Hamburg. Offenbar Leichen von vermisstem Vater und Sohn aus Elbe geborgen. Zahl der Unfälle steigt dramatisch an – Idylle auf dem Wasser trügt.
Die Polizei hatte bereits tagelang mit Booten, einer Drohne und einem Helikopter gesucht – aber die schreckliche Entdeckung macht am Mittwochmorgen ein Passant. Er ruft die Rettungskräfte, bei der Insel Pagesand ziehen sie wenig später die Leichen zweier Männer aus dem Wasser. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um Thomas K. (61) und Timon B. (18), Vater und Sohn. Sie ertranken offenbar.
Die Männer waren vor drei Tagen beim Kanufahren auf der Elbe verschwunden. Thomas K. aus Glückstadt und Timon B. aus Hamburg waren am Sonntagnachmittag mit einem Kanu auf der Elbe nahe Kollmar (Kreis Steinburg) unterwegs. Zeugen sahen am Sonntag gegen 14.30 Uhr, wie ein führerloses Kanu mit Außenmotor auf der Elbe kreiste und ein Mann im Wasser um Hilfe schrie. Kurz darauf ging der Mann unter und tauchte nicht mehr auf. Das Boot wurde gefunden, die Männer blieben jedoch verschwunden.
Elbe birgt viele versteckte Gefahren
Ein Sprecher der zuständigen Polizei in Itzehoe sagte, es sei noch unklar, unter welchen Umständen die Männer genau verschwanden – da in dem Kanu noch die persönlichen Gegenständen von Thomas K. und Timon B. lagen, ist davon auszugehen, dass das Kanu nicht gekentert war.
Der mutmaßliche tragische Unfall reiht sich jedoch in eine extreme Häufung von tödlichen Unfällen in Flüssen und Badeseen während des extrem heißen Sommers ein. Bereits bis Ende Juli hatte die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG allein in Hamburg bereits 14 Ertrunkene in diesem Jahr gezählt – mehr als dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum und doppelt so viele wie etwa in Berlin. Zuletzt waren zudem am Sonnabend zwei 17 und 38 Jahre alte Hamburger innerhalb eines Tages jeweils beim Baden in der Ostsee bei Haffkrug tödlich verunglückt.
Trügerisch paradiesisch
Die jüngste Tragödie auf der Elbe ist auch möglicherweise ein Beispiel dafür, dass große Flüsse derzeit trügerisch paradiesisch und friedlich wirken: mit blauem Himmel, weißen Sandstränden, großen Schiffen, die auf dem Strom ihre Bahnen ziehen. Aber die Elbe kann auch dann gefährlich werden – besonders, wenn man sich mit kleinen Booten wie Kanus oder Kajaks darauf wagt, wie jetzt die beiden verunglückten Kanuten. Bei dem Hamburger Verein „Ring der Einzelpaddler“ gelten daher einige feste Regeln, wie Wanderwart Wolfhard Baader sagt. Die Unterelbe ist so etwas wie das Stammrevier des wohl mitgliederstärksten Hamburger Kanuvereins, der sein Bootshaus in Blankenese hat.
Tipps zur Sicherheit beim Schwimmen
So sollten neue Mitglieder vor Fahrten auf dem Fluss möglichst einen Grundkurs absolvieren, den der Verein anbietet. Eine der wichtigsten Regeln, die man dort lernt: „Wenn man kentert, unbedingt beim Boot bleiben und sich daran festklammern“, sagt Baader. Dann werde man eher gesehen und kühle weniger aus. In der Strömung zum vielleicht ein Kilometer entfernten Land zu schwimmen, sei indes keine gute Option. Zumal die Strömung sehr tückisch sein kann.
Männer ertrinken häufiger
So gibt es entlang der Buhnenköpfe Wirbelzonen und Kehrströmungen, die plötzlich gegen den Hauptstrom laufen. „Wenn man sich da nicht auskennt, wird das als Schwimmer sehr gefährlich“, sagt der erfahrene Kanu-Sportler. Zu beachten seien auch die Bug- und Heckwellen von Schiffen. „Immer mit dem Bug voran anfahren, nie von der Seite oder von hinten die Wellen nehmen, dann schlägt man schnell quer“, warnt er.
Am Ufer sehe das Wasser im Windschatten des Landes außerdem oft noch spiegelglatt aus – weiter im Strom, gerade bei Lühesand oder Pagensand, könnten sich dann aber schon bis zu zwei Meter hohe Wellen gebildet haben. „Da kommt man dann plötzlich nicht mehr raus als Paddler“, so Baader.
Ob Thomas K. und Timon B. bereits Erfahrung hatten, mit dem Kanu auf der Elbe unterwegs zu sein, ist nicht bekannt. Nach den Daten des DLRG ertrinken durchschnittlich viermal so viele Männer wie Frauen in deutschen Gewässern – laut einer Studie sind beim Baden besonders die Gruppe der 40- bis 50-jährigen Männer gefährdet. Hier kommen Selbstüberschätzung und erste, oft unerkannte körperliche Probleme zusammen.
Viele Flüchtlinge sind Nichtschwimmer
Gefährdet sind außerdem die 16- bis 25-Jährigen. Hier sind oft Alkohol oder Drogen Begleiterscheinungen des Ertrinkens. Kinder bis fünf Jahre sind die dritte besonders oft betroffene Gruppe. Sie ertrinken im Gegensatz zu Jugendlichen oder Erwachsenen auch beim Baden in Gewässern, in denen sie eigentlich stehen könnten.
Nur in den seltensten Fällen sind die Betroffenen noch in der Lage, vor dem Ertrinken auf dem Wasser laut um Hilfe zu schreien. Meistens sind sie zu erschöpft und haben kleinere Mengen an Wasser geschluckt. In den letzten Jahren erlitten vermehrt Flüchtlinge eine Rolle bei Badeunfällen, zuletzt vor drei Wochen am Neuländer See. Viele Flüchtlinge sind Nichtschwimmer.