gehört ausdrücklich nicht dazu, weil er sich von alldem abwendet. Ganz im Gegenteil: Hätte man den City-Hof zum Bestandteil machen wollen, wäre eine ganz andere Begründung für das Welterbe nötig gewesen. Es waren die Unesco und Icomos, die 2015 weiterreichende Begründungen für das Welterbe Kontorhausviertel gestrichen haben.
Welche Lehren ziehen Sie aus dem Streit?
Brosda: Ich würde mir generell manchmal etwas mehr Verfahrensfestigkeit wünschen. Wir haben 17 Jahre das Für und Wider der Elbvertiefung diskutiert, und nun tauschen wir seit Jahren die immer gleichen Argumente über den City-Hof aus. Bringt uns das wirklich weiter?
Der Senat steht wegen seiner Kommunikation in der Kritik ...
Brosda: Da gibt es viel unnötige Aufregung, finde ich. Alle zentralen Unterlagen sind öffentlich. Im Übrigen muss man wissen: Wir sind nicht der direkte Partner der Unesco – das ist die Bundesregierung. Die Kette geht über das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft an die Unesco. Wir können nicht einfach zum Telefonhörer greifen, sondern reden über mehrere Ebenen miteinander. Manchmal erfahren wir deshalb als Letzte von den Entscheidungen. Und manche Vorwürfe, die öffentlich geäußert werden, sind schlicht falsch.
Warum beziehen sie Abrisskritiker nicht intensiver in das Treffen am Donnerstag ein?
Brosda: Die Beratungsmission ist zunächst ein Angebot der Stadt, damit sich Icomos vor Ort informieren kann. Die Icomos-Experten werden sich – schon das ist im Rahmen einer solchen Mission ungewöhnlich – auch mit Kritikern treffen. Wir können aber aus dem Besuch keine öffentliche Veranstaltung machen, wie es einige fordern. Es geht hier um eine fachliche Begutachtung und nicht um eine Podiumsdiskussion.
Ist die jetzige Icomos-Mission der Schlussakkord – oder geht der Prozess weiter?
Brosda: Das können wir nicht sagen. Ich dachte schon im Frühjahr, wir hätten alle Fragen geklärt. Vielleicht wird der Fall auch dem Welterbekomitee der Unesco vorgelegt, das erst im nächsten Jahr tagt. Anhand der Faktenlage kann ich mir das aber nicht vorstellen.
Der City-Hof steht in der Pufferzone dieser Welterbestätte und ist ein markantes Zeugnis der Nachkriegsmoderne – das man gerade mit den Kontorhäusern denken muss.
Brosda: Nein, der City-Hof bricht bewusst mit dem Kontorhausviertel. Deshalb ist es ja auch nicht Teil des Welterbes. Wir können den Abriss denkmalfachlich und städtebaulich gern diskutieren, aber bitte nicht in diesem Verfahren über den außergewöhnlichen universellen Wert des Kontorhausviertels.
Es gibt Entwürfe, die City-Hochhäuser zu sanieren und in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Dabei hätten sogar deutlich mehr Wohnungen gebaut werden können ...
Brosda: Die Diskussion über diesen Entwurf ist seinerzeit aus klaren Verfahrensgründen herausgenommen worden. Die Stadt kann nicht die Spielregeln in einem laufenden Verfahren ändern.
Das werfen die Architekten der Stadt vor ...
Brosda: Wir können nur Wettbewerbsbeiträge berücksichtigen, die die geforderten Kriterien einhalten. Sonst machen wir uns angreifbar. So schön die Bilder eines revitalisierten City-Hofs auch sind: Wohnen ist in diesen Gebäuden mindestens extrem schwierig. Sie müssten etwa neu dämmen, die Fenster ließen sich nicht ohne Weiteres öffnen. Die Frage ist entschieden. Nun muss nur noch geklärt werden, ob sich der Entwurf des Neubaus mit dem Welterbe verträgt.
Ein Abriss würde die Diskussion nicht beenden.
Brosda: Wir brauchen die öffentliche Debatte, um das Stadtbild zu erhalten und gleichzeitig zu gestalten. Je näher wir bei der Unterschutzstellung der Gegenwart kommen, desto emotionaler werden die Debatten. Bei Gebäuden bis in das 19. Jahrhundert hinein gibt es einen Konsens, was schön und erhaltenswert ist. Bei moderneren Bauten fällt das oft auseinander. Die Bauten der City Nord oder der Ost-West-Straße sind ästhetisch sicher teilweise umstrittener als der Michel – aber sie stehen zu Recht unter Schutz. Wir dürfen uns den Denkmalschutz nie leicht machen. Städte müssen sich aber im Kern auch ändern dürfen.
Eine umstrittene Veränderung ist der Abbruch des Deutschlandhauses am Gänsemarkt.
Brosda: Auch diese Debatte ist schwer nachvollziehbar. Das Haus hat keine der Qualitäten mehr, die seine Fürsprecher mit ihm verbinden. Das Deutschlandhaus ist in den 70er-Jahren fundamental verändert worden – da entspricht kaum noch etwas der Originalsubstanz. Man kann ja Fehler früherer Jahre bedauern. Der rechtlich bestimmte Denkmalwert aber ist unwiederbringlich zerstört. Wir sollten daraus lernen: Wie schützen wir Denkmäler, die stadtprägend, original und ikonisch sind? Deshalb wurde nun zum Beispiel das Hanseviertel oder das Gruner+Jahr-Verlagsgebäude am Hafenrand unter Schutz gestellt.
Wird man in 20 Jahren dem City-Hof so hinterhertrauern, wie wir heute etwa den Abriss des Dovenhofs bedauern?
Brosda: Ich glaube nein.
Linke und FDP werfen dem Senat vor, er habe die Akten zum umstrittenen Vorhaben nur unvollständig vorgelegt und sie zudem manipuliert ...
Brosda: Das kann nur behaupten, wer noch nicht in die Akten geguckt hat. Der Senat hat wie gefordert alle bis zum Bürgerschaftsbeschluss am 30. Mai aktenwürdigen Dokumente zu den gewünschten Themenbereichen vorgelegt. Das geht Jahrzehnte zurück und umfasst natürlich auch die Denkmalbegründung und viele weitere grundsätzliche Dokumente. Es sind somit alle Voraussetzungen für eine fundierte und sachliche Diskussion geschaffen, die dem Denkmal und dem Welterbe gerecht wird.