Hamburg . In unserer Sommer-Serie probieren wir Action-Angebote in Hamburg aus. Bei der HotRod City Tour ist jedes Schlagloch zu spüren.

Für mich nur ein kleines Abenteuer, bitte. Nur ein wenig Action. Nichts Gefährliches, nichts, wo ich kopfüber hänge oder jegliche Kontrolle im freien Fall abgeben muss. Diese niedlichen Seifenkisten scheinen genau das Richtige für Wagemutige mit etwas Muffensausen zu sein. Klein und harmlos kommen die HotRods daher. Doch sie entpuppen sich als Wölfe im Schafpelz.

Höchstgeschwindigkeit: 88 Kilometer pro Stunde

Den Zündschlüssel nach rechts drehen, auf den schwarzen Startknopf drücken, und der Motor springt an. Jetzt wird es Ernst. Es knattert laut, die kleine Kiste vibriert. Anschnallen ist nicht, weil es gar keine Gurte gibt. „Wenn ein großer Pkw ins Spiel kommt, bleibt von euch nicht viel übrig“, sagt HotRod-Chef Franz Wesser noch in der Einweisung. „Glasfaserverstärkter Kunststoff (Gfk) gegen Blech, da bleibt nichts übrig.“ Ja, wir haben es verstanden, bitte nicht noch anschaulicher werden. Unsere Fahrzeuge bestehen also aus „Gfk“ mit Viertaktmotor, 13,6 PS. Höchstgeschwindigkeit: 88 Kilometer pro Stunde, Länge: zwei Meter. Trommelbremse ohne Bremskraftverstärker.

Franz Wesser (43) hat 32 dieser Fahrzeuge hier im Zelt stehen. In der Optik angelehnt an die HotRods aus den USA der 1930er-Jahre. Eine Manufaktur in Norderstedt stellt die Fahrzeuge für ihn her. Seit 2012 schickt er damit seine Kunden, inzwischen auch an zwölf weiteren Standorten europaweit, auf die Straße.

„Schöne Direktlenkung“

Die Seifenkisten mit Motor haben eine, wie Franz Wesser sagt, „schöne Direktlenkung.“ Was das bedeutet, lernen wir schnell: Das Lenken ist zunächst ungewohnt, und um die Spur zu halten, muss ich sanft vorgehen. „Nicht so am Lenkrad reißen, sonst fahrt ihr auch so. Schön locker bleiben.“ Danke für den Tipp.

Immerhin schützt mich noch ein Helm bei einem möglichen Aufprall. Optimistisch bleiben! Von wegen kleines Abenteuer. Mir ist schon mulmig, bevor es vom Parkplatz an der St. Pauli-Hafenstraße neben dem Beachclub überhaupt auf die Straße geht, in den Großstadtverkehr mit vielen Autos und sehr, sehr vielen, sehr großen Lastwagen.

Den Gang von N wie Neutral, in F wie Fahren einlegen. Einlegen klingt so elegant aus dem Handgelenk wie bei einem normalen Auto, tatsächlich aber muss ich einen schlichten Metallhebel links im Fußraum ein Stück nach rechts bewegen. Sehr rustikal ist das alles.

Fahren ohne Kupplung

Bremse links, Gas rechts, hatte uns Franz Wesser auch noch eingebläut. Mantramäßig wiederhole ich das in meinen Gedanken. Also: Fuß von der Bremse, anderen Fuß aufs Gas. Eine Kupplung gibt es bei der Variomatik nicht.

Franz Wesser
Franz Wesser © M. Rauhe

Los geht’s. Ganz vorn fährt unser Tourguide Carlo, wir anderen an unseren festen Positionen hinterher, überholen streng verboten. Weil seine Stimme im Knattern der Motoren untergeht, verständigen wir uns mit Handzeichen. Willkommen bei den HotRod City Tours! In den kommenden zwei Stunden geht es quer durch die Stadt durch die HafenCity auf die andere Elbseite, an der Außenalster entlang, über die Reeperbahn in kleinen seifenkistenartigen Minifahrzeugen, den HotRods.

„Lasst euch nicht zu sehr ablenken, bleibt in eurer Rotte“, sagt Franz Wesser noch, und schon knattern wir hinter Carlo her die Hafenstraße entlang Richtung St. Pauli-Landungsbrücken. Wie eine Wildschweinrotte eben oder eine Entenfamilie. Wir die kleinen Küken, Carlo unser Vater, der sich immer wieder umdreht und sichergeht, dass ihm auch alle folgen. Wir fahren versetzt, sodass wir keine allzu lange Reihe bilden, und vor der ersten roten Ampel an den Landungsbrücken stehen wir zu zweit nebeneinander, wie es uns kurz zuvor beigebracht wurde. Das mulmige Gefühl löst sich beim Fahren fast völlig auf, bis zur ersten Begegnung mit einem riesigen Laster neben mir.

Ich auf Fahrbahnhöhe wie bei einem Liegerad, der Laster wie ein Koloss, der mich mühelos zerquetschen könnte. Das fühlt sich schlimmer an als auf einem Fahrrad neben einem HVV-Bus am Gänsemarkt. Aber anders als beim Radfahren gibt die Rotte einem Sicherheit. Zusammen sind wir stark! Und werden hoffentlich nicht überfahren.

Übersehen werden wir jedenfalls nicht

Selbst die Radfahrerin neben mir vor der Elbphilharmonie ist so groß. Sie schaut von oben auf mich herab. Übersehen werden wir jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil. Wo wir gemütlich mit Tempo 20 bis 40 entlangfahren, lächeln uns die Passanten an, machen Fotos mit ihren Handys. Wir müssen aber auch süß aussehen, wie wir da in unseren Hot­Rods knapp über der Fahrbahndecke entlanggebraust kommen, mit unseren dicken Helmen und den kurzen Oberkörpern, die in den Fahrzeugen stecken wie Spielzeugautos. Manchmal winken einige von uns zurück. Wir sind eine richtige Attraktion, stehen überall im Mittelpunkt, und das fühlt sich gut an, weil alle so freundlich reagieren, so wie die Fußgängerin an der Alster in Höhe der Alsterperle, die ganz entzückt ist. Als Radfahrer bin ich ja sonst eher lästig. Allerdings ist Radfahren bequemer.

Die Fahrzeuge haben keine Federung

In den Fahrzeugen ist es eng, und wer größer ist als 1,65 Meter, also die Männer auf dieser Tour, hat es unbequem. Unsere Nasen und Münder sind auf Höhe der Auspuffröhre der anderen Verkehrsteilnehmer. Wie viel stinkende Abgase ich in den kommenden zwei Stunden einatmen werde? Ich will es gar nicht wissen. Es ist Teil der ganzen Action. Der Spaß überdeckt solche Sorgen. Rums, das war ein Schlagloch. Ich erinnere mich an die Worte von Franz Wesser: „Ihr werdet schnell merken, in welchem Zustand Hamburgs Straßen sind.“ Die Fahrzeuge haben keine Federung. Gut, dass ich keine Probleme mit den Bandscheiben habe. Noch nicht. Also Pobacken vorher anspannen, dann trifft einen jede Delle, jedes Schlagloch, jede Rille etwas weniger. Besonders zu spüren, als wir mit Tempo 70 über die Freihafenelbbrücke fahren, ich empfinde es als rasen, anderen Tourteilnehmern wie Sven Richter (18) aus Zwickau geht es nicht schnell genug.

Vor dem Hafenmuseum legen wir eine kleine Verschnauf- und Fotopause ein, inzwischen kennen wir jede Nahtstelle, jede Nut der Freihafenelbbrücke. Caro (28) aus Worms und eine von drei Teilnehmerinnen an diesem Tag hatte zu Beginn der Tour auch etwas Angst. Jetzt nicht mehr. „Das macht einfach nur Spaß.“

Das ist Abenteuer, das macht Spaß

Dabei hatte Franz Wesser vor unserer Abfahrt noch gesagt: „Hamburger sind nicht die Nettesten. Sie werden jede Lücke nutzen und sich zwischen euch quetschen.“ Ja, das passiert immer wieder, und die Gruppe wird auseinandergerissen. Da wir aber schon nach wenigen Minuten voll routiniert sind, stört das nicht. Es stört auch nicht, dass ich als Letzte in der Reihe die Grünphasen häufig nicht mehr mitnehmen kann und als Einzige an einer roten Ampel ausharre. Aber die HotRod-Familie wartet immer. Wie gesagt, wir gehören zusammen. „Na, hast du den Anschluss verloren?“, fragt der Autofahrer vor der Laeiszhalle durchs geöffnete Fenster. Ja, habe ich, macht aber nichts. Das ist Abenteuer, das macht Spaß. Denn allein der Gruppe hinterherzufahren und den Anschluss wiederzufinden ist toll. Dann kann ich richtig Gas geben und auch einmal schneller fahren.

Nach zwei Stunden fahren wir lässig wieder auf den Parkplatz an der Hafenstraße. Wir fühlen uns wie Profi-Hot­Rod-Fahrer. Die Fahrzeuge sind heil geblieben, niemand ist verletzt. Als ich später wieder Rad fahre, lächelt mich niemand mehr an. Leider.

Die Tour:

Die HotRod CityTour wird in Hamburg von etwa März bis November angeboten. Die kleinen Flitzer fahren auch bei Regen. Die Zwei-Stunden-Tour kostet 99 Euro. Voraussetzung: Der Fahrer muss 18 Jahre alt sein und einen Führerschein der Klasse 3/B besitzen, der vor Fahrtantritt vorzuzeigen ist. Es gilt Helmpflicht, Helme werden kostenfrei zur Verfügung gestellt. Zudem gilt die 0,0-Promille-Grenze – absolutes Alkoholverbot!

Infos: Telefonische Anfragen von Mo–Fr 9–17 Uhr unter der Telefonnummer 75 66 30 42. Am Wochenende nur unter der Stationsnummer 0157 71 80 11 54. Treffpunkt ist beim Parkplatz StrandPauli, St. Pauli Hafenstraße 89. Los geht es immer von 10 Uhr an, die letzte Tour startet um 18 Uhr. www.hotrod-citytour-hamburg.com/touren/

Morgen: Mit dem Speedboat unterwegs