Stellingen. Hagenbeck-Besucher dürfen mit Bohnen über neuen Namen für den jüngsten Babybullen entscheiden

    Fast scheint es so, als sei sich der Kleine seiner Rolle bewusst. Tapsig, aber durchaus selbstbewusst, eilt er auf die Besuchermenge zu, die sich vor dem Elefantengehege versammelt hat und ihm zulacht. Plötzlich erregt ein schon etwas brüchiger Betonpoller seine Aufmerksamkeit. Manchmal steigen seine großen Verwandten darauf, um kleine Kunststücke vorzuführen. Er bleibt stehen, tastet die Oberfläche mit dem Rüssel ab. Dann weiß er: Bis er darauf steigen kann, muss er noch ordentlich wachsen.

    Noch wird dieser niedliche Elefantenbulle, der am 5. Mai bei Hagenbeck geboren wurde, Brausepaul genannt. Bei der Suche nach einem richtigen Namen dürfen jetzt alle Tierparkbesucher mitmachen. Es gibt bereits drei Vorschläge, über die sie abstimmen können. Dafür bekommt jeder Besucher an der Kasse zu seiner Eintrittskarte eine weiße, asiatische Bohne. Diese Bohne können sie in ein von Hagenbeck-Mitarbeitern gebautes „Bohn-o-Meter“ werfen. Es steht vor dem Vereinshäuschen der „Freunde des Tierparks“ und besteht aus drei durchsichtigen Plexiglassäulen. Auf jeder steht ein Name. Der, der die meisten Bohnen erhält, gewinnt.
    Es ist Tradition, dass neugeborene Elefanten erst einmal einen „Behelfsnamen“ bekommen, bis ein Taufname gefunden ist. „Normalerweise heißen die Mädchen ,Püppie‘ und die Jungen ,Lumpi‘“, sagt Elefantenpfleger Thorsten Köhrmann (57). Dieses Mal hat er mit der Tradition gebrochen. „Es wurde langweilig.“ Aber natürlich sei auch Brausepaul kein würdiger Name für einen imposanten Elefantenbullen. Und zu dem soll der Kleine schließlich heranwachsen. Das hofft man bei Hagenbeck nach dem virusbedingten Tod der Jungtiere Anjuli und Kanja im Juni ganz besonders inständig.

    Drei Namensvorschläge für Brausepaul haben die sechs Elefantenpfleger aus etwa 20 von ihnen zusammengetragenen Vorschlägen gewählt. Zunächst ist da der indische Vorname „Raj“ (sprich: Radsch), der so viel wie „Prinz“, „König“ oder auch „Herrscher“ bedeutet. Dann „Siam“, nach einem berühmtem indischen Elefanten, der umjubelte Auftritte beim Zirkus Knie in Europa hatte und seinen Lebensabend im Pariser Zoo verbrachte. Und schließlich „Chang“, was auf thailändisch schlicht „Elefant“ heißt. „Ein asiatischer Elefant braucht einen asiatischen Namen“, begründet Köhrmann die Auswahl. Das gilt für die ganze Herde, die aus Shila (Brausepauls Mutter), Shandra, Mogli, Kandy, Salvana (oder auch Indra), Yashoda und Lai Sinh (ist gerade trächtig) besteht.

    Auch der Klang der Namen ist wichtig. „Sie müssen kurz und knackig sein. Sonst hören die Elefanten nicht“, erklärt der Pfleger, der seit 30 Jahren bei Hagenbeck und seit 20 Jahren im Elefantengehege arbeitet. Das müssen sie aber. „Schließlich befinde ich mich mitten in einer Herde von mehreren tonnenschweren Tieren. Und wir wollen alle heil durch eine Tür.“ Natürlich muss auch Brausepaul gehorchen. Dass er das lernt, dafür sorgen auch die Elefanten. Wird der kleine Dickhäuter zu aufdringlich, bekommt er einen Stoß mit dem Rüssel oder einen Fußtritt.

    Vor dem aggressiven Elefanten-Herpes-Virus EEHV, an dem Anjuli und Kanja verendet sind, ist der Kleine geschützt, so lange er von Shila gesäugt wird. „Das kann bei Elefantenjungen drei Jahre dauern – vorausgesetzt, die Mütter lassen sie“, sagt Thorsten Köhrmann. Sogar mit fünf oder sechs Jahren kämen einige Jungtiere manchmal noch an die Mutterbrust. „Meistens, wenn sie nervös oder aufgeregt sind. Das ist dann so wie Daumennuckeln.“

    EEHV kommt bei afrikanischen und asiatischen Elefanten vor. Die Tiere können das Virus in sich tragen, ohne zu erkranken. Wenn es ausbricht, schädigt es die inneren Organe und führt schließlich zu Kreislaufversagen. Vorbeugende Impfungen gibt es (noch) nicht. Anjuli hatte noch ein starkes Medikament bekommen, das aber wegen des fortgeschrittenen Stadiums der Erkrankung nicht mehr wirken konnte. Elefanten sind schlau. Wer weiß, vielleicht lässt Shila ihren Kleinen ja länger als üblich trinken ...