Alles blickt auf Katharina Fegebank: Warum die Grünen ihre Zweite Bürgermeisterin zur alleinigen Spitzenkandidatin küren.

Humor hat sie auch. „Ausgeschlossen“ sei in ihrer Partei ja nie etwas, scherzte Katharina Fegebank am Dienstag in der Parteizentrale der Grünen in der Innenstadt. Daher könne es natürlich auch sein, dass die Mitglieder fordern, man möge „in einem 16er-Team oder Fünfer-Team“ oder als Doppelspitze zur Bürgerschaftswahl antreten. „Oder die ganze Partei tritt an“, so die Zweite Bürgermeisterin, die sich herzhaft über die Absurdität ihrer Überlegungen amüsierte.

Denn tatsächlich hoffe sie doch, dass der Vorschlag des Landesvorstands angenommen und auf dem Parteitag am 27. Oktober nur eine Spitzenkandidatin gekürt wird – sie selbst. Die Bewerbung für die Führungsrolle bei den Grünen hatte sie kurz vorher per E-Mail an alle 1800 Parteimitglieder eingereicht und „ganz ehrlich“ betont: „Ich musste nicht lange überlegen.“

Strategische Weichenstellung

So spontan, wie dieser Satz es suggeriert, war die Entscheidung aber keineswegs. In Wahrheit handelt es sich um eine strategische Weichenstellung, die selbst für die debattierfreudigen Grünen sehr gründlich vorbereitet wurde. Schließlich geht es um die politische Kernfrage: Wie kann die Partei bei den Bürgerschaftswahlen Anfang 2020 erfolgreich sein?

Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen liegt schon fast ein Jahrzehnt zurück. Damals bekam Hamburg per Volksentscheid ein neues Wahlrecht, das den Bürgern deutlich mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlaments gab – indem sie neuerdings die Bewerber sowohl auf der Landesliste als auch in den Wahlkreisen direkt ankreuzen konnten. Wie effektvoll dieses Instrument sein kann, zeigte sich schon bei der ersten Anwendung 2011: Seinerzeit machten auf der Landesliste mehr Wähler ihr Kreuz direkt bei SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz als bei der gesamten CDU.

Schon damals setzten die Grünen eine „Arbeitsgemeinschaft Wahlen“ ein, die Chancen und Risiken dieses Wahlrechts analysieren sollte. Und sie kam jetzt zu dem klaren Urteil, die Partei sei „immer noch nicht ausreichend auf die Anforderung der Personalisierung in Wahlkämpfen eingestellt“.

Unheimliche Harmonie bei den Grünen

Daneben wuchs die Einsicht, dass man vor der Wahl 2015 schwere strategische Fehler gemacht hatte. Seinerzeit hatte man sich entschieden, erstmals mit einem Spitzenkandidaten-Duo anzutreten. Das Problem daran: Neben der an eins gesetzten Fegebank bewarben sich mit dem damaligen Bürgerschafts-Fraktionschef Jens Kerstan und Ex-Justizsenator Till Steffen zwei Schwergewichte um die andere Spitzenposition. Wochenlang tingelten die beiden grünen Alphamännchen durch die Partei und zelebrierten ihren Zweikampf. Erst wenige Monate vor der Wahl setzte sich Kerstan in einer Mitgliederversammlung hauchdünn durch.

„Das war nicht hilfreich“, sagen führende Grüne rückblickend. Denn nach dem zermürbenden innerparteilichen Wahlkampf blieb kaum Zeit für eine inhaltliche Profilierung der Kandidaten, und viel schlimmer: Die längst überwunden geglaubte Spaltung der Partei war plötzlich zurück.

Zwar zogen sowohl Kerstan (Umwelt) als auch Steffen (Justiz) in den neuen rot-grünen Senat ein und arbeiten seitdem professionell zusammen. Aber die Partei hatte an diesem Konflikt noch lange zu knabbern.

Mittlerweile sind die Gräben jedoch zugeschüttet, es herrscht eine fast schon unheimliche Harmonie, und die Grünen sonnen sich in hervorragenden Umfragewerten – im Frühjahr lagen sie mit 18 Prozent sogar vor der CDU. Aus dieser Position der Stärke heraus sollen nun frühzeitig die entscheidenden Weichen gestellt werden.

Dabei setzt die Parteiführung um die Vorsitzende Anna Gallina drei Leitplanken: Es soll nur eine Spitzenkandidatin geben, sie soll noch im Oktober und damit fast ein Jahr vor der Landesliste nominiert werden, und der Wahlkampf soll ganz auf sie zugeschnitten werden. Auch dabei ließ sich der Vorstand vom Votum der AG Wahlen leiten, die „eine verstärkte Personalisierung des Wahlkampfes“ empfiehlt.

Fegebank als Galionsfigur

Ein Name taucht in diesen Papieren gar nicht auf, aber es ist auch so offensichtlich, auf wen dieses Konzept zugeschnitten ist: Katharina Fegebank soll endgültig und offiziell zur Galionsfigur der Hamburger Grünen werden. „Mit ihr verwandeln wir gute Umfragen in gute Wahlergebnisse, da bin ich ganz sicher“, twitterte Gallina, nachdem die Bewerbung eingegangen war.

Die 12,3 Prozent von 2015 gelten dabei allgemein nicht als gut. Da sei „viel mehr drin“, sagte Fegebank, von der bekannt ist, dass sie große Sympathie für das Modell Baden-Württemberg hegt: Dort regiert seit 2011 der Grüne Winfried Kretschmann. In Hamburg hatte die Partei auch durchaus erwogen, erstmals eine „Bürgermeisterkandidatin“ zu präsentieren, aber mit Blick auf die realen Kräfteverhältnisse und die recht harmonisch arbeitende rot-grüne Koalition davon Abstand genommen. Fegebank hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sogar vorab über ihre Bewerbung informiert.

Dennoch ist es kein Geheimnis, dass ihr das kurze Interregnum gefallen hat, als sie zwischen dem Angang von Olaf Scholz und der Wahl seines Nachfolgers den Senat angeführt hatte. „Eine grüne Frau an der Spitze der Stadt hat die Fantasie beflügelt, was in einem modernen Hamburg möglich ist“, meint auch die Parteiführung.

Bleibt die Frage, was „stärkere Personalisierung“ bedeuten soll. Führende Grüne versichern zwar, dass keine Fegebank-Show geplant sei und etwa ihre künftige Mutterrolle – sie erwartet Ende des Jahres Zwillinge – nicht inszeniert werden solle. Vielmehr gehe es darum, ihre Person mit den grünen Inhalten zu verknüpfen. Was das konkret bedeutet, bleibt abzuwarten. Klar dürfte sein, dass die Wissenschaftssenatorin sich als Spitzenkandidatin nicht nur auf ihren Bereich und gesellschaftliche Themen beschränken wird, sondern sich verstärkt auch zu anderen urgrünen Themen wie Umwelt und Verkehr äußern wird. So manches Alphatier der Partei wird lernen müssen, sich etwas zurückzunehmen.